Leuchtdioden: Bye, bye, Glühbirne
In ein bis zwei Jahrzehnten, so glauben die Autoren, werden Leuchtdioden herkömmliche, auf Glühbirnen aufbauende Lichtmittel weitgehend verdrängt haben.
Vor sechs Jahren erhielt einer von uns (Nick Holonyak) in Japan einen Forschungspreis. Nach der Technologie von morgen befragt, deutete er nur auf die Deckenlampen und antwortete sinngemäß, deren Zeit sei bald vorbei. Denn im wahrsten Sinne des Wortes findet vor unseren Augen eine Revolution statt, die wir kaum bemerken. Licht emittierende Halbleiter-Bauteile, so genannte LEDs (light emitting diodes) verdrängen bereits herkömmliche Glühbirnen in Nischenmärkten, weil sie elektrischen Strom viel effizienter in farbiges Licht verwandeln. Noch sind sie vor allem auf rote oder grüne Anzeigelämpchen in elektronischen Geräten beschränkt, doch weltweit arbeiten Wissenschaftler an kostengünstigen weiß strahlenden LEDs ? ein potenzieller Milliardenmarkt.
Bei rotem Licht ist der Wirkungsgrad dieser Halbleiter-Elemente zehnmal größer als der ihrer konventionellen Konkurrenz. Sie sind außerdem robust und klein; manche Typen leuchten 100000 Stunden, also mehr als ein ganzes Jahrzehnt lang. Eine Glühbirne dagegen brennt meist schon nach tausend Stunden durch. Intensität und Farben erlauben auch große Bildschirme mit LEDs zu bauen ? das beeindruckendste Beispiel dafür bietet wohl die acht Stockwerke hohe Reklamefläche an der Technologiebörse Nasdaq in New York.
In Europa werden Leuchtdioden für sechzig bis siebzig Prozent der hochgesetzten Bremsleuchten von Automobilen verwendet. Weitere aktuelle Anwendungen sind Blink- und Schlusslichter sowie seitliche Begrenzungsleuchten bei Bussen und Lastkraftwagen. Es ist zu erwarten, dass bis zum Ende des Jahrzehnts in roten und gelben Außenleuchten von Fahrzeugen ausschließlich LEDs Licht spenden werden.
Größere und hellere Ausführungen erobern derzeit den Markt der roten Ampellichter; in den USA sind es schon etwa zehn Prozent. Herkömmlich erzeugen Filter den passenden Farbton. Zwar kostet das Licht von Glühbirnen nicht einmal Pfennigbeträge pro Lumen (die Standard-Maßeinheit für die Lichtstärke), doch ein roter Filter absorbiert um die achtzig Prozent ihres Lichts, die dafür aufgewendete elektrische Energie wird schlicht in Wärme umgewandelt. LEDs in Ampeln erzeugen ein Lumen für etwa dreißig Pfennig, aber gleich in der richtigen Farbe. Insgesamt verbraucht die rote LED-Ampel nur 10 bis 25 Watt, gleiche Helligkeit mit Glühbirne und Rotfilter erfordert 50 bis 150 Watt. In den USA amortisiert die Stromeinsparung die höheren Anschaffungskosten schon nach einem Jahr. In Deutschland ist die Situation etwas anders, da hier schon seit Jahren Energie sparende Halogenlampen in Niedervolttechnik verwendet werden. Hier zu Lande ist es vor allem der geringere Wartungsaufwand für LEDs, der sie bei Verkehrsplanern immer beliebter macht.
Der grundlegende Mechanismus der Lichterzeugung wurde in den sechziger Jahren entwickelt: Ein Halbleitermaterial wird so mit Fremdatomen dotiert, dass eine Schicht reich an Elektronen ist (n-Bereich), eine andere reich an Löchern (p-Bereich, siehe Glossar). Zwischen beiden befindet sich eine Grenzschicht, in der bei Stromfluss in der richtigen Richtung beide Ladungsträger zusammenkommen und miteinander verschmelzen (fachlich "rekombinieren"). Dabei senden sie Photonen aus ? die Grundeinheiten des Lichts. Die atomaren Strukturen der aktiven Schicht und des umliegenden Materials bestimmen deren Zahl und Wellenlänge.
Bei den ersten Leuchtdioden, die 1960 aus einer Kombination von Gallium, Arsen und Phosphor gemacht wurden und rotes Licht hervorbrachten, arbeitete dieser Mechanismus sehr ineffektiv: Auf tausend Elektronen kam nur ein einziges Photon. So eine Leuchtdiode erzeugte weniger als zehn Prozent der Lichtmenge einer rot gefilterten Glühbirne bei gleicher Stromleistung.
