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Ans Licht gebracht

Für die Umwandlung von Schall in Licht – die sogenannte Sonolumineszenz – fand sich lange keine befriedigende Erklärung. Doch nun ist es gelungen, diesen verblüffenden Effekt weitgehend zu enträtseln.


Felipe Gaitan untersuchte im Jahre 1990 an der Universität von Mississippi das Verhalten einer Luftblase in Wasser, die sich unter dem Einfluß von Ultraschall in rascher Folge dehnte und wieder zusammenzog. Dabei fiel dem Doktoranden ein geheimnisvolles weiß-bläuliches Leuchten auf. Die Umwandlung von Schall in Licht – Sonolumineszenz genannt – war zwar schon seit über 60 Jahren bekannt, aber erst die kontrollierte Beobachtung einer einzelnen Blase ermöglichte es, den Ursprung dieses faszinierenden Schauspiels genauer zu studieren. Seine Erklärung stellte für die theoretischen Physiker eine große Herausforderung dar; denn bei der Umwandlung der akustischen Schwingungen in Photonen steigt die Energiedichte um zwölf Größenordnungen!

Der experimentelle Aufbau von Gaitan (Bild auf Seite 24) war verblüffend einfach. In ein Gefäß mit teilweise entgastem Wasser (die Gaskonzentration muß unter dem Sättigungswert liegen) wird eine einzelne Blase injiziert, mit einer stehenden Ultraschallwelle im Zentrum des Gefäßes festgehalten und zu pulsierenden Bewegungen angeregt. Nach dem Aufblähen kollabiert die Blase jeweils sehr schnell und heftig. Dabei gibt sie einen kurzen Lichtblitz ab, der auch mit bloßem Auge noch wahrnehmbar ist, obwohl die Blase nur wenige Mikrometer mißt.

Nach Gaitans bahnbrechenden Versuchen gingen viele Wissenschaftler dem außergewöhnlichen Phänomen nach. Doch auch jahrelange Forschungen vermochten den genauen Mechanismus der Lichterzeugung zunächst nicht aufzudecken (siehe Spektrum der Wissenschaft, Mai 1995, S. 50). Viele Beobachtungen im Zusammenhang mit der Sonolumineszenz machten das Phänomen eher rätselhafter, als zu seiner Aufklärung beizutragen. So steigt die Lichtintensität mit sinkender Wassertemperatur. Unklar blieb auch, warum das Leuchten nur in einem engen Bereich von "Antriebsdrücken" – den Amplituden des Ultraschallfeldes – über Stunden und Tage stabil ist. Zu den größten Merkwürdigkeiten aber zählte die Beobachtung, daß für diese Stabilität eine kleine Menge eines Edelgases erforderlich ist – zum Beispiel das eine Prozent Argon in Luft.

Nach und nach konnten diese offenen Fragen in den letzten Jahren jedoch beantwortet werden. Und so kristallisierte sich schließlich auch ein plausibles Modell für die Lichterzeugung selbst heraus. Ansatzpunkt für unsere Arbeiten an der Universität Marburg und dann an der Universität Twente (Niederlande) war die Stabilität der Blasen. Grundlegende Beiträge dazu hatten unter anderen Andrea Prosperetti von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore und Andrew Szeri von der Universität von Kalifornien in Berkeley geleistet.

Es wurde schnell klar, daß die Blase nur dann beständig sein kann, wenn sie weitgehend ihre Kugelform bewahrt. Sie darf deshalb nicht zu groß sein und nicht zu heftig pulsieren; sonst verformt sie sich und zerfällt in viele Mikroblasen. Eine zweite Stabilitätsbedingung ist, daß sich der Gasgehalt der Blase nicht durch Gasaustausch mit dem Wasser verändern darf. Um ihr zu genügen, muß bei gegebenem Antriebsdruck die Menge an Gas in der Blase in einer festen Relation zur Gaskonzentration im Wasser stehen.

Beide Bedingungen können nur für einen engen Parameterbereich erfüllt sein. Wenn man ihn für eine Argonblase berechnet, ergibt sich ein sehr niedriger Argongehalt des Wassers – für eine stabile Blase darf er nur 0,2 bis 0,4 Prozent der Sättigungskonzentration betragen.

