Metzler Lexikon Philosophie: Logik, mehrwertige
(many-valued logic). Der Begriff umfasst Theorien der Logik, und zwar insbesondere der dreiwertigen Logik, denen die Auffassung gemeinsam ist, dass atomare Aussagen, einen von mehr als zwei Wahrheitswerten haben können. Nach der klassischen, zweiwertigen Logik sind Aussagen entweder wahr oder falsch, d.h. dass jede Aussage genau einen dieser beiden Wahrheitswerte haben muss. Man bezeichnet dieses Prinzip als Zweiwertigkeitsprinzip oder auch, nach J. Lukasiewizc, als Bivalenzprinzip oder Zweiwertigkeitssatz. Im Unterschied zur klassischen Logik geht man in der dreiwertigen Logik, die von Lukasiewizc (1920) und E.L. Post (1921), unabhängig voneinander, begründet worden ist, davon aus, dass man atomaren Aussagen neben den Wahrheitswerten »wahr« und »falsch« einen dritten Wahrheitswert »unbestimmt« zusprechen kann. Den entscheidenden Anknüpfungspunkt bildet für Lukasiewizc das von Aristoteles im 9. Kap. seiner Schrift De interpretatione erörterte Problem des Wahrheitswertes von Aussagen über kontingent-zukünftige Ereignisse. Aristoteles setzt sich dort mit der Frage auseinander, ob Aussagen über Ereignisse, die in der Zukunft sowohl eintreten als auch ausbleiben können, bereits in der Gegenwart einen Wahrheitswert haben, auf die er nach der sog. traditionellen Deutung eine verneinende Antwort gibt. Lukasiewizc hat sich nun durch die Aristotelischen Überlegungen zur Entwicklung eines dreiwertigen aussagenlogischen Systems inspirieren lassen. In der Sprachanalyse lassen es die Vagheit der umgangssprachlichen Begriffe und ebenso das Problem der leeren Kennzeichnungen sinnvoll erscheinen, einen dritten Wahrheitswert anzunehmen (U. Blau). Zu den weiteren Problemen, die zur Entwicklung einer m.L. Anlass gegeben haben, gehören in erster Linie in der Mathematik solche Aussagen, für die es kein Entscheidungsverfahren gibt (S. C. Kleene), das Problem der unbestimmten Aussagen in der Quantentheorie und das Problem des Verhältnisses zwischen Wahrheit und Wahrscheinlichkeit. In der mathematischen Theorie mehrwertiger Logiken spielt der Begriff der logischen Matrix eine zentrale Rolle, der es erlaubt, mehrwertige junktorenlogische Systeme in großer Allgemeinheit auf mathematisch-algebraische Weise zu behandeln. So lassen sich auch für m.L.en Begriffe wie Tautologie, Folgerung etc. definieren. Die Funktion, die der Wahrheitswert wahr in der klassischen Logik erfüllt, wird in der m.L. von den sog. »ausgezeichneten« Wahrheitswerten übernommen.
Literatur:
- U. Blau: Die dreiwertige Logik der Sprache. Ihre Syntax, Semantik und Anwendung in der Sprachanalyse. Berlin u. a. 1978
- N. Öffenberger: Zur Vorgeschichte der mehrwertigen Logik in der Antike. Hildesheim 1990
- N. Rescher: Many-Valued Logic. New York 1969
- P. Rutz: Zweiwertige und mehrwertige Logik. Ein Beitrag zur Geschichte und Einheit der Logik. München 1973.
JH
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