Lexikon der Mathematik: Schätzer
bei einer Vielzahl von Anwendungen der Mathematik, etwa in den Natur- oder Sozialwissenschaften verwendete Größen, um ein mathematisches Modell mit Hilfe empirischer Daten (Messungen) zu kalibrieren. In aller Regel sind die zugrundeliegenden Daten entweder durch Zufallseinflüsse verzerrt (stochastische Meßfehler) oder unmittelbar stochastischer Natur.
Im letztgenannten Fall geht es darum, die Parameter der Verteilung für die zugrundeliegenden Zufallsgröße R aus einem Satz {rj}J+1..N von Daten möglichst gut zu bestimmen. Für die Schätzung von Parametern geht man davon aus, daß die betreffenden Ereignisse durch unabhängig identisch verteilte Zufallsgrößen zu beschrieben sind, insbesondere sind Skaleneffekte bereits eliminiert. In der Praxis werden 2-parametrische Verteilungen genutzt, deren Dichte (respektive Zähldichte) f(α, β)(x) durch einen Formparameter α und einen Skalenparameter β eindeutig festgelegt ist.
Zur Bestimmung von Momentenschätzern berechnet man den empirischen Erwartungswert
Durch Vergleich dieser Werte mit den Momenten der theoretischen Verteilung μ(α, β) = E[X] und ϱ(α, β) = E[X2] ergibt sich ein Gleichungssystem, dessen Lösung die Schätzer \((\hat{\alpha },\hat{\beta })\) für die Verteilungsparameter liefert. Bei diesem Zugang passen Erwartungswert und Varianz der geschätzten Verteilung exakt auf die vorgegebenen Daten; die Methode erlaubt es aber nicht, unmittelbar auch die Güte der Approximation zu kontrollieren.
Letzteres ist bei Verwendung von Likelihood-Schätzern möglich. Dabei liegt die Idee zugrunde, daß für die korrekten Parameter (α, β) die Größe ’f(α, β)(rj) die Wahrscheinlichkeit angibt, mit der sich die Zufallsvariable R in einem Ereignis rj realisiert. Die Likelihood-Funktion
Bei diesem Zugang passen empirischer Erwartungswert und empirische Varianz nur asymptotisch auf die Verteilung, dafür ist die Likelihood ein Maß für die Güte der Approximation. Für χ2-Schätzer wird anstelle der Likelihood-Funktion die Statistik für einen χ2-Test optimiert.
Sofern nicht die Parameter einer statistischen Verteilung zu schätzen, sondern (stochastisch gestörte) Daten durch M erklärende Faktoren X = (x1,…,xM) zu beschreiben sind, ist die Methode der kleinsten Quadrate das gebräuchlichste Schätzverfahren. Diese findet in den experimentellen Naturwissenschaften vielfältige Anwendung.
Ähnliche Methoden werden in der Zeitreihenanalyse verwendet, um Schätzer für Parameter dynamischer stochastischer Prozesse zu bestimmen.
[1]Mack, T.: Schadenversicherungsmathematik. Verlag Versicherungswirtschaft Karlsruhe, 1997.
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