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Imaginäre Gefährten: Der Begleiter, den ich rief

Etwa jedes dritte Kind pflegt zeitweise eine Freundschaft, die nur in der Fantasie existiert. Anlass zur Sorge ist das aber nicht, erklärt die Entwicklungspsychologin Inge Seiffge-Krenke von der Universität Mainz. Im Gegenteil: Die erfundenen Gefährten zeugen von Kreativität und helfen ihren Erfindern dabei, schwierige Lebensphasen besser zu bewältigen.
Unsichtbare Bande
Sich mit unsichtbaren Personen zu unterhalten, ist in Zeiten des World Wide Web eigentlich nichts Ungewöhnliches mehr: Wir tummeln uns in Internetchats und Blogs und tauschen dort mit virtuellen Freunden allerlei Vertraulichkeiten aus. Was aber, wenn sich ein Kind einen Fantasiefreund sucht – mit ihm spielt und spricht, ja sogar wie mit einem realen Familienmitglied zusammenlebt? Dieses Phänomen, das besonders bei Drei- bis Siebenjährigen auftritt, ist gar nicht so selten.
Erfahren die Eltern von dem "imaginären Gefährten", wie Psychologen die unsichtbaren Begleiter nennen, reagieren sie meist besorgt. So schreibt eine Mutter in einem Onlineforum:
"Unser fünfjähriger Sohn spricht seit drei Tagen von 'seiner Freundin Pia'. Sie existiert nur in seiner Fantasie, scheint für ihn aber absolut echt zu sein. Er benimmt sich so, als ob er sie sehen könnte! Mit seiner drei Jahre älteren Schwester haben wir solche Erfahrungen nicht gemacht. Die Freundschaft mit 'Pia' scheint unserem Sohn zwar gutzutun, aber wir machen uns trotzdem Sorgen. Sollen wir ihm die Vorstellung lassen oder versuchen, sie ihm auszureden?"
Verunsicherte Eltern können aufatmen, denn sämtliche Forschungsarbeiten, die das Phänomen untersuchten, kommen zu demselben Ergebnis ...

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  • Quellen
Finkelhor, D.:The Victimization of Children: A Developmental Perspective. In: American Journal of Orthopsychiatry 65(2), S. 177-193, 1995.

Harris, P. L.: Monsters, Ghosts, and Witches: Testing the Limits of the Fantasy-reality Distinction in Young Children. Third European Conference of Developmental Psychology, Budapest, 15-19.6.1988.

Lax, R. F.: An Imaginary Brother: His Role in the Formation of a Girl's Self Image and Ego Ideal. In: The Psychoanalytic Study of the Child 45, S. 257-272, 1990.

Piaget, J.: Play, Dreams and Imitation in Childhood. Norton, New York 1951.

Seiffge-Krenke, I.: Ein sehr spezieller Freund: Der imaginäre Gefährte. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 49, S. 689-702, 2000.

Seiffge-Krenke, I.: "Liebe Kitty, du hast mich gefragt...": Phantasiegefährten und reale Freundschaftsbeziehungen im Jugendalter. In: Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 50, S. 1-15, 2001.

Seiffge-Krenke, I.: Psychotherapie und Entwicklungspsychologie. Springer, Heidelberg 2008.

Svendsen, M.: Children's Imaginary Companions. In: Archives of Neurology and Psychiatry 2, S. 985-999, 1934.

Taylor, M.: Imaginary Companions and the Children who Create them. Oxford university Press, New York 1999.

Taylor, M. et al.:The Characteristics and Correlates of Fantasy in School-Age Children: Imaginary Companions, Impersonation, and Social Understanding. In: Developmental Psychology 40(6), S. 1173-1187, 2004.

Vostrovsky, C.: A Study of Imaginary Companions. In: Education 15, S. 383-398, 1895.

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