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Lexikon der Mathematik: Vektorraumbündel

Vektorbündel, ein gefaserter topologischer Raum π : VB, derart, daß jede Faser Vb = π−1(b); bB; ein endhchdimensionaler reeller oder komplexer Vektorraum N, und die Faserung lokal-trivial ist.

Dies bedeutet: V und B sind topologische Räume und π ist eine stetige surjektive Abbildung. V heißt TotaIraum und B Basis des Vektorraumbündels. Jeder Punkt bB der Basis besitzt eine offene Umgebung UB, und es gibt einen Vektorraum N, derart, daß π−1(U) ⊆ V linear isomorph als Faserbündel zu U × N ist. Der lokale lineare Isomorphismus kann gegeben werden durch ϕU : π−1 (U) → U × N, so daß p1ϕU = π gilt (p1U × WU sei die Projektion auf die erste Komponente des Produkts)

Abbildung 1 zum Lexikonartikel Vektorraumbündel
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Linearität bedeutet die Forderung, daß \begin{eqnarray}{\phi}_{U|{\pi}^{-1}{(b)}^{\to}\{b\}\times N}\end{eqnarray} ein linearer Isomorphismus ist. Die Wahl einer solchen Menge U und der Abbildung ϕU nennt man eine lokale Trivialisierung des Bündels V bei b.

Meist wird die Basis als zusammenhängend angenommen. In diesem Fall folgt automatisch, daß die Dimension des Vektorraums Vb unabhängig vom Basispunkt b ist. Diese Dimension heißt Rang oder Dimension des Vektorraumbündels. Vektorraumbündel vom Rang 1 heißen Geradenbündel (manchmal auch Linienbündel genannt).

Seien πV : VB und πW : WB Vektorraumbündel über derselben Basis B. Eine stetige Abbildung ϕ : VW heißt Vektorraumbündelmorphismus (oder einfach Vektorbündelmorphismus), falls

  1. das folgende Diagramm kommutiert:

    Abbildung 2 zum Lexikonartikel Vektorraumbündel
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    d. h., es gilt πWφ = πV, bzw. die Faser Vb, wird nach der Faser Wb, abgebildet, und
  2. die Faserabbildung φ|Vb : VbWb, linear ist.
Ist die Faserabbildung injektiv, surjektiv, oder bijektiv, so heißt der Vektorraumbündelmorphismus injektiv, surjektiv, bzw. ein Isomorphismus. Die oben eingeführten Abbildungen ΦU sind Vektorraumbündelisomorphismen von π−1(U) nach U×N über U. Ein Vektorraumbündel VB heißt trivial, falls VB × N als Vektorraumbündel über B mit einem geeignet gewählten Vektorraum N.

Sei π : VB ein Vektorraumbündel. Eine Teilmenge V′ ⊆ V heißt Unterbündel, falls π′ = π|V′ : V′ → B ein Vektorraumbündel ist, und jede Faser π−1(b) ∩ V′ ein Untervektorraum von Vb, ist. Ist ein solches Unterbündel gegeben, dann trägt der topologische Raum, den man durch faserweise Quotientenbildung erhält, eine kanonische Vektorraumbündelstruktur V/V′ → B. Dieses Bündel heißt Quotientenbündel.

Alle universellen Konstruktionen für Vektorräume, wie etwa Summe, Tensorprodukt, symmetrisches Produkt, Dualraum, äußeres Produkt, Homomorphismen zwischen zwei Vektorräumen, etc., haben ihre Entsprechung bei den Vektorraumbündeln durch „faserweise Definition“. Die Konstruktion erfolgt mit den lokalen Trivialisierungen. Dies sei für den Fall der Summe VW näher erläutert. Sei U eine genügend klein gewählte offene Menge, über der die Bündel V und W gemeinsam trivialisieren. Ist etwa das Bündel V lokal isomorph zu U × N und W lokal isomorph zu U × M, dann ist die Vektorraumbündelsumme VW das Bündel, das lokal isomorph zu U × (NM) ist. Diese Summe heißt manchmal auch Whitney-Summe.

