Alleinstehender Brauner Zwerg entdeckt
Als Braune Zwerge bezeichnen Astronomen Himmelskörper, die zu groß sind für Planeten, aber zu klein für echte Sterne. Sie verfügen über weniger als das 90fache der Jupiter- oder 8 Prozent der Sonnenmasse, so daß Druck und Temperatur in ihrem Zentrum nicht ausreichen, Kernfusionsprozesse in Gang zu setzen. Die geringe Wärmemenge, die bei ihrer allmählichen Kontraktion frei wird, läßt sie nur schwach rot-bräunlich glimmen. Darum sind sie auch kaum zu entdecken und bilden vermutlich einen wesentlichen Bestandteil der dunklen Materie im Universum, deren Existenz aufgrund indirekter Hinweise postuliert wird.
Die wenigen bisher aufgefundenen Braunen Zwerge sind entweder mit einem regulären Stern zu einem Binärsystem verbunden oder gehören dem Sternhaufen der Plejaden an. Nun hat Maria Teresa Ruiz von der Universität Santiago de Chile mit dem 1-Meter-Schmidt-Teleskop der Europäischen Südsternwarte ESO auf La Silla erstmals ein alleinstehendes Exemplar entdeckt.
Eigentlich war sie auf der Suche nach Weißen Zwergen, den ausgebrannten Resten relativ massearmer Sterne wie der Sonne, deren Leuchtkraft nur noch gering ist. Dazu nahm sie seit 1987 gro-ße Himmelsareale mehrfach im Abstand einiger Jahre auf und durchmusterte die Photographien mit ihren Hunderttausenden von Sternen nach lichtschwachen Objekten, deren Position sich ein wenig geändert hatte. Eine solche Eigenbewegung können nur relativ nahe Objekte zeigen; wenn sie zugleich eine geringe scheinbare Helligkeit haben, sollte auch ihre intrinsische Leuchtkraft klein sein.
Aus der so gewonnenen Vorauswahl identifizierte Maria Teresa Ruiz die Weißen Zwerge anhand charakteristischer Emissionslinien im Spektrum, das sie mit einem größeren Teleskop im sichtbaren und nahen Infrarotbereich aufnahm. Auf diese Weise entdeckte sie bisher rund 40 neue ausgebrannte Sterne.
Anfang dieses Jahres erhielt sie von einem Objekt im Sternbild Hydra (Wasserschlange) allerdings ein sehr ungewöhnliches Spektrum. Es zeigte weder die für Weiße Zwerge typischen Emissionslinien noch solche, die sehr leuchtschwache kleine Sterne aufweisen. Statt dessen tauchten Banden für Wasserstoff und für Lithium auf, das in normalen Sternen sehr schnell aufgebraucht wird und deshalb nicht zu beobachten ist.
Um die Natur dieses ausgefallenen Objekts aufzuklären, untersuchte Maria Teresa Ruiz es auch in anderen Wellenlängenbereichen. Dabei fand sie eine große Ähnlichkeit zu den Spektren der beiden bekannten Braunen Zwerge in Binärsystemen. Offenbar handelte es sich um einen Vertreter dieser bisher kaum bekannten Himmelskörper. Den letzten Beweis dafür lieferten schließlich Methan-Banden, die Sandra K. Leggett vom Joint Astrophysical Centre in Hilo (Hawaii) mit einem Infrarotspektrometer auf dem Mauna Kea entdeckte. Dieses chemische Molekül wäre auf echten Sternen nicht beständig.
Maria Teresa Ruiz taufte den neu aufgefundenen Braunen Zwerg KELU-1 – nach dem Wort der chilenischen Mapuche-Indianer für rot. Vorerst läßt sich seine Entfernung anhand der Eigenbewegung nur grob auf etwa 30 Lichtjahre schätzen (zum Vergleich: der nächste stellare Nachbar der Sonne hat einen Abstand von etwa vier Lichtjahren). Einen genaueren Wert wird die Bestimmung seiner Parallaxe liefern, der Änderung seiner scheinbaren Position durch den Umlauf der Erde um die Sonne.
Als alleinstehendes Objekt bietet sich KELU-1 frei von störenden Einflüssen direkter Nachbarn der Beobachtung dar. Wegen seiner Nähe hoffen die Astronomen, sogar die Vorgänge in den rela-tiv kalten äußeren Schichten untersuchen zu können. Über Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen ließ sich dagegen bereits ein genauerer Schätzwert für die Häufigkeit Brauner Zwerge gewinnen – und damit für die Gesamtmasse an dunkler Materie im All, eine für kosmologische Modelle entscheidende Größe. Danach reicht sie – in Übereinstimmung mit den Resultaten anderer neuerer Abschätzungen – nicht aus zu verhindern, daß das Universum endlos weiter expandiert.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1997, Seite 31
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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