Metzler Lexikon Philosophie: Außenweltproblem
Obwohl das A. bereits von den antiken Skeptikern diskutiert wurde, verdankt es seine Schärfe der cartesischen Unterscheidung zwischen denkenden und ausgedehnten Dingen. Descartes’ Behauptung, das Ich sei nur ein denkendes Ding (Res cogitans), trennt das vorstellende Subjekt und seine »Innenwelt« von der raum-zeitlichen, materiellen »Außenwelt« und interpretiert diese ontologische Differenz erkenntnistheoretisch als eine Differenz der Gewissheit. Während das Ich zu seiner Innenwelt unmittelbaren Zugang habe, sei ihm die Außenwelt als Gegenstand seiner Vorstellungen lediglich mittelbar und d.h. im Modus der Ungewissheit zugänglich. – Ungewissheit besteht laut Descartes nicht nur hinsichtlich der Frage, ob meine Vorstellungen ausgedehnter Dinge diese Dinge adäquat wiedergeben, sondern bereits hinsichtlich der Frage, ob sie überhaupt eine Außenwelt, d.h. unabhängig von mir als denkendem Ich existierende Dinge repräsentieren. Diese zweite Frage bildet das A. im eigentlichen Sinne. – Solange am cartesischen Dogma einer unmittelbar zugänglichen Innenwelt und einer bloß mittelbar zugänglichen Außenwelt festgehalten wird, ist das A. offensichtlich nicht plausibel lösbar. Sich aufgrund dessen dem Außenweltskeptizismus zu ergeben, bedeutete jedoch, wie G. E. Moore betont hat, eine unserer stärksten Intuitionen zu ignorieren. Dieser Intuition, unserer unerschütterlichen Überzeugung von der Existenz einer äußeren Welt, gerecht zu werden, heißt, das cartesische Dogma in Frage zu stellen. I. Kant (Widerlegung des Idealismus) hat zu zeigen versucht, dass unser Zugang zur Innenwelt (»innere Erfahrung«) unserem Zugang zur Außenwelt (»äußere Erfahrung«) nicht, wie Descartes meint, vor-, sondern nachgeordnet ist. Die innere Wahrnehmung bedürfe nämlich, um bestimmt werden zu können, eines unabhängigen Bezugspunktes. M. Heidegger (Sein und Zeit) gelangt in seiner Analyse des Daseins zu einem vergleichbaren Ergebnis: primärer Modus des Daseins sei nicht die reflektierte Vorstellung von Dingen, sondern der unmittelbar praktische Umgang mit ihnen (»In-der-Welt-sein«). Für L. Wittgenstein (Über Gewißheit) ist das A. ein Scheinproblem, weil der Wirklichkeitsbezug von Sprache seines Erachtens durch ihre Verwendung hergestellt wird, weshalb es unsinnig sei, die Bedeutung von Vorstellungen ohne Bezug auf ihren jeweiligen pragmatischen Kontext zu bezweifeln.
Literatur:
- R. Descartes: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie (1641). Übers. v. A. Buchenau. Hamburg 2003
- M. Heidegger: Sein und Zeit. Tübingen 171993
- I. Kant: Kritik der reinen Vernunft (1781/87). Hg. v. J. Timmermann u. H. Klemme. Hamburg 1998
- G. E. Moore: Proof of the External World. In: Ders.: Philosophical Papers. London 1959. S. 127–150
- B. Russell: Our Knowledge of the External World. London 1914
- B. Stroud: The Significance of Philosophical Scepticism. Oxford 1984
- L. Wittgenstein: Über Gewißheit. Frankfurt 1984.
AE
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