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Interview: Das All im Radioblick

Michael Kramer, Direktor MPIfR

Sterne und Weltraum: Herr Kramer, Sie untersuchen die fundamentalen Gesetze der Physik mit Hilfe von radioastronomischen Beobachtungen. Welche Fragen interessieren Sie dabei besonders?

Michael Kramer, Direktor MPIfR | Michael Kramer testet mit Radiobeobachtungen die allgemeine Relativitätstheorie. Dazu simuliert er auch die Eigenschaften von Pulsaren am Computer.
Michael Kramer: Mich interessiert es, das Universum als Labor zu verwenden, um insbesondere die allgemeine Relativitätstheorie zur Beschreibung der Gravitation unter immer neuen und extremeren Bedingungen zu testen. Aus vielen Gründen eignet sich die Radioastronomie ideal dazu.

An welchen Objekten konnten Sie bereits mit dem Radioteleskop Effelsberg die allgemeine Relativitätstheorie testen?

Das beste Beispiel ist vielleicht die Vorhersage, dass ein Kreisel, der sich um eine zentrale Masse bewegt, am Ende einer Umlaufbahn in eine etwas andere Richtung als am Anfang zeigt. Dieser Effekt rührt von der Raumkrümmung um Massen herum und wird geodätische Präzession genannt. Ein Radiopulsar, der sich um einen Begleiter bewegt, stellt einen solchen Kreisel dar. Beobachtungen mit dem Effelsberger Teleskop des berühmten Hulse-Taylor-Pulsars haben genau diesen Effekt zum ersten Mal im Weltraum nachgewiesen.

Es gibt Bestrebungen, die allgemeine Relativitätstheorie mit der Beobachtung von Pulsaren noch weiter zu überprüfen, etwa auf diese Weise Gravitationswellen aus dem kosmologischen Hintergrund aufzuspüren. Wie geht man dabei vor?

Wenn eine Gravitationswelle sich in der Nähe der Erde ausbreitet, dann hat diese Änderung der Raumzeit eine Auswirkung auf die gemessene Ankunftszeit der von Pulsaren ausgesendeten Signale. Da diese Änderung der Raumzeit entsprechend der Polarisationseigenschaften von Gravitationswellen systematisch von der Blickrichtung abhängt, verhalten sich die Ankunftszeiten von Pulsarsignalen aus verschiedenen Richtungen auch in systematischer Weise. Wenn man diesen Effekt misst, hat man Gravitationswellen detektiert. So versuchen wir, eine Anzahl von 20 bis 30 Pulsaren über einen längeren Zeitraum hinweg zu beobachten, um diese Variation in der Ankunftszeit der Radiopulse zu messen.

Gibt es hierzu internationale Kollaborationen?

Es gibt drei konkurrierende Kollaborationen: das nordamerikanische NanoGrav, das australische Parkes Pulsar Timing Array und das Europäische Pulsar Timing Array, das EPTA.

Ist Ihre Gruppe an einem dieser Projekte beteiligt?

Ja, wir sind führend bei EPTA dabei. Diese Kollaboration vereint die fünf größten Radioteleskope Europas in Deutschland, England, Frankreich, den Niederlanden und Italien, die sogar zu den besten der Welt gehören.

Woran arbeiten Sie dabei konkret?

Wir versuchen momentan, die Teleskope per Software zu einem 200-Meter-Teleskop als Large European Array for Pulsars zu kombinieren. Mit dem LEAP, das ich von Bonn aus leite, erhoffen wir uns, die Empfindlichkeit zu erreichen, die für eine Detektion in den nächsten Jahren notwendig ist. Gleichzeitig haben wir aber auch begriffen, dass eine Detektion leichter wird, wenn wir zusammenarbeiten und haben das International Pulsar Timing Array gegründet, bei dem alle gemeinsam an dem Ziel arbeiten.

Das 100-Meter-Radioteleskop in Effelsberg ist im Laufe der Jahre immer weiter verbessert worden und gilt auch heute noch als eines der leistungsfähigsten Instrumente weltweit. Gab es dort in der Vergangenheit technologische Entwicklungen, die auch für den Bau neuerer Radioteleskope von Bedeutung waren?

Hier ist das Prinzip der Homologie zu nennen. Vor dem Bau dieses Teleskops glaubte man nicht, dass es einfach wäre, eines größer als das 76-Meter-Teleskop in Jodrell Bank zu bauen.

... weil die Schwerkraft das Teleskop je nach Ausrichtung verformen würde?

Ja. Korrigiert man das nicht, ist es nicht im Fokus. In Jodrell Bank hat man deshalb versucht, das Teleskop so steif wie möglich zu bauen, so wurde es recht schwer. Für Effelsberg hat man erkannt, dass die Radioschüssel sich verformen darf, solange dies kontrolliert geschieht. Dadurch kann man den Fokus nachführen.

Und diese Technologie hat man dann auch bei anderen Radioteleskopen angewandt?

Alle anderen großen Observatorien wurden daher später in dieser Art gebaut. Heute werden alternativ bei manchen Teleskopen Paneele aktiv während der Messung verstellt, was allerdings nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich bringt.

Derzeit entsteht eine neue Generation von Radioteleskopen. Wie unterscheidet sich diese von der vorherigen?

