Metzler Lexikon Philosophie: Imperativ
In der praktischen Philosophie wird damit eine Aufforderung an einen Adressaten, eine bestimmte Handlung auszuführen oder bestimmte Handlungsziele zu setzen, bezeichnet. Der I. wird hinsichtlich seines Aufforderungscharakters unterschieden in bedingt und unbedingt: Ein unbedingter I. soll in allen möglichen realen Situationen gelten, der bedingte kann an bestimmte Situationstypen gebunden sein. In der Kantischen Moralphilosophie ist die Unterscheidung kategorisch – hypothetisch bedeutsam. Ein hypothetischer I. wird in einer Wenn-dann-Aussage formuliert: Wenn du ein Ziel x erreichen willst, musst du das dafür geeignete Mittel y wollen. Die geforderte Handlung ist nur unter der Bedingung einer Handlungsabsicht notwendig. Kant führt in Bezug auf den hypothetischen I. noch eine weitere Unterscheidung, zwischen problematisch und assertorisch, an: Wird die im Wenn-Teilsatz ausgedrückte Absicht nur in Erwägung gezogen (z.B. wenn du gesund leben willst, dann ...) ohne den expliziten Vorsatz der unmittelbaren Realisierung, dann handelt es sich um einen problematischen hypothetischen I.; wird dagegen die Handlungsweise zu einem wirklichen Zweck gefordert, nennt Kant diesen I. assertorisch. Der kategorische I. setzt dagegen ein unbedingtes Sollen: »Du sollst nicht töten«, das ohne Beziehung auf eine vorgängige subjektive Zielsetzung praktisch notwendig ist. Der besondere Stellenwert innerhalb seiner Moralphilosophie ergibt sich aus seiner Funktion als Maßstab für die Beurteilung von subjektiven Grundsätzen. In dieser Funktion stellt er das oberste Prinzip der praktischen Überlegung dar. Seine Bedeutung wird erst hinreichend verständlich vor dem Hintergrund der Kantischen Problemstellung: Auszugehen ist von den subjektiven Grundsätzen, den Maximen, die Ausdruck unserer subjektiven Neigungen oder Entscheidungen sind. Aufgrund der Vielfalt solcher subjektiver Zwecksetzungen ist es unmöglich, einen bestimmten materialen Zweck als allgemein verbindlich oder moralisch gut auszugeben. Ein objektiver Grundsatz ist demnach nur in Absehung von allen materialen Bestimmungen denkbar. Die Objektivität kann nicht in der Materie, sondern nur in der Form des Grundsatzes gefunden werden (KpV § 4). Der kategorische I. entspricht diesem Anspruch, da er nur auf das Wollen gerichtet ist: Derjenige handelt vernünftig, für den die Form der Allgemeinheit der Bestimmungsgrund des Willens ist. In dieser Gestalt stellt der kategorische I. das schlechthin höchste Sollen dar, das allein in der Autonomie des Willens gründet und das als formales Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft ohne jede Einschränkung (durch bestimmte Zwecksetzungen oder subjektive Absichten) unbedingt, objektiv, allgemein und notwendig gültig ist. Als rein formale Regel wird der kategorische I. zum obersten Beurteilungskriterium für die Moralität des Wollens: Die subjektiven Handlungs- und Lebensgrundsätze sind nur dann als moralisch gut zu bewerten, wenn sie widerspruchsfrei gewollt und gedacht werden können. In der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten formuliert Kant neben der Grundformel des kategorischen I.s: »Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde« (GMS A 52) noch Unterformeln, in denen er bestimmte Aspekte des praktischen Gesetzes herausstellt. Die »Naturgesetzformel« lautet: »Handle so, als ob die Maxime deiner Handlung durch deinen Willen zum allgemeinen Naturgesetze werden sollte«, die »Selbstzweckformel« heißt: »Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest« (A 66).
Literatur:
- O. Höffe: Kants kategorischer Imperativ. In: Ethik und Politik. Frankfurt 1979. S. 84 ff
- H. J. Paton: Der kategorische Imperativ. Berlin 1962
- F. Ricken: Allgemeine Ethik. Stuttgart, Berlin, Köln. 21989. S. 91 ff
- R. Wimmer: Universalisierung in der Ethik. Frankfurt 1980.
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