Sind f : B′ → B eine stetige Abbildung und π : VB eine Vektorraumbündel über B, so ist dadurch kanonisch das Pullbackbündel f*VB′ gegeben. Es wird lokal wie folgt erhalten. Ist V lokal isomorph über UB zum trivialen Bündel U × N, so ist f*V lokal isomorph zum Bündel f−1(U) × N über f−1(U) ⊆ B. Anschaulich: über dem Punkt b′ ∈ B′ wird der Vektorraum \({V}_{f(b^{\prime})}\) „angeheftet“.

Ein Vektorraumbündel V vom Rang n kann durch einen stetigen 2-Kozykel mit Werten in der Gruppe GL(n, ℝ) bzw. GL(n, ℂ) gegeben werden. Sei \({\{{U}_{i}\}}_{i\in J}\) eine offene Überdeckung von B, derart daß V über jedem Ui trivial wird, und seien \begin{eqnarray}{\psi}_{i}:{\pi}^{-1}({U}_{i})\to {U}_{i}\times N\end{eqnarray} fest gewählte Trivialisierungsabbildungen. Ist \({U}_{i}\mathop{\cap}\limits^{}{U}_{J}\ne \varnothing \), so existieren durch Einschränkung auf die Schnittmenge zwei Trivialisierungsabbildungen ψj und ψi.

Die Abbildung \begin{eqnarray}{\psi}_{i}\,\circ\,{\psi}_{j}{}^{-1}:({U}_{i}\cap {U}_{j})\times N\to ({U}_{i}\cap {U}_{j})\times N\end{eqnarray}

Abbildung 3 zum Lexikonartikel Vektorraumbündel
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läßt das erste Argument unverändert, ist faserweise linear im zweiten Argument, und kann deshalb geschrieben werden als \begin{eqnarray}{\psi}_{i}\,\circ\,{\psi}_{j}{}^{-1}(x,v)=(x,{\psi}_{ij}(x)v)\end{eqnarray} mit einer (n × n)-Matrix ψij(x), deren Einträge stetige Funktionen auf UiUj sind. Da \({\psi}_{ij}={\psi}_{ji}^{-1}\) ist, sind die Matrizen invertierbar, und es gilt \begin{eqnarray}\begin{array}{*{35}{l}}{{\psi}_{ij}}:\,{{U}_{i}}\cap {{U}_{j}}\to \text{GL}\left(n,\mathbb{R} \right),\, & \text{bzw}\text{.} \\{{\psi}_{ij}}:\,{{U}_{i}}\cap {{U}_{j}}\to \text{GL}\left(n,\mathbb{C} \right), & {} \\ \end{array}\end{eqnarray} je nachdem, ob reelle oder komplexe Vektorraumbündel betrachtet werden. Das System der (ψij)(ij)∈J×J erfüllt die 2-Kozykelbedingungen
  1. ψii = In,
  2. ψijψji = In auf UiUj ≠ ø,
  3. ψijψjk = ψik auf UiUjUk ≠ ø. (In ist die n-dimensionale Einheitsmatrix).

Zwei 2-Kozykel (ψij) und \(({\psi}^{\prime}_{ij})\) heißen kohomolog, falls es stetige Funktionen \begin{eqnarray}\begin{array}{*{35}{l}}{{\varphi}_{i}}:{{U}_{i}}\to \,\,\text{GL}\left(n,\mathbb{R} \right), & \text{bzw}\text{.} \\{{\varphi}_{i}}:{{U}_{i}}\to \,\,\text{GL}\left(n,\mathbb{C} \right), & {} \\ \end{array}\end{eqnarray} für alle iJ gibt mit \begin{eqnarray}\psi _{ij}^{\prime}={{\varphi}_{i}}{{\psi}_{ij}}{{\varphi}_{j}}^{-1}\,\,\text{auf}\,\,{{\text{U}}_{i}}\cap {{\text{U}}_{j}}.\end{eqnarray} Bei Wahl einer anderen Trivialisierungsabbildung ψi wird ein kohomologer Kozykel erhalten.

