Lexikon der Geowissenschaften: Conodonten
Conodonten [griech. für "Kegelzahn"], eine der wichtigsten Gruppen von Mikrofossilien. Sie erreichten seit ihrer Erstbeschreibung durch Pander im Jahre 1856 erhebliche Bedeutung für die Biostratigraphie im Paläo- und Mesozoikum. Die zahnähnlichen, kegel-, kamm- und schuppenförmigen Gebilde bestehen im wesentlichen aus Calciumphosphat (Apatit). Ihre Verbreitungszeit reicht vom Kambrium bis in die Trias. Die Conodonten wurden bereits von ihrem Entdecker als reliktische Hartteile eines fischähnlichen Wirbeltieres angesprochen. Da jedoch ein Nachweis des Tieres bis in jüngere Zeit nicht gelang, etablierte sich der Terminus Conodonten für die häufig erhaltenen Einzelelemente. Entsprechend entwickelte sich in systematischer Hinsicht eine ausgeprägte Elemente-(Para-)Taxonomie. Diese wurde auch weitgehend beibehalten, als im Laufe der Zeit mehr und mehr Funde von Conodontengruppen auf Gesteins-Schichtflächen die Existenz eines aus verschiedenen Elementen zusammengesetzten Apparates vermuten ließen. Erst mit der Entdeckung des Conodonten-Tieres im Jahre 1983 erfuhren funktionsmorphologische Fragestellungen und damit auch die Apparate-Taxonomie einen deutlichen Aufschwung. Der Schwerpunkt der Conodonten-Forschung verschiebt sich seither zusehends von der Stratigraphie zu Fragestellungen der teilweise noch ungeklärten Conodonten-Biologie. Der Fund des ersten Conodontentieres aus dem Unterkarbon von Schottland zeigt ein bilateral-symmetrisches, segmentiertes und mit strahligen Flossen versehenes Tier mit deutlicher Affinität zu frühen, primitiven Wirbeltieren (Euchordata). Der Conodonten-Apparat befindet sich nahe der vorderen Körperöffnung und ist damit unschwer als Organ zur Nahrungsaufnahme zu erkennen. Auch weitere Funde von Conodontentieren lassen allerdings Funktion und Ausbildung der übrigen Organe weitgehend offen. Die derzeitige systematische Einordnung des Conodontentieres als Vorläufer der fossilen, gepanzerten Agnathen und der Neunaugen ist daher nicht als endgültig zu betrachten. Im Gegensatz zu den nach wie vor spärlichen Daten zur Systematik des Conodonten-Tieres sind Bau und Funktion der Conodonten-Elemente sehr gut untersucht. Die zeitliche Entwicklung der Conodonten zeigt, daß schon im Laufe des Kambriums neben primitiven, kegelförmigen Protoconodonten auch die später dominanten Euconodonten auftreten, die sich durch eine allseitige Mineralisierung des Apatits an der Außenseite des Conodonten auszeichnen. Resultat ist ein im Querschnitt lamellenartiger Aufbau der Elemente, der die einzelnen Anwachsphasen gut nachvollziehbar macht. Bei komplexeren Euconodonten läßt sich neben der eigentlichen "Krone" ein weniger dicht mineralisierter Basalkörper unterscheiden, der deutlich mehr organische Substanz enthält. In morphologischer Hinsicht sind vier Grundtypen von Conodonten-Elementen zu unterscheiden, die im Rahmen der Apparate-Taxonomie zahlreiche Abwandlungen erfahren: coniforme Typen in Gestalt einfacher Kegel, ramiforme (astförmige) Typen, kammförmige Typen und die stratigraphisch wichtigen Plattform-Typen. Die derzeitigen Rekonstruktionen zum Zusammenwirken der einzelnen Elemente innerhalb des Conodonten-Apparates lassen noch viele Fragen offen. Für viele Apparate sind Anzahl und Zahlenverhältnis der einzelnen Elemente noch unbekannt. Übereinstimmend geht man davon aus, daß eine je nach Apparat variierende Zahl von ramiformen Elementen eine korbförmige, nahe der Mundöffnung gelegene Struktur bildet. Die Funktion entspricht vermutlich einem Sieb, das grobes Material ausfiltert und nur verdauliche Partikel in den Schlund läßt. Diese werden von den Plattform-Elementen weiter zerrieben und zerkleinert. Dem widerspricht jedoch das allseitige Anwachsen von Apatit an allen Elementen, was eine zumindest temporäre komplette Ummantelung mit lebendem Gewebe voraussetzt. Diskutiert wird daher ein Mechanismus zum Ausklappen der Zahnapparate, analog etwa den ausfahrbaren Giftzähnen von Schlangen, die nach Gebrauch wieder im Gewebe versinken. Bestimmend für die große Bedeutung, die den Conodonten als Mikrofossilgruppe zukommt, ist ihr herausragender Leitwert für die Biostratigraphie in weiten Teilen des Paläozoikums und Mesozoikums. Maßgeblich sind hierfür überwiegend die Plattformtypen, wogegen sich Ast- und Kammtypen i.d.R. als phylogenetisch zu langlebig erweisen. Die Diversität der Conodonten nimmt vom Kambrium bis ins Oberdevon tendenziell zu. Erst im höheren Unterkarbon kommt es zu einem dauerhaften dramatischen Einbruch. Im Laufe der Trias wird erneut ein Maximum erreicht. Die Conodonten erfüllen weitgehend die Ansprüche an klassische Leitfossilien. Durch Säureaufschluß i.d.R. leicht gewinnbar, liefern meist auch kleinere Probenmengen repräsentative Faunen. Die Evolutionsrate der einzelnen Arten ist vielfach enorm. Exemplarisch zeigt dies die unerreicht feine Zonierung des Oberdevons in insgesamt 33 Conodonten-Zonen. Die Phylogenie der maßgeblichen Gattungen ist dabei sehr detailliert geklärt, so daß keine Lücken in der Entwicklung zu erwarten sind. Eine Faziesabhängigkeit ist bei den Conodonten nur im Ordovizium sehr ausgeprägt. Hier lassen sich mehrere Faunenprovinzen unterscheiden, deren Korrelation einige Probleme aufwirft. Generell mindert die Faziesabhängigkeit zahlreicher Conodonten-Gattungen den biostratigraphischen Wert nur in küstennahen Faziesbereichen. Dagegen bietet die Unterscheidung von Flachwasser- und Tiefwasserformen zahlreiche Ansätze zur biofaziellen und paläoökologischen Gliederung von Sedimentationsräumen. Eine weitere Anwendung der Conodonten über die reine Biostratigraphie hinaus eröffnet sich über den Conodont-Alterations-Index (CAI), einer Methode zur Abschätzung von Aufheizungstemperaturen von Sedimenten. Grundlage ist die Veränderung der Conodontenfarbe mit steigender Temperatur des einbettenden Gesteines. Die ursprünglich cremefarbenen Elemente verfärben sich über braun nach schwarz (ca. 300ºC), um bei noch höheren Temperaturen zunächst grau auszubleichen. Bei Temperaturen über etwa 700ºC ist der Conodont rein weiß und vielfach durchsichtig. Eingefügt in eine numerische Skala (CAI 1 bis 7), die als Vergleichsmaßstab für Aufheizung verwendet werden kann, ermöglicht dieses Phänomen die Abschätzung von Versenkungstiefen und Aussagen über die Intensität von Metamorphoseprozessen. [HT]
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