Lexikon der Optik: Raman-Spektroskopie
Raman-Spektroskopie, eine auf der Raman-Streuung beruhende spektroskopische Methode, mit der Moleküle in allen Aggregatzuständen untersucht werden können. Sie dient zur Aufklärung der Struktur von Molekülen und Festkörpern, sowie zum qualitativen und quantitativen Substanznachweis. Abb. 1 zeigt den prinzipiellen Aufbau eines Raman-Spektrometers. Das zur Anregung des Raman-Spektrums eingesetzte Laserlicht wird mit einer Linse auf die Probe fokussiert. Die aus der Probe austretende Strahlung wird senkrecht zur Laserstrahlrichtung, bei festen und undurchsichtigen Proben auch in Rückwärtsrichtung, auf den Spalt eines Mehrfachmonochromators abgebildet, um die Raman-Strahlung von der Streustrahlung zu trennen. Mit Hilfe eines Photomultipliers oder einer CCD-Kamera wird die Raman-Strahlung nachgewiesen und mittels eines Computers ausgewertet. Ihr Spektrum besteht aus "Linien", die einzelnen Schwingungs- oder Rotationsbewegungen der Moleküle zugeordnet werden können. Aus ihrer Intensität kann die Konzentration der Molekülart in der Probe, aus ihrer spektralen Breite und Form ihre Wechselwirkung mit anderen oder gleichen Molekülen in der Probe bestimmt werden.
Während die spontane Raman-Streuung ein vielfältiges Spektrum liefert, sind bei der stimulierten Raman-Streuung nur wenige, besonders starke Linien zu beobachten.
Wegen der bei der R. im Vergleich zur IR-Spektroskopie veränderten molekularen Auswahlregeln ergänzen sich die beiden Spektroskopien sowohl bezüglich des Substanznachweises als auch in bezug auf den Erhalt von Strukturinformationen. Bei fluoreszierenden Substanzen werden die Raman-Spektren häufig durch die stärkere Fluoreszenz überdeckt, was zu Komplikationen bei ihrem Nachweis führt.
Gelangt die Frequenz der anregenden Laserstrahlung in die Nähe der Frequenz eines elektronischen Überganges in der Probe, tritt eine drastische Erhöhung des Streuquerschnittes für die Raman-Streuung auf (Resonanz-Raman-Effekt). Die Nachweisempfindlichkeit kann sich dann um 2 bis 4 Größenordnungen verbessern. Dadurch werden störende Matrixeffekte wesentlich vermindert, und das Raman-Spektrum von großen Molekülen vereinfacht sich zum Teil erheblich. Wegen der gleichzeitig auftretenden Absorption kommt es jedoch nicht zu einer "hellen Lichterscheinung".
Eine weitere starke Intensitätserhöhung der Streustrahlung kann unter bestimmten Bedingungen bei der Adsorption von Molekülen an Metallen auftreten. Man spricht dann von oberflächenverstärkter Raman-Streuung (engl. Surface-Enhanced Raman Scattering, abgekürzt SERS).
Parallel zur Entwicklung der R. hat sich noch eine andere spektroskopische Methode, die kohärente Raman-Spektroskopie, etabliert. Sie basiert auf den Effekten der kohärenten Raman-Streuung. Die am häufigsten verwendete Methode ist die kohärente Anti-Stokes-Raman-Streuung, (CARS), bei der die Signalfrequenz größer ist als die der anregenden beiden Laserwellen. In Abb. 2 ist ein entsprechender Aufbau schematisch dargestellt. Wenn die Differenz der beiden Laserfrequenzen mit einer molekularen Übergangsfrequenz übereinstimmt, wird ein Anti-Stokes-Signal in einer definierten Richtung ausgesandt (Raman-Streuung). Dieses wird mittels eines Monochromators spektral gefiltert und photoelektrisch nachgewiesen. Ein Computer dient zur Auswertung der Spektren und zur Steuerung der Frequenz der beiden Laserstrahlungen. Man erhält so die gleichen Informationen wie in der normalen R.
Vorteile ergeben sich aus der Fluoreszenzunempfindlichkeit der Messung, Nachteile aus einem nicht-Raman-resonanten Untergrund, der die Nachweisempfindlichkeit reduziert. Die Methoden der kohärenten R. werden hauptsächlich zur Untersuchung von dynamischen Vorgängen in molekularen Lösungen und festen Körpern eingesetzt.
Die CARS-Technik kann jedoch auch zu einer zeitaufgelösten Spektroskopie genutzt werden. In diesem Falle wird mit zwei zeitversetzten Laserimpulsen unterschiedlicher Frequenz gearbeitet. Der erste erzeugt über stimulierte Raman-Streuung einen Stokes-Impuls, und beide zusammen bewirken eine kohärente Materialanregung. Mit ihr wechselwirkt der zweite Impuls, dessen Frequenz und Ausbreitungsrichtung beliebig gewählt werden kann, und erzeugt so einen Anti-Stokes-Impuls. Dessen Intensität, als Funktion der Zeitversetzung zwischen den beiden Impulsen gemessen, spiegelt das Abklingen der Materialanregung wider. Es kann so auf die durch die Wechselwirkungen zwischen den Molekülen hervorgerufene Verminderung der Synchronisation der Kernbewegungen zwischen den verschiedenen Molekülen (Dephasierung) geschlossen werden. Bei Einsatz von Femtosekundenlasern werden entsprechend Wechselwirkungsmechanismen im elementaren molekularen Zeitbereich erfaßt.
Ein weiteres Verfahren der R. besteht darin, bei gleichzeitiger Einstrahlung einer starken Pumpwelle der Frequenz νP und einer schwachen Probewelle (Stokes-Welle) der Frequenz νS< νP das Vorliegen einer Resonanz mit dem Medium (νP – νS = νM, wobei νM eine Übergangsfrequenz des Mediums bezeichnet) entweder aus der dann stattfindenden Abschwächung der Pumpwelle (Raman-Verlust-Spektroskopie) oder der Verstärkung der Probewelle (Raman-Verstärkungs-Spektroskopie) zu erschließen. Hauptanwendungsgebiet ist die höchstauflösende Spektroskopie von Molekülen in der Gasphase.
Schließlich kann auch der Raman-induzierte Kerr-Effekt (RIKE, Raman-Effekt) für die Zwecke der Spektroskopie genutzt werden. Die dabei induzierte Doppelbrechung wird mit einer Probewelle nachgewiesen. Ist diese anfänglich linear polarisiert, so verwandelt sie sich in eine elliptisch polarisierte Welle. Eingesetzt wird das Verfahren insbesondere zur Aufklärung der Dynamik von Kernrotationen.
Die Hauptanwendungsgebiete der R. sind 1) die Strukturaufklärung von Makromolekülen in der Biologie und von Festkörpern im Bereich der Halbleitertechnik, 2) Temperaturbestimmung in Plasmen und Entladungen für die Motoren- und Raketenforschung, 3) Untersuchung von Zwischenzuständen und Relaxationsprozessen in chemischen Reaktionen.
Raman-Spektroskopie 1: Aufbau eines Raman-Spektrometers.
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