Im Jahre 1999 stellten Michael Krames und seine Mitarbeiter bei Hewlett-Packard einen Rekord auf: Ihre LEDs verwandelten mehr als 55 Prozent der eintreffenden Elektronen in rote Photonen. Dieser gewaltige Fortschritt beruhte auf immer höherer Materialqualität und besseren Werkstoffen. Einen der größten Sprünge im Wirkungsgrad brachte beispielsweise die Erkenntnis, dass es besser ist, wenn jede Schicht einer LED eine andere chemische Zusammensetzung hat, als den Halbleiter homogen zu machen. Denn so verbleiben Elektronen und Löcher länger in der aktiven Zone, und die Wahrscheinlichkeit einer Rekombination wächst.
Die Forscher haben auch gelernt, die Eigenschaften der Halbleiterschichten durch Dotieren immer genauer auszulegen. In LEDs besteht der Kristall aus einer genau abgestimmten Mischung von Elementen der Gruppen III und V, wie Aluminium, Gallium, Indium und Phosphor. Zur Dotierung dienen meist Tellur und Magnesium. In den frühen siebziger Jahren waren LEDs aus Gallium-Arsenid-Phosphid bereits hell genug, um die ersten Taschenrechner oder Uhren zu beleuchten, heutige bringen je nach Zusammensetzung rotes, orangenes oder gelbes Licht hervor.
Ein weiterer Schlüssel zur Optimierung waren und sind die Herstellungsmethoden. Die Kristallstrukturen von n- und p-Materialien müssen mit denen des unterliegenden, stützenden Trägers und denen der aktiven Schicht zusammenpassen. Ein geeignetes Verfahren, dies zu erreichen, ist die Abscheidung der Materialien auf dem Substrat aus der Dampfphase. Dabei schlagen sich heiße Gase, die über den Träger strömen, darauf nieder und bilden eine dünne Schicht. Auf diese Weise werden heute qualitativ hochwertige und auch blau leuchtende LEDs produziert.
Mitte der neunziger Jahre fand ein Team von Hewlett-Packard einen Weg, die Helligkeit durch eine andere Formgebung zu erhöhen. Die Forscher entfernten den ursprünglichen Gallium-Arsenid-Wafer, auf dem die aktive Schicht gewachsen war, ersetzten ihn durch ein durchsichtiges Gallium-Phosphid-Substrat und gaben der LED die Form einer umgedrehten Pyramide. So minimierten sie interne Reflexionen, erhöhten also die Lichtmenge, die aus dem Chip austreten kann.
Dank dieser Verbesserungen gibt es auch schon kostengünstige weiß leuchtende Dioden, zwar mit geringer Leistung, doch einem Wirkungsgrad, der ein wenig besser als der einer Glühbirne ist.
Es gibt im Wesentlichen zwei Arten, weißes Licht durch Leuchtdioden zu erzeugen. Die eine ist, das Licht einer roten, einer grünen und einer blauen zu kombinieren, wie es das Additionsprinzip der Farbtheorie festlegt. Als problematisch erweist sich jedoch, die Farben mit hoher Effizienz und Gleichmäßigkeit zu mischen und zu kontrollieren.
Als zweite Möglichkeit kann das Licht einer Leuchtdiode Phosphor anregen. Man packt zum Beispiel Phosphor um eine blaue LED. Wenn ein Photon die Ummantelung trifft, wird der Phosphor angeregt und strahlt gelbes Licht aus, das sich mit dem blauen Licht vermischt und so weißes ergibt. Alternativ dazu kann man eine ultraviolett emittierende LED verwenden, die eine Mischung aus rotem, grünem und blauem Phosphor anregt ? wieder ist das Ergebnis weißes Licht. Dieser Prozess ähnelt dem in einer Leuchtstoffröhre. Er ist einfacher, als drei Farben zu mischen, aber natürlich auch weniger effizient: Ultraviolettes Licht enthält mehr Energie als grünes oder rotes, außerdem geht Licht durch Streuung und Absorption im Phosphormantel verloren. Die Fertigung solcher Komponenten ist aber derzeit noch zu teuer: Die billigste kommerzielle weiße LED kostet heute ungefähr eine Mark pro Lumen.
Eine Gruppe um Julie Thompson von der Universität Lecce in Italien hat jüngst einen dritten Weg entdeckt, Weiß hervorzubringen. Sie bestrahlten eine Kombination von zwei eigentlich blau strahlenden organischen Molekülen mit einem ultravioletten Laser. Das Erstaunliche: Zusammen schimmerten beide weiß. Die Wissenschaftler vermuten als Grund die Bildung so genannter Exciplexe: Die eine Molekülart gibt ein angeregtes Elektron an eine andere Molekülart niedrigeren Energiezustandes ab. Erst von dort fällt das Elektron auf den Grundzustand des ersten Moleküls zurück. Es nimmt also einen Umweg, wobei beim zweiten Teilstück weniger Energie frei wird, als das beim direkten Weg der Fall wäre. Die Frequenz des emittierten Photons ist daher zum Roten hin verschoben, und es kann sich mit energiereicheren blauen Quanten zu Weiß mischen. Weil die beiden lichtaktiven Moleküle in einer Schicht gleichzeitig aufgebracht werden, wäre eine so hergestellte Leuchtdiode billiger als Dioden mit Fluoreszenzschicht. Allerdings müssen die Forscher erst noch einen Weg finden, die Anregung per Laser durch elektrische Stimulation zu ersetzen.
