Lexikon der Geographie: Hochgebirgsklima
Hochgebirgsklima, extreme Ausbildung des Gebirgsklimas im Hochgebirge, dessen Merkmale auch einen besonderen Zustand der Atmosphäre bewirken, welche wiederum wesentlich die biotischen und abiotischen Prozesse im Hochgebirge steuert. Das Hochgebirgsklima wird im Rahmen der Hochgebirgsklimatologie oder alpinen Klimatologie untersucht.
Im Hochgebirge nimmt mit vertikaler Höhe der Luftdruck ab, damit erhöht sich bei wolkenlosem Himmel die Intensität der direkten Einstrahlung, die diffuse Himmelsstrahlung hingegen ist vermindert, weil die Dichte der streuenden und absorbierenden Atmosphärenbestandteile geringer wird. Dies hat mikroklimatische Konsequenzen, indem sowohl innerhalb kurzer Zeit extreme Schwankungen der Energieflussdichten der Globalstrahlung auftreten als auch eng benachbart auf kleinstem Raum wesentlich größere Unterschiede als im Flachland auftreten. Die Reflexion der direkten Strahlung von Wolken oder Schneeflächen kann darüber hinaus die Einstrahlungsgewinne der Oberflächen erheblich über den Wert der Solarkonstanten steigen lassen. Ein weiteres Merkmal der Einstrahlung im Hochgebirge ist die mit zunehmender Höhe größere Intensität ultravioletter Strahlung.
Die Lufttemperatur nimmt mit der Höhe ab. Gegenüber der adiabatischen Abnahme im Flachland ist der Wert um den Massenerhebungseffekt vermindert. Im Tagesgang werden die Temperaturen kontinentaler, im Jahresgang hingegen ozeanischer. Auch die bodennahen Vertikalgradienten von Lufttemperatur und Feuchte sind im Hochgebirge ausgeprägter als im Flachland. Die extremen thermischen Kontraste in allen Scales haben ebensolche Gegensätze der relativen Feuchte zur Folge. Darüber hinaus bewirken sie horizontale Druckgegensätze, aus denen sich bei austauscharmen Wetterlagen autochthone Winde ergeben. Es entstehen Hangwinde, Berg- und Talwinde sowie weitere Zirkulationen, welche sich wechselseitig beeinflussen und zusammen mit dem geostrophischen Wind komplexe Bewegungsmuster der Grenzschicht im Gebirge bilden (Vorlandwind).
Ein wichtiges Merkmal des Hochgebirgsklimas ist die Erhöhung der mittleren Windgeschwindigkeit. Doch auch hier gibt es neben windexponierten Hochlagen schwach durchlüftete Bereiche, in denen lediglich lokale Zirkulationen einen Luftaustausch aufrecht erhalten. Diese haben besonders in den Hochgebirgstälern eine sehr große Häufigkeit und Regelhaftigkeit. Lufthygienische Probleme aufgrund schlechter Durchlüftung sind in Tallagen der Hochgebirge häufiger als im Flachland. Der Wind beeinflusst im Hochgebirge wesentlich stärker als sonst die Verteilung des Niederschlags, besonders jedoch die Schneeverteilung, was angesichts der größeren Anteile des festen Niederschlags weit reichende ökologische Konsequenzen hat.
Das spezielle Hochgebirgsklima erfordert besondere Beachtung bei allen baulichen Maßnahmen aufgrund der hohen klimatischen Lasten. Die angewandte Hochgebirgsklimatologie erarbeitet die entsprechenden Grundlagen. Aus Sicht der Bioklimatologie ist beim Hochgebirgsklima vor allem der Zusammenhang mit dem menschlichen Befinden untersucht worden. Der niedrige Luft- und damit auch Sauerstoffpartialdruck hat für den nicht angepassten Organismus eine hochfrequentere Atmung und eine stärkere Herztätigkeit zur Folge. Der Aerosolgehalt ist niedriger als im Flachland, weshalb das Hochgebirgsklima für Allergiker entlastend ist (Reizklima, Kurortklima). Ab einer Höhenlage von ca. 3000 m NN treten jedoch auch für den Menschen zunehmend Belastungsmerkmale auf, welche krankhafte Symptome auslösen können (Höhenkrankheit). Die Hochgebirgsmeteorologie oder alpine Meteorologie schließlich untersucht die Wirkungen des Gebirges auf meteorologische Prozesse, beispielsweise die Veränderung des Druckfeldes oder die Wirkung auf Luftmassenbewegungen und Fronten sowie besondere Phänomene beim Überströmen von Gebirgen, wobei Luftmassen ihre Eigenschaften grundlegend ändern können (Föhn).
JVo
Lit: BARRY, R.G. (1981): Mountain weather and climate. – London und New York.
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