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Krebsimmuntherapie II: Am Ort des Geschehens

Impfstoffimplantate, die das Immunsystem gezielt gegen Tumorzellen stimulieren, zeigen bei Tests an Menschen und Tieren erstaunliche Wirkung– ein viel versprechender Weg in der Krebstherapie, der biologisches und materialwissenschaftliches Wissen vereint.
Impfimplantat gegen Krebs

Aus einer hydraulischen Presse in seinem Labor fällt eine kleine weiße Scheibe in die Hand von Ed Doherty. Das tablettengroße Implantat könnte die Therapie von Krebserkrankungen revolutionieren: Es lockt Immunzellen an und stimuliert sie dann, gezielt Krebszellen im Körper eines bestimmten Patienten anzugreifen. Seine Fertigung ist so einfach, dass eine neue Ära der personalisierten Krebsmedizin bevorstehen könnte. "Die Geräte zur Herstellung der Implantate lassen sich ohne Probleme an jedem Krankenhaus im Land bereitstellen", erläutert der Biomaterialforscher vom Wyss Institute for Biologically Inspired Engineering der Harvard University in Boston, Massachusetts.

Jedes der Implantate enthält Zellwachstumsfaktoren, DNA und Fragmente von gefriergetrockneten Zellen aus dem Tumor des Patienten. Diese Substanzen sind in eine Matrix eingebettet, die sich im Körper im Verlauf von etwa sechs Monaten auflöst. Da der experimentelle Impfstoff keine lebenden Zellen enthält, können die Forscher mehrere Implantate in einem einzigen Produktionsprozess herstellen. Dagegen müssen bei anderen Krebsimpfstoffen, die auf den jeweiligen Patienten zugeschnitten sind, lebende Immunzellen für jede Behandlungsrunde separat aufbereitet werden, in tagelanger Laborarbeit. Ein Beispiel ist Sipuleucel-T, die vom Biotechnologieunternehmen Dendreon aus Seattle, Washington, unter dem Handelsnamen Provenge vermarktet wird. Bevor die Zellen im Körper eine Immunreaktion gegen den Krebs stimulieren können, müssen ausreichend viele davon in einem aufwändigen Verfahren hergestellt werden. Das von Doherty und seinen Kollegen entwickelte implantierbare Vakzin nutzt den Patienten selbst als Fabrik für die Zellen.

Die Tablette in Dohertys Hand ist für einen Test an Mäusen vorgesehen. Ein paar Straßen weiter aber, am Dana-Farber/Brigham and Women’s Cancer Center, fabrizieren Kollegen von Doherty ähnliche Vakzinimplantate, die bereits zur experimentellen Behandlung von Menschen dienen. In der bislang einzigen klinischen Studie dieser Art werden sie an Patienten erprobt, die an einem fortgeschrittenen malignen Melanom erkrankt sind. Glenn Dranoff, Tumorimmunologe am Dana-Farber Cancer Center und Mitentwickler das WDVAX genannten Vakzins, findet es faszinierend, Materialwissenschaften und neue Erkenntnisse aus der Immunologie von Tumorerkrankungen miteinander zu kombinieren: "Das ist eines der aufregendsten Projekte in meiner Forscherlaufbahn!"

Gemeinsam mit Biologen entwickeln Materialwissenschaftler auch zahlreiche andere Vehikel, die Immuntherapeutika gegen Krebs in den Körper bringen – von Nanopartikeln bis zu injizierbaren Gelen. Ihre Ansätze sollen die bisherigen grundlegenden Probleme lösen, etwa dass die Immunreaktionen nicht nur Tumorzellen erfassen, die Behandlungen gefährliche Nebenwirkungen haben und die Vakzine nur kurze Zeit im Körper des Patienten aktiv bleiben. ...

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