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Erdmagnetfeld: Der Geodynamo im Labor

Aufwendige Experimente erbrachten den Nachweis: Rotierende, elektrisch leitende Flüssigkeiten können ein stabiles Magnetfeld erzeugen. Zugleich gelang es damit, die Entstehung des Erdmagnetfelds im Labor zu simulieren.


Bereits den alten Kulturvölkern in China und Mexiko waren die magnetischen Kraftwirkungen des Magneteisensteins bekannt. Die Chinesen waren vermutlich die Ersten, welche die Nord-Süd-Ausrichtung einer Magnetnadel für die Navigation nutzten. Im Mittelalter setzten auch europäische Seefahrer solche Magnetkompasse ein. Der englische Arzt und Naturforscher William Gilbert (1544-1603) fasste in seinem 1600 veröffentlichten Buch "De Magnete" erstmals systematisch die Erkenntnisse über Magnetismus und das Erdmagnetfeld zusammen. Aus eigenen Experimenten und aus Vermessungen des irdischen Feldes mit Schiffen der englischen Flotte schloss er, dass sich die Erde wie ein Permanentmagnet verhält, dessen Pole sich in der Nähe des geographischen Nord- und Südpols befinden.

An der Oberfläche der Erde ist das geomagnetische Feld nur etwa ein Zehntausendstel so stark wie ein handelsüblicher Permanentmagnet. Aus regelmäßigen Beobachtungen in den letzten 150 Jahren weiß man, dass das Erdmagnetfeld zeitlich und räumlich variiert. So hat sich der magnetische Nordpol seit 1831 – dem Zeitpunkt seiner ersten Lagebestimmung durch eine britische Polarexpedition – um mehrere hundert Kilometer nach Nordwesten verschoben. Auch die lokale Stärke des Magnetfeldes an der Erdoberfläche ist messbaren Schwankungen unterworfen; Variationen treten in weiten Zeitskalen von wenigen Sekunden bis zu Jahrmillionen auf. Die Geophysiker wissen heute, dass die kurzzeitigen Fluktuationen durch äußere Einwirkungen aus der Ionosphäre verursacht werden, während die langfristigen Schwankungen mit Prozessen im Erdinneren in Zusammenhang stehen.

In den langfristigen Änderungen – den so genannten Säkularvariationen – sind zwei Trends erkennbar. Zum einen verschiebt sich das Magnetfeldmuster an der Erdoberfläche pro Jahr um etwa 0,2 Grad westwärts. Zum anderen nimmt die Stärke des Erdmagnetfeldes jährlich um 0,07 Prozent ab. Hält diese Abnahme an, so wird das Magnetfeld in rund 4000 Jahren verschwunden sein. Aus Gesteinsproben mit magnetisierten Einschlüssen können die Wissenschaftler schließen, dass die Erde seit rund 3,5 Milliarden Jahren ein Magnetfeld aufweist, und dass sich dieses mehrere hundert Mal umgepolt hat. Dies ist im Mittel etwa alle 500000 Jahre geschehen, wobei sich die Umpolung relativ rasch in Zeiträumen von wenigen tausend Jahren vollzogen hat (vergleiche "Umkehr des Erdmagnetfeldes: Aufschluss über den Geodynamo", Spektrum der Wissenschaft 7/1988, S. 84).

Noch im 19. Jahrhundert nahmen einige Wissenschaftler an, dass das Erd-magnetfeld von einem ferritischen Permanentmagneten im Erdinnern herrühre. Seismische und andere geophysikalische Messungen an der Erdoberfläche haben jedoch ergeben, dass die Temperaturen im Erdinneren weit höher sind als die Obergrenze von etwa 800 Grad Celsius, bis zu der Ferromagnetismus auftreten kann. Ein ferritischer Permanentmagnet ist somit als Ursache für das Erdmagnetfeld auszuschließen.

