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Das Feingefüge von Holz


Holz, das dauerhafte Gewebe in Stämmen, Ästen und Wurzeln der Holzgewächse, wird von der Kambium genannten dünnen Schicht Teilungsgewebe unterhalb der Rinde nach innen gebildet. Seinen makroskopischen Aufbau erkennt man an jedem Baumstumpf: Um das Mark herum sind Ringe angelegt, weil das Dickenwachstum in gemäßigten Klimazonen mit Wärme und Feuchtigkeit jahreszeitlich variiert (in den Tropen und Subtropen entstehen Zuwachszonen gemäß dem Wechsel von Regen- und Trockenperioden und anderen Faktoren).

In Bäumen bildet sich mit zunehmendem Alter ein Stabilität gebender Kern aus toten Zellen, während lebendes Gewebe zur Speicherung von Reservestoffen und zur Wasserleitung – das Splintholz – außen liegt (Bild 1). Das häufig dunklere Kernholz etwa von Kiefern, Lärchen, Eichen und Ulmen ist durch eingelagerte anorganische und organische Substanzen wie Kieselsäure und Gerbstoffe widerstandsfähiger, das meist helle Splintholz dagegen anfälliger gegen den Abbau durch Mikroorganismen und Insekten. Manche Hölzer – wie Weißtanne, Fichte und Buche – bilden keinen Farbkern. Ihr Gewebe ist über den gesamten Stammquerschnitt ähnlich anfällig gegen holzabbauende Organismen wie der Splint der Farbhölzer. Linden und andere Bäume schließlich erzeugen ausschließlich Splintholz.

Bei der Holzbildung stehen dem Kambium Sonnenenergie und Grundstoffe nur begrenzt zur Verfügung. Die physiologische und biomechanische Funktionstüchtigkeit muß es deshalb mit geringstem Materialeinsatz, quasi in Leichtbauweise, erreichen. Weil die Pflanze ihr zelluläres Gewebe lediglich aus Kohlendioxid und Wasser beziehungsweise den drei leichten Elementen Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff herstellt, müssen auch die photosynthetische Verarbeitung zu polymeren Holzbausteinen sowie die Anordnung dieser Bausteine optimal sein. Dies ist offensichtlich der Fall, sonst würden Bäume nicht so erfolgreich bestehen und Wälder sich nicht in vielen geographischen und klimatischen Regionen sogar als dominante Vegetationsform durchgesetzt haben.


Zelluläre Bausteine der Holzstruktur

Seinem mikroskopischen Aufbau verdankt der Bau- und Werkstoff Holz Festigkeit und Elastizität. Er besteht aus verschiedenen Zelltypen, wobei Nadelbäume durchweg einfacher als Laubbäume strukturiert sind: Bei ihnen machen die langgestreckten, Tracheiden genannten toten Zellen den Großteil des Holzes aus. Sie haben Hohlräume, die über Tüpfel – das sind Membranventile in den Querwänden – zu Wasserleitsystemen verbunden sind. Kapillarkräfte befördern darin die Flüssigkeit gegen die Schwerkraft von den Wurzeln in die äußersten Blattspitzen; dabei verhindern die Tüpfel einen Rückfluß.

Die durchschnittlich drei bis fünf Millimeter langen und 40 bis 60 Mikrometer (tausendstel Millimeter) dicken Tracheiden bilden auch die hauptsächlichen Stützelemente der Nadelbäume. Parallel zum Stamm angeordnet, geben sie dem Holz Festigkeit und Steifigkeit gegen Zug und Druck – in der Natur üben Wind und Eigengewicht dauernd eine Biegekraft aus.

Lebendes Grundgewebe – sogenannte Parenchymzellen – gibt es bei diesen Bäumen außer im Splintbereich nur als Auskleidung von Harzkanälen sowie in den Holzstrahlen, die radial von der Rinde teils bis ins Mark verlaufen und dem Speichern und Transportieren von Wasser, Stärke und Fett in dieser Querrichtung dienen. Bei den entwicklungsgeschichtlich jüngeren und stärker differenzierten Laubbäumen sorgen Gefäße genannte Zellen, deren Querwände weitgehend aufgelöst sind, für den Wasser- und Nährstofftransport; Holzfaserzellen mit verdickten Wänden geben diesen Pflanzen ihre Festigkeit.


Die Zellwand

Chemische Zusammensetzung und morphologischer Aufbau der Zellwand sind entscheidend für die meisten Eigenschaften des Holzes und damit auch für seine Verwendung als Bau- und Werkstoff. Ihre Anatomie wird in einem langfristigen, 1993 begonnenen Forschungsprojekt der Holzabteilung an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) in Dübendorf bei Zürich eingehend untersucht. Dabei wollen wir und unsere Kollegen in anderen Ländern das Gefüge im Nanometerbereich genauer aufklären, so daß wichtige Funktionsmerkmale wie das Bruchverhalten besser verständlich werden. Außerdem sollten sich dann auch Ansätze für die Bionik ableiten lassen: Die Bauprinzipien der verholzten Zellwand, die von der Natur in 200 bis 300 Millionen Jahren optimiert worden sind, könnten unseres Erachtens Materialwissenschaftlern und Ingenieuren als Vorbilder für neue Werkstoffe und Konstruktionsteile dienen.