Momentan findet eine Revolution statt! Durch die Möglichkeit, große Bandbreiten direkt zu digitalisieren und anschließend mit großer Computerleistung zu verarbeiten, lassen sich völlig neue Techniken anwenden. Wie bisher schalten wir viele kleinere Teleskope zusammen, um größere Empfangsflächen zu erzeugen. Wir machen dies aber nicht nur mit Schüsseln, sondern auch mit Antennen, die sich den ganzen Himmel gleichzeitig anschauen. Die heutigen Empfänger decken außerdem einen großen Bereich des Radiospektrums gleichzeitig ab. Und mit entsprechender Computerleistung lernen wir gerade, wie sich Störsignale von den astronomischen Signalen trennen lassen.

Gibt es auch für Schüsseln Möglichkeiten, um den beobachteten Himmelsausschnitt noch zu vergrößern?

Dazu setzen wir Radiokameras ein, die das Gesichtsfeld des Teleskops etwa um das 100-Fache vergrößern.

Vor wenigen Monaten ist die Standortentscheidung für das Square Kilometer Array, das SKA, gefallen. Es wird sich auf Südafrika und Australien verteilen. Wann soll mit dem Bau dazu begonnen werden, und ab wann ist mit ersten wissenschaftlichen Beobachtungen zu rechnen?

Der Bau soll 2016 beginnen und ein Zehntel des Teleskops soll 2019 bereit sein und erste Ergebnisse liefern. Der Rest des SKA soll dann bis 2025 fertiggestellt sein. Die ersten Teile des Observatoriums sind mit den australischen und südafrikanischen Vorgänger-Teleskopen tatsächlich schon im Bau.

Kann das SKA noch in neue Frequenzbereiche vorstoßen? Bei welcher Empfindlichkeit und welcher Auflösung wird es arbeiten?

Die Frequenzbereiche werden nicht viel anders sein als bisher, sondern das gesamte klassische Spektrum von 10 Megahertz bis rund 10 Gigahertz abdecken. Auch die heutige Auflösung ist schon die beste, die in der gesamten Astronomie erreicht wird, und wir können diese nicht mehr verbessern. Aber das Teleskop wird 100-mal empfindlicher sein als Effelsberg – eine enorme Zahl. Die Survey-Geschwindigkeit wird sogar zehntausend bis eine Million mal schneller sein als bei bereits existierenden Teleskopen, so dass das SKA eine Entdeckungsmaschine sein wird.

Wie weit werden wir damit in die kosmische Vergangenheit blicken können?

Das Teleskop wird bis zum Rande des beobachtbaren Universums vordringen. Es wird sehen können, wie die ersten Sterne, Galaxien und Schwarzen Löcher entstehen und wie das nach dem Urknall abgekühlte Universum wieder von Licht und Wärme erfüllt wird.

Welche wissenschaftlichen Ziele haben sich die Astrophysiker mit dem SKA gesetzt?

Es gibt fünf Schlüsselprojekte, in deren Mittelpunkt neben der Reionisierung des Universums auch die Fragen nach der Natur von Dunkler Materie und Dunkler Energie stehen. Wir wollen außerdem verstehen, wie und wann der Magnetismus in das Universum kam, das Entstehen von Planetenscheiben beobachten und nach biologisch relevanten Molekülen oder gar nach Signalen außerirdischer Intelligenzen suchen. Natürlich interessiert uns auch die Frage, ob die allgemeine Relativitätstheorie die letzte Antwort in unserem Verständnis der Schwerkraft ist.

Gibt es ein Gebiet, das Sie davon persönlich ganz besonders spannend und zukunftsweisend finden?

Meine Arbeitsgruppe leitet das Key Science Projekt zur Gravitation. Wir wollen das SKA dazu verwenden, um Gravitationswellen zu studieren. Wir werden Pulsare finden, die Schwarze Löcher umkreisen und somit deren bizarre Eigenschaften mit hoher Präzision ausmessen.

Ist zu erwarten, dass Deutschland das SKA finanziell unterstützen wird?

Frau Ministerin Schavan hat angekündigt, dass Deutschland der SKA-Organisation beitritt. Damit ist eine gewisse finanzielle Beteiligung vorgesehen. Diese geht momentan jedoch nicht über den Mitgliedsbeitrag während der Vorbereitungsphase hinaus und ist damit recht bescheiden, aber ich hoffe, dass bei einem Projekt dieser Größe und Bedeutung Deutschland am Ende nicht fehlen kann. Dafür ist das Interesse in Deutschland auch zu groß.

Wie und wann sind Sie als junger Mensch überhaupt auf die Idee gekommen, Astrophysiker zu werden?

Ich hatte einen hervorragenden Physiklehrer. Er hat das gesamte Curriculum unter dem Aspekt Astrophysik behandelt. Da war mir klar, dass ich die Physik der Sterne verstehen wollte. Und dabei ist es geblieben.

Wie beurteilen Sie die Chancen für junge Nachwuchswissenschaftler in der Astrophysik in der nahen Zukunft?

Am Ende muss man das studieren und forschen, was einem Spaß macht. Nur dann ist man wirklich gut. Die Chancen sind vielleicht nicht immer rosig, aber wenn man flexibel ist, und nicht versucht, die Karriere bis ins Letzte zu planen, dann soll man sich nicht von Zyklen auf dem Arbeitsmarkt abschrecken lassen. Ich wollte nie Professor werden und habe ganz und gar nicht daran gedacht, Direktor an einem Max-Planck-Institut zu werden. Dass beides passiert ist, freut mich natürlich sehr, aber ein Plan war das sicherlich nicht. Ich habe halt viel Spaß an Pulsaren, und ich hoffe, das sieht man auch in meiner Wissenschaft.

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