Metzler Lexikon Philosophie: Indexikalität
(1) eine Eigenschaft, die ein sprachlicher Ausdruck genau dann hat, wenn sein Bezug systematisch von Parametern des Äußerungskontexts abhängt. Typische Beispiele singulärer indexikalischer – oder, wie man auch sagt, demonstrativer oder deiktischer – Ausdrücke sind im Deutschen etwa die Pronomen »ich«, »du«, »er«, »sie«, »dies« und Adverbien wie »jetzt« und »hier«. Solche Ausdrücke heißen auch »Indikatoren«. v.a. D. Kaplan hat ausführlich dargelegt (vgl. Kaplan 1989), inwiefern Indikatoren (zumindest in ihrer häufigsten Verwendungsweise) sich »direkt«, d.h. nicht-deskriptiv auf Gegenstände beziehen und daher zu den sog. starren Designatoren gehören, d.h., vereinfacht gesagt, zu Ausdrücken, die sich bei der Auswertung einer gegebenen Aussage hinsichtlich kontrafaktischer Umstände auf kein anderes Objekt beziehen als auf das tatsächlich bezeichnete. Sagt jemand: »Ich hätte eine Minute später geboren werden können«, so werden kontrafaktische Umstände oder, wie man auch sagt, andere mögliche Welten betrachtet, in denen der Sprecher des Kontexts (und nicht etwa eine Person, die hinsichtlich jener Welten durch bestimmte Eigenschaften festgelegt wird) etwas später geboren wurde als es tatsächlich der Fall ist. Die Auswertung eines indexikalischen Satzes ist grundsätzlich eine zweistufige Prozedur: Erst in einem Kontext erhält man eine Aussage, d.h. etwas, dem man eine Proposition (oder eine Intension) zuordnen kann, der dann in einem zweiten Schritt relativ zu einer möglichen Welt ein Wahrheitswert zuzuordnen ist. Putnam (1975) hat auch auf die »versteckte Indexikalität« von Substanzwörtern wie »Wasser« hingewiesen. Für die weitverzweigten semantischen Details in diesem Zusammenhang vgl. etwa den Überblick bei Zimmermann (1991) sowie die Weiterentwicklung der Theorie bei Haas-Spohn (1995). (2) Insbsondere H.-N. Castañeda und J. Perry haben in den sechziger bzw. siebziger Jahren mit großer Resonanz dafür argumentiert, dass indexikalische Ausdrücke insofern zu wesentlichen Bestandteilen unserer Sprache gehören, als sie zur Kundgabe propositionaler Einstellungen dienen können, die irreduzibel indexikalisch sind. So ist es beispielsweise stets denkbar, dass ein Subjekt a etwas glaubt, was es auf eine Nachfrage hin mit einem Satz der Form »Ich habe die Eigenschaft F« kundgeben würde, ohne dass es glaubt: »a hat die Eigenschaft F«, wenn a für einen Namen oder eine Beschreibung dieses Subjekts steht. Kontrovers ist hingegen, ob man aufgrund dieses Phänomens auch indexikalische Propositionen oder Gedanken als Inhalte solcher propositionaler Einstellungen fordern sollte. Im Rahmen der Kaplan’schen Theorie der direkten Referenz von Indikatoren z.B. ergibt sich diese Konsequenz nicht.
Literatur:
- H.-N. Castañeda: Indicators: The Semiotics of Experience. In: K. Jacobi/H. Pape (Hg.): Thinking and the Structure of the World; dt. Das Denken und die Struktur der Welt. Berlin/New York 1990. S. 57–93
- U. Haas-Spohn: Versteckte Indexikalität und subjektive Bedeutung. Berlin 1995
- D. Kaplan: Demonstratives. In: J. Almog u.a. (Hg.): Themes from Kaplan. Oxford/New York 1989. S. 481–563
- J. Perry: The Problem of the Essential Indexical. Nous 13 (1979). S. 3–21
- H. Putnam: The Meaning of Meaning. In: Ders.: Philosophical Papers. Vol. 2: Mind, Language and Reality. Cambridge/Mass. 1975
- R. Stalnaker: Indexical Belief. Synthese 49 (1981)
- E. Zimmermann: Kontexttheorie. In: A. v. Stechow/D. Wunderlich (Hg.): Semantik. Berlin 1991
- P. Yourgrau (Hg.): Demonstratives. Oxford 1990.
CJ
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