Verholzte Zellwände sind aus Schichten aufgebaut, wobei die sogenannte Sekundärwand das tragende Grundgerüst stellt. Deren ebenfalls mehrere Schichten bestehen aus Fibrillen, sehr dünnen, faserigen Strängen aus Cellulose, eingebettet in eine Matrix aus Lignin.

In einem Cellulosemolekül sind jeweils 500 bis 5000 unverzweigte Glucose-Grundeinheiten miteinander verkettet. Diese Substanz macht je nach Baumart 40 bis 50 Prozent der Holzmasse aus; sie ist das nach Menge bedeutendste Bioprodukt – die Pflanzen synthetisieren jährlich rund zehn Billionen Tonnen davon. Wasserstoffbrücken versteifen dieses wasserunlösliche Polysaccharid, wodurch die parallele Anordnung von 50 bis 100 solcher Moleküle möglich wird. Eine solche zumindest abschnittsweise regelmäßige Struktur bezeichnet man auch als teilkristallin. Derartig geordnete Strukturen sind sehr fest.

Der Durchmesser der Fibrillen reicht von 10 bis 100 Nanometer (millionstel Millimeter). Sie verlaufen in den Wandschichten unter verschiedenen Winkeln zur Längsachse der Zelle meist spiralig und geben deshalb vor allem Zugfestigkeit in Stammrichtung. Hingegen wirkt das amorphe Lignin, das 25 bis 30 Prozent der Holzmasse ausmacht, vor allem druckaussteifend: Dieses hochmolekulare dreidimensionale Netzwerk aus Phenylpropan-Einheiten füllt als Stützbaustoff die Hohlräume zwischen den Fibrillen aus. Hemicellulose, ein Gemisch aus unterschiedlich verzweigten Polysacchariden mit annähernd demselben Massenanteil wie Lignin, umhüllt die Fibrillen und verklebt beziehungsweise vernetzt Cellulose und Lignin.

Die Zellwand läßt sich somit als Laminat aus mehreren Schichten von Cellulosefibrillen in einer Ligninmatrix vorstellen, wobei Hemicellulose als ein Bindemittel wirkt. In der Betrachtungsweise von Material- und Werkstoffwissenschaftlern entspricht dies einem copolymeren Kompositmaterial.

Neuere Untersuchungen

Eine der Vorstellungen über die Struktur der Zellwände ist wohl zu korrigieren. Im wesentlichen aufgrund elektronenmikroskopischer Untersuchungen an aufwendig präparierten Ultradünnschnitten hat man bisher angenommen, daß sie aus konzentrisch angeordneten Schichten bestehen, in denen die Cellulosefibrillen unterschiedlich verlaufen: in der bei weitem dicksten Schicht (S2) spiralig mit geringer Neigung zur Längsachse der Zelle, in der dünnen Außen- (S1) und der Innenschicht (S3) hingegen fast senkrecht dazu, also konzentrisch über den Umfang der Zelle.

Wir untersuchten die S2-Schicht, die wegen ihrer Dicke für Festigkeit und Steifigkeit besonders wichtig ist, an Bruchstrukturen. Seit 1993 nutzen wir dazu ein hochauflösendes Rasterelektronenmikroskop, bei dem der Primärelektronenbeschuß des Präparats mit einer Feldemissionskathode erzeugt wird. Das erlaubt Auflösungen von wenigen Nanometern. Zudem gelingt dies bei niedrigen Beschleunigungsspannungen der Elektronenquelle, was die Abbildungsqualität auch bei zerklüfteten und elektrisch nichtleitenden Materialien wie Holz verbessert.

So konnten wir Zellwandschichten – besonders auf Querbruchflächen von zugbeanspruchtem Nadelholz – sehr gut unterscheiden. Dabei ließen sich in der S2 praktisch nie konzentrische Lamellen erkennen, sondern fast ausschließlich Strukturen, die mehr oder minder senkrecht zu den anderen Wandschichten verlaufen (Bild 1). Sie entstehen, weil die Fibrillen der S2 in radialer Richtung dichter gepackt sind und auch besser aneinander haften als in tangentialer. Folglich müßte auch die Ligninmatrix gewisse radiale Orientierungen über den Zellwandquerschnitt aufweisen – das haben mittlerweile weitere Untersuchungen bestätigt.

Somit ergibt sich ein sandwichähnlicher Querschnitt der Doppelwand zweier angrenzender Zellen (Bild 2). Dieser Aufbau erhöht Steifigkeit und Beulsicherheit des Gewebes und damit die Stabilität des Holzes bei Längsdruckbeanspruchung insgesamt. Ähnliche radiale Strukturen haben wir auch bei Laubholzzellen etwa von Eiche und Buche gefunden.

Das Feingefüge von Holz ist also perfekt an die Beanspruchungen des Baumes angepaßt (Bild 3). Er muß bei unaufhörlich wechselnden Lasten seine Standsicherheit meist weit länger als 100 Jahre behalten (Bild 4), obwohl sein Holz – gerade im Splint-Bereich – stets sehr feucht ist, was die Steifigkeit schwächt. Diese äußere Stammzone ist zudem noch, wenn sich der Baum biegt, auf der konkaven Seite vor allem durch das Gewicht der Krone stark beansprucht. Die Kenntnis der das Holz aufbauenden Strukturen bis in kleinste Dimensionen macht Bruchverhalten und Verformung dieses Materials und daraus hergestellten Werkstoffen sowie den Einfluß von Temperatur und Feuchtigkeit besser verständlich.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1997, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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