Metzler Lexikon Philosophie: Werttheorie
Die W. befasst sich in kritischer Absicht mit der Klärung dessen, was als Wert bzw. (Be-)Werten begründet aufgefasst werden kann. Der Terminus Wert oszilliert seit jeher zwischen seiner Auffassung in wirtschaftlichem (merkantilem) und philosophischem (axiologischem, moralischem und ethischem) Sinn. Beiden Auffassungen ist gemein, dass ein Wert im Sinne eines ermangelten positiven »Gutes« begehrt und, sofern erreichbar, erstrebt wird. Dieses Begehren kann ein natürliches instinkthaftes Gefallen an, eine Vorliebe für etwas (und die Verachtung seines Gegenteils) sein oder ein »natürliches Verlangen nach Wissen« (Aristoteles). Wird das Wissen um seiner selbst willen erstrebt, gibt man damit zum Ausdruck, dass man es als wertvoll in sich, als primären Wert erachtet; erstrebt man es um etwas anderen willen, hält man es für nützlich, wertvoll um eines andern willen, für einen äußeren, sekundären Wert. – Diese Differenz ist bedeutsam für eine »Logik« der W. Analog der Unterscheidung von wahr (in sich)/falsch (in sich) in der Logik kann hier das Werturteil über etwas als wertvoll (in sich)/nicht wertvoll (in sich) vorgenommen werden. Das als in sich wertvoll Erkannte ist dann begründet seinem Gegenteil vorzuziehen; ebenso dem sekundären Wert. Auch im Alltag, wo reine Werte selten, relative Werte jedoch meist gegeben sind, wird die Last der abwägenden, gerechten (billigen) Bewertung bzw. Bevorzugung unter Berücksichtigung der konkreten Situation (Ort, Zeit, Umstände, Bedürfnisse) und merkantiler Einschätzungen (Gebrauchswert, Tauschwert, Preis, Nachfrage etc.) auferlegt. – Diese Auffassung der W., welche das konkrete Bedürfnis, dessen richtige Einschätzung und gerechte Vergeltung als das Maß der Werte darstellt (sog. »subjektive« oder »psychologische W.«), ist von Aristoteles eingeführt und nachhaltig beeinflusst worden. Demgegenüber nimmt eine sog. »objektive W.« ihren Ausgang von einer Ontologie der Werte, vom Wert der Güter. Sie betrachtet die innere Beschaffenheit der Objekte, den Wert des Seins überhaupt, ist am »Naturgesetz« als fixem Maßstab für das Wertgesetz orientiert; das subjektive Bedürfnis als variable Bewertungsgrundlage wird ausgeschaltet. Die philosophische Frage nach der Erkennbarkeit und dem Status eines Wertes wird erneut diskutiert, nämlich, ob Werte in einer eigenständigen, vom Subjekt unabhängigen idealen hypostasierten Region (»Reich der Werte«) angesiedelt seien und ihre ideale Seinsweise und Geltung erschaut und aus ihr Sollensansprüche deduziert werden können, oder ob ein Wert menschlicher Erkenntnis qua Bedürfnis empirisch zugänglich wird, so dass er auch erstrebt und diesem gefühlten Mangel abgeholfen werden kann. – Mit dieser Frage ist nicht nur die Apriorität oder Aposteriorität von Werten und die der Priorität von Sein oder Bewusstsein gestellt, sondern auch nach einem Wert, Gut an sich, oder einem tatsächlich erreichbaren W., menschlichem Gut, als Teil des erstrebten Glücks (Eudaimonie). Wird Letzteres bejaht, hält der Wert-Gedanke nicht vornehmlich bei seiner theoretischen Kontemplation und seinem Soll-Sein inne, sondern bezieht Überlegungen mit ein betreffend seiner praktischen Realisierung einschließlich der konkreten Bedingungen, unter denen ein Wert verwirklicht werden kann, der Richtigkeit des Strebens und der Wahl entsprechender Mittel, um ihn voll (angemessen, in gerechter Weise) zu erlangen und damit das zuvor bestehende Verlangen nach ihm zu befriedigen (diese Intention zu erfüllen); dies am besten dadurch, dass das praktisch Wertvollste, Vorzügliche das »Beste unter dem Erreichbaren«, das »praktisch zu Wollende«, das »jetzt Notwendige, … das absolut Gesollte« gewählt und realisiert wird (Brentano, Husserl; ähnlich schon Aristoteles).
Literatur:
- Aristoteles: Nikomachische Ethik V, 8
- F. Brentano: Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis (1889). Hamburg 51969
- L. Brentano: Die Entwickelung der Wertlehre. München 1908
- Ch. v. Ehrenfels: Werttheorie (Philosophische Schriften 1). München 1982
- W. Grassl/B. Smith (Hg.): Austrian Philosophy and Social Thought. München 1983
- H.H. Gossen: Entwicklung des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für menschliches Handeln (1853). Berlin 31927
- E. Husserl: Vorlesungen über Ethik und Wertlehre. Hua Bd. 28. Den Haag 1988
- R. Kaulla: Die geschichtliche Entwicklung der modernen Werttheorien. Tübingen 1906
- O. Kraus: Die Werttheorien. Geschichte und Kritik. Brünn 1937
- A. Meinong: Abhandlungen zur Werttheorie (Gesamtausgabe Bd. 3). Graz 1968
- C. Menger: Grundsätze der Volkswirtschaftslehre. Wien 1871
- M. Scheler: Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik (Ges. Werke. Bd. 2). Bern 51966
- F. v. Wieser: Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft. Tübingen 21923
- The Journal of Value Inquiry.
WB
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