Immerhin: Innenarchitekten nutzen bereits flächige Anordnungen von LEDs, um das Spektrum der Raumbeleuchtung genau einzustellen ? wenn es der Auftraggeber zahlt. Zum Beispiel wirkt weißes Licht mit höherem Blau-Anteil kühler, mehr Rot lässt es wärmer erscheinen. Das Metropolitan Museum of Art in New York illuminierte 1999 mit diesen Mitteln die Kostüme des Beatles-Films "Sergeant Pepper". Da LED-Licht kalt ist, bestand keine Gefahr, die kostbaren Objekte zu schädigen. Fotografen werden solche künstlichen Lichtquellen begrüßen, können sie doch dann auf Filter oder besonders beschichtete Filme verzichten. Auch die Krebstherapie könnte profitieren: Bei der so genannten fotodynamischen Behandlung erhalten die Patienten spezielle Medikamente, die vor allem von Tumorzellen aufgenommen werden, und die, nachdem sie Photonen bestimmter Wellenlänge eingefangen haben, diese Zellen schädigen. Mit LEDs ließe sich das präziser steuern.
Leistungsstärkere LEDs für die Raumbeleuchtung sind Gegenstand intensiver Forschung. Gelingt es, ihre Kosten so weit zu senken, dass sie für den Massenmarkt attraktiv werden, dürften die zerbrechlichen, kurzlebigen und ineffektiven Glühbirnen kaum noch Chancen haben. Die Verbraucher profitierten direkt durch Einsparungen und indirekt natürlich durch die Entlastung der Umwelt. Insbesondere der Energiegroßverbraucher USA könnte sein Stromaufkommen drastisch verringern: Bei einem Anteil der Raumbeleuchtung von zwanzig bis dreißig Prozent am Stromverbrauch würden weiße LEDs ? sofern sie einen Wirkungsgrad wie heutige rote erreichen ? den alljährlichen Kohlendioxid-Ausstoß amerikanischer Kraftwerke um 300 Millionen Tonnen verringern.
Auf das Unternehmen, das als Erstes preisgünstige weiße LEDs anbieten kann, wartet ein Weltmarkt von etwa zwölf Milliarden US-Dollar. Dementsprechend investieren die großen Firmen auf dem Leuchtmittelmarkt ? Philips, Osram und General Electric ? viel Geld in die Leuchtdiodenforschung und -entwicklung, und ständig werden neue Unternehmen gegründet. Aber es wird noch zehn bis zwanzig Jahre dauern, bis LEDs im großen Stil herkömmliche Beleuchtung werden verdrängen können.
Literaturhinweise
Halbleiter-Optoelektronik. Von Wolfgang Bludau. Hanser Fachbuchverlag, 1995.
Nonclassical Light from Semiconductor Laser and LED. Von J. Kim et al. Springer, 2001.
LEDs light the Future. Von Neil Savage in: Technology Review, Bd. 103, Nr. 5, S. 38, September/Oktober 2000.
Replacing the Light Bulb. Von Charles T. Whipple in: Photonics Spectra, Bd. 33, Nr. 12, S. 104, Dezember 1999.
Glossar
Wie viel Energiezufuhr ein Halbleiterkristall benötigt, um Strom zu leiten, lässt sich durch Fremdatome mit überzähligen Ladungsträgern einstellen. Als Beispiel dient das Silizium, ein Element der Gruppe IV des Periodensystems. Es besitzt vier Bindungselektronen, im Kristall teilt es sie mit seinen Nachbarn. Bringt man nun ein Atom der Gruppe III in den Kristall, beispielsweise Bor, fehlt lokal ein Elektron für die Bindung mit dem Silizium ? es ist ein Loch entstanden (p-Dotierung). Hingegen tragen Elemente der Gruppe V des Periodensystems, wie Phosphor, ein Elektron zu viel und erzeugen somit Elektronenüberschuss (n-Dotierung).
Diode
Kommen ein n- und ein p-dotierterHalbleiter in Kontakt, diffundieren die jeweiligen Ladungsträger aufgrund des Konzentrationsgefälles in die Grenzschicht und rekombinieren. Zurück bleiben geladene Gitteratome, sodass sich eine elektrische Spannung ausbildet, die weitere Diffusion stoppt. Eine äußere, entgegengesetzte Spannung kann sie aufheben und neue Ladungsträger einspeisen (Durchlassrichtung).
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 2001, Seite 78
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