Metzler Lexikon Philosophie: Sportethik
befasst sich mit der Analyse und Bewertung praktischer und theoretischer Implikationen moralischer Einstellungen und Handlungen im Sport. Da die eigentliche S. als Theorie der sportmoralischen Praxis einen metaethischen Überbau trägt, der nach den Bedingungen einer solchen Theorie fragt, reicht ihr Gegenstandsgebiet von der Moral des einzelnen Athleten über die Verantwortung sportlicher Organisationen bis hin zu der Beschäftigung mit sportwissenschaftlichen Prozeduren. Die S. steht in enger Beziehung mit der Soziologie, Psychologie, Didaktik, Pädagogik und Anthropologie. Weil jede Ethik die generelle Frage nach dem Wesen des Menschen einschließt, ist die Untersuchung der Moralität sportlicher Handlungen nur möglich, wenn die Anthropologie der S. fundamentale Kategorien wie Interesse, Würde, Personalität, Vernunft oder Sinnlichkeit liefert. Umgekehrt kann die S. in ihrer beispielhaften Analyse individueller Selbst- und Situationsbegriffe in institutionell vorgegebenen Handlungsfeldern als Exempel für die allgemeine Ethik fungieren. – Der institutionelle Ansatz (Lenk) untersucht die Spannung individueller und sozialer Ansprüche an das Handlungssubjekt am Kernbegriff der Verantwortung. Seine Analyse erscheint besonders brennend, da in einer Welt zunehmender sozialer Anforderungen der bloß individualistische Verantwortungsbegriff zu kurz greift. Die pragmatische Deutung (Franke, Lenk) ist eine Sonderform der institutionenethischen und hat zum Gegenstand eine gleichberechtigte Untersuchung individueller und sozialer Handlungsprämissen und -folgen. Ihre Methode liegt in einer Synthese verschiedener Gegensatzpaare als Grundstrukturen sportmoralischer Praxis, die dem Hauptgegensatz von Gesinnungs- und Verantwortungsethik entstammen. In jüngster Zeit hat die Ethik des dritten Weges (Meinberg) den Versuch unternommen, normative und deskriptive sowie individuelle und soziale Elemente in einer umfassenden Theorie zu vermitteln. Sie nennt sich auch co-existential, weil sie den Menschen und die über sein Handeln reflektierenden Theorien als Ausdruck einer wechselseitig aufeinander bezogenen Seins- und Sollenssphäre versteht. – Den breitesten Raum nehmen Theorien ein, die sich in irgendeiner Form als normen- oder wertethische Positionen verstehen. Extreme Versuche stellen einmal die formalistische Variante (De Wachter) dar, die Moral als für sportliches Handeln nicht konstitutiv betrachtet, und einmal die materialwertethische (Kuchler), die auf philosophischem und theologischem Fundament das Sportethos als Ausfluss eines idealen Wertreichs betrachtet. Vermittelnde Deutungen fragen stattdessen nach der Funktion der Moral für den Sport. Die diskursethische Variante (Apel) untersucht die Funktion von Fairness und Gerechtigkeit als Modell einer allgemeinen Theorie, während Heringer rein immanent bleibt und die Funktion der Fairness an das gemeinsame Wissen der Spieler bindet. Gerhardt nimmt eine mittlere Position ein, indem er nach einer Funktion des Selbst- und Situationsverständnisses fragt, die in jeder Moral gültig ist, gleichwohl aber bereichspezifische Analysen gestattet. Für ihn ist Fairness die Tugend des Sports, und ihre Funktion besteht in der Sicherung selbstbestimmter Teilnahme an ihm. In jüngster Zeit finden sich außer weiteren Differenzierungen dieser Ansätze z.B. unter einer utilitaristischen Perspektive (Pawlenka) verstärkt wissenschaftstheoretische (Willimczik) und wissenschaftshistorische (Court) Reflexionen der S. In die Beschäftigung mit »klassischen« Themen wie Doping sind inzwischen Fragen der Tierund Umweltethik eingeflossen.
Literatur:
- J. Court: Kritik ethischer Modelle des Leistungssports. Köln 1995
- Ders./E. Meinberg (Hg.): Klassiker und Wegbereiter der Sportwissenschaft. Stuttgart 2006.- O. Grupe/D. Mieth (Hg.): Lexikon der Ethik im Sport. Schorndorf 1998
- C. Pawlenka: Utilitarismus und Sportethik. Paderborn 2002
- Dies. (Hg.): Sportethik. Paderborn 2004
- E. Meinberg: Dopingsport. Hamburg 2006
- K. Willimczik: Sportwissenschaft interdisziplinär. Hamburg 2001.
JC
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.