Der Weg zu dieser Erkenntnis wurde durch die verwirrende Beobachtung erschwert, daß für eine stabile Sonolumineszenz die Gaskonzentration in Luftblasen hundertmal größer ist. Der Grund für den scheinbaren Widerspruch entpuppte sich als denkbar einfach: Bei den hohen Temperaturen, die in der Blase beim Kollaps auftreten, werden die zweiatomigen Moleküle des Stickstoffs und Sauerstoffs, die fast 99 Prozent der Luft ausmachen, aufgespalten, und die Spaltprodukte lösen sich im Wasser. Von der Luft in der Blase bleibt deshalb nur das "reaktionsträge" Edelgas Argon übrig. Da sein Anteil etwa ein Prozent beträgt, ist die für die Stabilität nötige Argon-Konzentration im Experiment automatisch um den Faktor hundert kleiner. Damit stimmt sie genau mit dem Ergebnis der Berechnungen überein. Robert Apfel und seine Mitarbeiter an der Yale-Universität in New Haven (Connecticut) konnten diese Vorhersagen inzwischen durch Messungen quantitativ bestätigen. Ganz nebenbei erklärt das "Verbrennen" der molekularen Gase das erwähnte Rätsel, warum ohne einen kleinen Prozentsatz Edelgas keine stabile Sonolumineszenz zustandekommt.



Ein entscheidender Durchbruch



Bei der Erklärung des eigentlich Spektakulären am Phänomen Sonolumineszenz, nämlich des Lichts selbst, hat es gleichfalls große Fortschritte gege-ben. Einen Durchbruch schafften Bruno Gompf, Wolfgang Eisenmenger und ihre Mitarbeiter an der Universität Stuttgart: 1997 gelang es ihnen erstmals, den Zeitverlauf des Lichtblitzes aufzulösen. Abhängig vom Gas- und Antriebsdruck ergaben sich für die Länge des Blitzes Werte zwischen 60 und 300 Pikosekunden. Durch diese Messungen wurden frühere Abschätzungen amerikanischer Gruppen korrigiert, wonach die Pulse wesentlich kürzer sein sollten. Ein weiteres wichtiges und überraschendes Ergebnis der Stuttgarter Messungen war, daß zwischen der Pulslänge im roten und im ultravioletten Bereich des Spektrums kein nennenswerter Unterschied besteht.

Beide Beobachtungen widersprachen der einfachsten denkbaren Erklärung für die Lichterzeugung: daß die beim Kollaps bis auf Zehntausende von Grad erhitzte Blase nichts anderes als normale thermische Strahlung aussendet. Mit diesem sogenannten Schwarzkörpermodell läßt sich etwa das Spektrum der Sonne beschreiben – oder auch das eines Metallstabs, der bis zur Rot- oder Weißglut erhitzt wurde. Bei den sehr hohen Temperaturen in der Blase sollten die Pulslängen aber viel größer sein und stark von der Wellenlänge abhängen.

Tatsächlich erfüllt die Blase, wie wir feststellten, eine grundlegende Voraussetzung für einen Schwarzkörperstrahler nicht: Dieser muß nämlich nicht nur eine definierte Temperatur haben, sondern auch "schwarz" sein, das heißt Strahlung aller Wellenlängen vollständig absorbieren. Im Widerspruch dazu ergaben Berechnungen der mittleren freien Weglänge von Photonen in der kollabierten Blase, daß die Strecke, wel-che die Lichtquanten durchschnittlich zurücklegen, bevor sie auf ein Gasteilchen treffen, größer als der Blasenradius ist. Die Blase ist also durchlässig für Photonen; denn diese entweichen, noch bevor sie auf ein Gasteilchen stoßen, von dem sie absorbiert werden könnten.

Allerdings läßt sich dieser Befund durch eine Modifikation des Schwarzkörpermodells berücksichtigen: Wir mußten nur einen temperatur- und wellenlängenabhängigen Durchlässigkeitsfaktor (Opazitätsfaktor) einfügen.



Des Rätsels Lösung



Mit dem derart abgewandelten Modell läßt sich sowohl die typische Dauer der Sonolumineszenz-Pulse als auch die Tatsache erklären, daß sie im roten und ultravioletten Bereich fast gleich lang sind. Bei der Sonolumineszenz enthält das Spektrum der emittierten Photonen Informationen über die mikroskopischen Prozesse, die das Licht hervorbringen; dagegen ist das Spektrum eines Schwarzkörperstrahlers universell und unabhängig von den tatsächlichen Emissionsprozessen.

Insgesamt ergibt sich damit folgendes Bild der Lichterzeugung:

‰ Der heftige Kollaps der Blase erhitzt diese innerhalb weniger milliardstel Sekunden auf etwa 20000 bis 30000 Kelvin; nach dem gleichen Mechanismus erwärmt sich die Luft in einem komprimierten Fahrradschlauch, nur eben ungleich schwächer und langsamer.

