Lexikon der Geowissenschaften: Bodenerosion
Bodenerosion, Bodenabtrag, Bodenkappung, Bodenumlagerung, Bodenverkürzung, Bodenverlagerung, Bodenzerstörung. Bodenerosion wird durch Eingriffe des Menschen ermöglicht. Bodenerosion umfaßt die Prozesse der Ablösung, des Transportes und der Ablagerung von Bodenbestandteilen. Unmittelbar ausgelöst wird Bodenerosion durch Regentropfen, die auf vegetationsfreie Oberflächen aufprallen (Regentropfenerosion), durch den nachfolgenden Abfluß auf der Bodenoberfläche (Wassererosion), durch starken Wind (Winderosion) oder durch den Abfluß auf der Bodenoberfläche beim raschen Tauen von wasserreichen Schneedecken (Schneeschmelzerosion). Bodenerosion durch Wasser wirkt flächenhaft (Flächenerosion) oder linienhaft (Rillenerosion). Während seltener, starker Niederschläge kann über wenige Minuten nahezu flächendeckend auf einem vegetationsfreien Hang Abfluß entstehen, Bodenpartikel können sich ablösen und mit diesen auf der Bodenoberfläche abfließen. Mäßig starke Niederschläge verursachen schwachen Abfluß auf der Bodenoberfläche in zahlreichen, cm bis dm breiten Abflußbahnen. Hier wird der Boden manchmal nur um Bruchteile von mm tiefer gelegt. Die nächste Bodenbearbeitung beseitigt die lokalen Abfluß- und Abtragsspuren, sie nivelliert die Bodenoberfläche. Flächenhafte Bodenerosion führt so zu einer allmählichen, ungleichmäßigen Tieferlegung ganzer Ober- und Mittelhänge. Viele schwache bis mäßig starke Abflußereignisse legen die Bodenoberfläche über Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte flächenhaft mm für mm tiefer. Die Langsamkeit der flächenhaften Bodenerosion, die auch als schleichende Bodenerosion bezeichnet wird und die Bodenfruchtbarkeit allmählich verringert, führt dazu, daß ihre Bedeutung oft unterschätzt wird. Bei extrem starken Niederschlägen führt der auf ackerbaulich genutzten Hängen in Bahnen zusammenströmende Abfluß auf der Bodenoberfläche zur Einschneidung von tiefen Kerben und damit zu verheerender, linienhafter Bodenerosion. Die Lage der Abflußbahnen wird von der Hangform, der Lage und Form der Nutzungsparzellen und der Richtung der Bodenbearbeitung bestimmt. Bodenbearbeitung in Gefällsrichtung führt den Abfluß rasch dem Gefälle folgend ab, kleine Rinnen tiefen sich ein, die sich nur selten treffen und so über die verstärkte Abflußkonzentration starke linienhafte Eintiefungen verursachen. Wird annähernd quer zum Gefälle, also entlang der Höhenlinien gearbeitet, sammelt sich der Abfluß in den Furchen und infiltriert zunächst. Sind die Furchen schließlich wassergefüllt, läuft der Abfluß über die tiefste Stelle des Dammes und zerreißt den Damm. Die Furche entleert sich in wenigen Minuten, große Wassermassen strömen in kurzer Zeit konzentriert hangabwärts und reißen tiefe Kerben ein. Strömt in Hangdellen viel Abfluß zusammen, können ebenfalls tiefe Kerben einreißen.
Während natürliche Abtragungsprozesse (Erosion) nur auf den Flächen vorherrschen, die ohne Einfluß des Menschen vegetationsarm sind, tritt Bodenerosion nur nach Eingriffen des Menschen in die Landschaft auf. Natürliche Abtragung war in Mitteleuropa außerhalb der Alpen letztmalig im Spätglazial bedeutend. Heute tritt sie in Mitteleuropa hauptsächlich oberhalb der Waldgrenze in den Alpen auf. In den gemäßigten Breiten schützten die Wälder die Bodenoberfläche nahezu vollständig vor natürlicher Abtragung. Die Rodung der Wälder, die in Mitteleuropa vielerorts im Neolithikum, der Bronzezeit oder im frühen und hohen Mittelalter stattfand, ermöglichte erstmalig Bodenerosion in Mitteleuropa. In den auf die Rodungen folgenden Phasen, insbesondere der ackerbaulichen Nutzung, konnten in Zeiten mit sehr geringer oder fehlender Bodenbedeckung durch Pflanzen Bodenbestandteile verlagert werden. Seit dem frühen Mittelalter wurden in Deutschland ackerbaulich genutzte Hänge durchschnittlich um 50 cm tiefer gelegt. Da die einzelnen Standorte in Abhängigkeit vom Niederschlag, Relief, den Substrat- und Bodeneigenschaften sowie der Nutzung sehr verschieden stark von Bodenerosion betroffen waren und sind, variiert das Ausmaß der Tieferlegung am Ober- und Mittelhang und der Ablagerung am konkaven Unterhang und in den Talauen von wenigen cm bis zu vielen m. Die Heterogenität der Bodendecke hat in den vergangenen Jahrhunderten so erheblich zugenommen, zu Ertragseinbußen geführt und die Nutzung erschwert.
In den immerfeuchten und wechselfeuchten Tropen und Subtropen ist die Niederschlagsintensität oft weitaus höher als in Mitteleuropa, die dortigen Standorte sind daher weitaus stärker von Bodenerosion betroffen ( Abb. ). An vielen Standorten wurden die Böden in wenigen Jahrzehnten vollständig flächenhaft abgetragen, wenig fruchtbare Substrate gelangten an die Oberfläche, die agrarische Nutzung mußte eingestellt werden. Sofortige Extremschäden kann linienhafte Bodenerosion verursachen. Während weniger Starkniederschläge zerschluchtete Äcker müssen definitiv aus der agrarischen Nutzung genommen werden. Schäden bewirkt Bodenerosion nicht nur dort, wo Bodenbestandteile abgetragen werden. Nährstoff- und manchmal schadstoffhaltige Bodenbestandteile werden teilweise bis in Talauen und Vorfluter transportiert. Sie verändern dort den Bodenzustand und die Gewässerqualität negativ. Maßnahmen des Bodenschutzes haben zum Ziel, Bodenerosion durch Wasser, Wind und Schneeschmelze stark zu verringern oder vollständig zu vermeiden. Die wirksamste Bodenschutzmaßnahme ist eine ganzjährig vollständige Bedeckung der Bodenoberfläche mit Vegetation. [HRB]
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.