Metzler Lexikon Philosophie: Belief revision
(auch: theory change), aus Theorien des nicht-monotonen Schließens, der Konditionallogik und der Entscheidungstheorie entwickelter Zweig der Erkenntnistheorie, der eine formale Darstellung rational geleiteter Veränderungen von Überzeugungs- oder Wissenszuständen versucht. Ohne Anspruch auf deskriptive Adäquatheit werden dabei vor allem drei Arten der Überzeugungsveränderung angenommen: Expansion, bei der ein epistemischer Zustand i um eine mit diesem Zustand konsistente Proposition A erweitert wird; Kontraktion, bei der ein epistemischer Zustand i um eine Proposition verringert wird; und Revision, bei der ein Überzeugungszustand so verändert wird, dass er eine vorher mit diesem Zustand nicht konsistente Proposition A enthält, ohne dabei inkonsistent zu werden. Dabei werden epistemische Zustände idealisierend durch Mengen von Propositionen bzw. Aussagen modelliert, für die, im Sinne einer minimalen Rationalitätsforderung, Konsistenz und deduktive Abgeschlossenheit angenommen werden. Die zentrale Beobachtung der b.r. ist dabei, dass zwar eine funktional eindeutige Charakterisierung der Expansion für einen Überzeugungszustand i und eine Proposition A möglich ist, indem über einen kompakten und monotonen Folgerungsoperator Cn der deduktive Abschluss Cn(i ∪{A}) von i erweitert um A gebildet wird, jedoch keine eindeutige Charakterisierung der Kontraktion bzw. Revision von Überzeugungszuständen möglich ist, wenn diese über eine Reihe von anschaulich naheliegenden Bedingungen beschrieben werden. Die Charakterisierung von Kontraktionen und Revisionen durch sogenannte partial meet contraction bzw. partial meet revision Funktionen verlässt eine rein logische Darstellungsform, indem sie sich auf eine entscheidungstheoretisch beschriebene Auswahl aus logisch vertretbaren Überzeugungszuständen stützt, die durch eine epistemische Präferenzrelation geordnet sind. – Trotz ihrer stark formalen Ausgestaltung stellt die b.r. einen interessanten Baustein in einer umfassenden pragmatistischen Erkenntnistheorie dar, die traditionell stärker an dynamischen, im Gegensatz zu statischen Aspekten der Erkenntnis orientiert ist, und die Erkenntnistheorie zu einer »kognitiven Entscheidungstheorie« umdeutet. Augenfällig wird dies z.B., wenn die Frage nach der Wahrheit von Theorien bzw. Überzeugungszuständen in der b.r. ausgeklammert bleibt. Kritisch eingewendet wird gegen die b.r. in diesem Zusammenhang allerdings, dass sie zwar beschreibt, wie rationale Überzeugungsveränderungen gestaltet werden müssen, es jedoch völlig ungeklärt bleibt, unter welchen Bedingungen derartige Veränderungen überhaupt vollzogen werden sollen, und sie insofern nicht den Anspruch erheben kann, eine umfassende »kognitive« Entscheidungstheorie darzustellen.
Literatur:
- C. E. Alchourrón/P. Gärdenfors/D. Makinson: On the logic of theory change: Partial meet functions for contraction and revision. In: Journal of Symbolic Logic 50 (1985). S. 510–530
- A. Fuhrmann: An Essay on Contraction. Stanford 1997
- P. Gärdenfors: Knowledge in Flux. Cambridge (Mass.) 1988
- Ders. (Hg.): Belief Revision. Cambridge 1992
- I. Levi: The Fixation of Belief and its Undoing. Cambridge 1991 – Ders.: Mild Contraction. Oxford 2004
- H. Rott: Chance, Choice and Inference. Oxford 2001.
UM
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