‰ Bei diesen Temperaturen wird ein kleiner Teil der Edelgasatome ionisiert, so daß nun freie Elektronen im Gas vorhanden sind, also ein Plasma entsteht.

‰ Bei der Abbremsung der freien Elektronen im Feld der Ionen und neutralen Atome sowie durch Rekombination (Wiedervereinigung) von Ionen und Elektronen entstehen Photonen, die wegen der geringen Abmessung der Blase nicht in ihr absorbiert werden. Für Spektralbereiche, in denen Wasser durchlässig ist, sind sie direkt beobachtbar.

‰ Nach etwa 100 billionstel Sekunden beginnt die Temperatur wieder zu sinken. Schon bei leichter Abkühlung nimmt aber der Ionisationsgrad rapide ab. Damit fällt auch die Helligkeit stark ab – und zwar unabhängig von der Wellenlänge der ausgesandten Strahlung.

Alle Kalkulationen im Rahmen unseres Modells sind mit ähnlich einfachen Mitteln auszuführen wie die weiter oben genannten Stabilitätsberechnungen. Man kann deshalb ohne großen Aufwand für viele verschiedene Parameterkombinationen Resultate gewinnen, was zum ersten Mal einen direkten Vergleich mit experimentellen Meßreihen ermöglicht. Die theoretischen Vorhersagen unseres Modells, in das nur die Versuchsbedingungen und die Materialkonstanten eingehen, stimmen in allen Fällen qualitativ und meist auch quantitativ gut mit den Meßdaten überein (Nature, Bd. 399, S. 402).

Ein solcher Vergleich testet alle wichtigen Elemente der Theorie. Um die Lichtemission zu berechnen, muß man den Gasgehalt der stabilen Blasen bei gegebenem Antriebsdruck kennen. Dies setzt eine Stabilitätsanalyse voraus. Dabei ist für Luftblasen der Gasgehalt zu modifizieren, da alle wesentlichen Luftbestandteile außer Argon sich zersetzen. Schließlich stellt der Vergleich mit den Intensitäts- und Pulslängendaten unser physikalisches Bild der Lichterzeugung auf die Probe.

Die gute Übereinstimmung mit dem Experiment spricht für die Richtigkeit und Konsistenz unserer grundsätzlichen Annahmen. Sie ist um so befriedigender, als in die theoretische Beschreibung nur einfache und wohlbekannte physikalische Prinzipien eingehen – allerdings aus so verschiedenen Gebieten wie Fluiddynamik, Akustik, Chemie, Plasma- und Atomphysik, nichtlineare Dynamik und Stabilitätstheorie. Auch die Fülle verschiedenster Größenordnungen, die unter einen Hut gebracht werden mußten, hat die theoretische Behandlung früher erschwert.

Ein tieferes Verständnis der Blasendynamik kommt auch praktischen Anwendungen zugute. So kann die Blase als chemischer Hochtemperaturreaktor im Mikroformat dienen, der während der Expansionsphase die Reaktanden aus dem Wasser ansaugt. Dies macht man sich in der "Sonochemie" zunutze; dabei werden in einer Flüssigkeit durch Ultraschall gleichzeitig viele pulsierende Blasen erzeugt, in denen dann spezielle chemische Reaktionen ablaufen können (siehe Spektrum der Wissenschaft, April 1989, S. 60). Vielleicht erlauben unsere neuen Erkenntnisse, diese Reaktionen über äußere Parameter wie den Antriebsdruck oder die Wassertemperatur in weiten Bereichen zu steuern.

Eine andere technische Anwendung betrifft die Medizin. Hier bietet sich die Möglichkeit, per Ultraschall Mikroblasen im Blutkreislauf zu erzeugen, deren Wanderung sich anhand ihrer Schallabstrahlung verfolgen läßt; die Blasen können somit als "Tracer" oder aktive Signalverstärker dienen. Erst dank der Untersuchung der Einzelblasen-Sonolumineszenz versteht man die Blasendynamik so gut, daß nun ein gezieltes "Blasendesign" möglich wird. Die Sonolumineszenz ist somit nicht nur ein schönes Beispiel für das Zusammenwirken von Phänomenen aus den verschiedensten Teilbereichen der Physik und Chemie, sondern unterstreicht auch die praktische Bedeutung der Grundlagenforschung


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1999, Seite 22
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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