Umgekehrt wird durch die Vorgabe einer Überdeckung {Ui}i∈j von B und eines zugeordneten 2-Kozykels (ψij) von stetigen Funktionen durch Zusammenkleben der Ui × ℝn (bzw. Ui × ℂn) entlang der UiUj mit Identifikation der Fasern über xUiUj mit Hilfe der Matrizen ψij(x) ein Vektorraumbündel definiert.

Ist ein Vektorraumbündel π : VB vom Rang n gegeben, dann ist für jede offene Teilmenge UB die Menge der Schnitte \({\mathcal{V}}(U)\) über U definiert als \begin{eqnarray}\mathcal{V} \left(U \right):=\left\{s:U\to V\left|\, s\,\text{ist}\,\text{stetig}\,\text{,} \right.\,\,\pi \circ s=\text{i}{{\text{d}}_{U}} \right\}.\end{eqnarray} Dies bedeutet insbesondere, daß der Schnitt den Basispunkt in seine Faser abbildet: s(b) ∈ Vb. Durch faserweise Addition und Multiplikation mit Skalaren wird \({\mathcal{V}}(U)\) ein Vektorraum, der meist unendlichdimensional ist. Durch Multiplikation mit den Elementen des Rings der stetigen Funktionen C(U) auf U mit Werten im Körper, der dem Vektorraum zugrunde liegt, wird \({\mathcal{V}}(U)\) sogar zu einem Modul über C(U). Ist U eine Menge, über der das Bündel trivial ist, dann ist \({\mathcal{V}}(U)\) ein freier Modul vom Rang n über C(U).

Der Raum \({\mathcal{V}}(B)\) heißt Raum (oder Modul) der globalen Schnitte des Vektorraumbündels V. Das System der \(U\to {\mathcal{V}}(U)\) definiert eine Garbe von Vektorräumen bzw. eine Garbe von Moduln über der Garbe der stetigen Funktionen auf B. Als Garbe von Moduln ist sie lokalfrei vom Rang n (die Basis B sei als zusammenhängend vorausgesetzt).

Garben sind allgemeinere Objekte, die allerdings innerhalb der Theorie der Vektorraumbündel ebenfalls benötigt werden. Ist etwa φ : VW ein Vektorraumbündelmorphismus, so ist die Teilmenge \begin{eqnarray}\text{Kern}\,\varphi \,\text{:=}\bigcup\limits_{b\in B}{\text{Kern}\,{{\varphi}_{\left| {{V}_{b}} \right.}}}\end{eqnarray} im allgemeinen kein Unterbündel von V. Die Dimension des faserweisen Kerns Kern ψ|Vb kann springen. Lediglich wenn dessen Dimension konstant entlang der Basis ist, ist Kern ψ ein Unterbündel. In diesem Fall besitzt das faserweise Bild auch konstante Dimension, und \begin{eqnarray}\text{Bild}\,\varphi \,\text{:=}\bigcup\limits_{b\in B}{\text{Bild}\,{{\varphi}_{\left| {{V}_{b}} \right.}}}\end{eqnarray} ist ein Unterbündel von W. Es gilt der Isomorphiesatz \begin{eqnarray}V/\text{Kern}\,\varphi \cong \text{Bild}\,\varphi \text{.}\end{eqnarray} Ohne die Konstanz der Dimension sind Kern φ, Bild ψ und der Quotient nur im Sinne der (nicht notwendig lokalfreien) Garben definiert. Hierbei identifiziert man die Vektorraumbündel mit ihren lokalfreien Garben von Schnitten.

Alles, was hier für topologische Vektorraumbündel durchgeführt wurde, kann in völlig analoger Weise für differenzierbare Vektorraumbündel über differenzierbaren Mannigfaltigkeiten, für holomorphe Vektorraumbündel über komplexen Mannigfaltigkeiten, und für algebraische Vektorraumbündel über algebraischen Varietäten gemacht werden. Die beteiligten Abbildungen sind in der jeweiligen Kategorie zu wählen. Ein wichtiges differenzierbares Vektorraumbündel wird für jede differenzierbare Mannigfaltigkeit durch das Tangentialbündel gegeben.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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