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Textilien: Aprilfrische Bären

Spielzeug, das gut duftet, Kleidung, die Schweißgeruch absorbiert oder Medikamente abgibt - spezielle Zuckermoleküle machen es möglich.


Wer kennt nicht das Naserümpfen, wenn die Kleidung nach Schweiß, Rauch oder Essen riecht. Ein Besuch im Restaurant, die Fahrt in der Straßenbahn oder ein schlichter Tag im Büro erzwingen oft schon, das Hemd, den Pullover zu waschen. Cyclodextrine genannte ringförmige Zuckermoleküle könnten dem künftig abhelfen. Ihre Stärke: Im Wasser abweisenden Innern des Ringes können sie diverse Substanzen binden, darunter auch übel riechende Moleküle. Andererseits lassen sich Duftstoffe oder pharmazeutische Wirkstoffe in diese Hohlräume einbringen, die dann umgekehrt im Laufe der Zeit freigesetzt werden.

Diese Funktion als vorübergehenden Speicher nutzt bereits die Lebensmittelindustrie: Seit November 2000 ist Beta-Cyclodextrin als Zusatzstoff E 459 in Deutschland zugelassen. Es sperrt leichtflüchtige Aromastoffe in seinem Innern ein. So bewahrt Fertigsuppenpulver lange seinen Geschmack. Erst bei der Zubereitung mit Wasser werden die Aromastoffe wieder frei. Wie sehr die Komplexbildung mit dem Ringzucker die physikalischen Eigenschaften des zu speichernden Stoffes verändert, demonstriert eindrucksvoll das Nitroglyzerin: Im Verein mit Cyclodextrin verträgt es Hitze und Stoß.

Weil diese speziellen Zuckermole-küle durch enzymatischen Abbau von Stärke gewonnen werden, fallen sie in die Kategorie "nachwachsende Rohstoffe", was ihre Attraktivität für die Vermarktung noch steigert. Seit etwa zehn Jahren entwickeln Chemiker des Deutschen Textilforschungszentrums Nord West e.V., einem Institut der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, deshalb Verfahren, Cyclodextrine auf textilen Fasern zu fixieren. Mittlerweile haben sie, finanziell gefördert durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF), einige Methoden zur industriellen Reife gebracht.

Beispielsweise fixieren die Wissenschaftler das Ringmolekül auf Baumwollfasern, indem sie ihm eine chemische Gruppe anhängten, die mit der Zelluloseoberfläche reagiert. Da es sich um chemische Bindungen handelt, bleiben die Zuckermoleküle auch nach dem Waschen auf der Faseroberfläche. Alles was sich im Innern des Ringmoleküls befindet, wird jedoch nach und nach herausgelöst. Andere Fasern erfordern auch eine andere Strategie. So lassen sich Cyclodextrine auf unpolarem Polyester nur mechanisch verankern: Ein langer, ebenfalls unpolarer Rest am Ringmolekül wandert in die Faser hinein und verhakt sich sozusagen zwischen deren Polyesterketten.

Experimente bestätigten die vielseitige Anwendbarkeit, die vom lange geruchsfreien T-Shirt bis zum textilen Hormonpflaster reicht. Eine Reizung der Haut durch die verwendeten Derivate des ringförmigen Zuckers lässt sich nach Versuchen ausschließen. Eines der ersten Produkte ist bereits auf dem Markt: Stoffbären der Firma BärenWelt können mit Parfüm besprüht werden und geben den Duftstoff erst bei Berührung durch die auf der Hautoberfläche befindliche Feuchtigkeit wieder ab.

Oberbekleidung, die auch nach einem Kneipenbesuch frisch riecht, und Gardinen, die die Luft in Büros von unangenehmen Gerüchen befreien, gibt es bereits. Viel mehr ist denkbar, auch pharmazeutische Anwendungen: Unterwäsche, die beim Tragen hautpflegende Substanzen freisetzt, wird ebenso ihren Markt finden wie Bettwäsche, die Eukalyptus oder Menthol verströmend dem Erkälteten zur Nachtruhe verhilft.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2002, Seite 87
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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