Könnte die Erde vielleicht bei ihrer Entstehung ein externes Magnetfeld in ihre Materie gleichsam eingefroren haben? Solche Felder würden nach den Gesetzen der Elektrodynamik langsam zerfallen. Für die Erde wäre das bereits nach rund 10000 Jahren der Fall. Weil das irdische Magnetfeld aber nachweislich seit mehr als drei Milliarden Jahren besteht, erhebt sich die Frage, durch welchen Mechanismus im Erdinnern es aufrechterhalten wird und was seine zeitlichen und räumlichen Veränderungen bewirkt.

Joseph Larmor (1857-1942), Physikprofessor an der Universität Cambridge (England), gab 1919 einen ersten Hinweis auf des Rätsels Lösung. Er vermutete, die an der Sonnenoberfläche beobachteten Magnetfelder würden durch die Strömung elektrisch leitender Materie im Inneren des rotierenden Sonnenkörpers erzeugt. Er führte das solare Magnetfeld somit auf einen Dynamo-Effekt zurück. Der amerikanische Physiker Walter M. Elsasser und der britische Geophysiker Edward C. Bullard haben diese Idee vor fünfzig Jahren aufgegriffen und auf die irdischen Verhältnisse übertragen. Ein Dynamo im Erdinneren wird naturgemäß nicht die Struktur eines Fahrraddynamos oder von Stromgeneratoren in Kraftwerken haben können. In solchen technischen Geräten dreht sich eine komplizierte Anordnung von Leiterspulen und ferritischem Material, genannt Rotor, relativ zu einer ähnlichen, aber ruhenden Stator-Anordnung und induziert in dieser einen Strom. Im Erdinneren kommt stattdessen eine metallische Schmelze in Frage, die leicht strömt und ein guter elektrischer Leiter ist. In Verbindung mit der Erdrotation könnte diese Schmelze als bewegter Leiter eines Dynamos fungieren, der ein vorhandenes Magnetfeld verstärkt und auf Dauer aufrechterhält (vergleiche "Die Entwicklung des Erdmagnetfeldes", Spektrum der Wissenschaft 2/1990, S. 52).

Das Verhalten von elektrischen Strömen und Magnetfeldern in bewegten elektrischen Leitern – gleich, ob in Drähten oder in metallischen Schmelzen – wird durch drei Grundgesetze der Elektrodynamik bestimmt:

- Jeder elektrische Stromleiter ist von magnetischen Feldlinien umschlossen;

- in Leitern, die quer zu Magnetfeldlinien bewegt werden, wird eine elektrische Spannung induziert und es fließt ein elektrischer Strom;

- in elektrisch gut leitenden Flüssigkeiten wie etwa metallischen Schmelzen sind die Magnetfeldlinien quasi in der Materie eingefroren und bewegen sich wie elastische Bänder mit dieser mit.

Insbesondere können die Feldlinien durch die Strömung gestreckt, gedreht oder gefaltet werden. Dabei wird durch die Streckung am Magnetfeld mechanische Arbeit geleistet und die magnetische Feldenergie zu Lasten der Bewegungsenergie der Strömung verstärkt. Die Fachwissenschaftler bezeichnen diesen Prozess als Alpha-Effekt.

Ein weiterer geophysikalisch relevanter Mechanismus, der ein schwaches Magnetfeld verstärken kann, beruht auf einer Aufspulung von Magnetfeldlinien, wenn ein Strömungswirbel Scherkräften ausgesetzt ist. Experimentell lässt sich eine solche Strömung erzeugen, wenn man eine Flüssigkeit zwischen zwei konzentrische Kugelschalen füllt, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit drehen. Dieser Vorgang heißt Omega-Effekt. Wird ihm ein Alpha-Prozess nachgeschaltet, etwa durch Erzeugen einer zusätzlichen Wirbelbewegung innerhalb der Spaltströmung, so wird der Selbstverstärkungszyklus geschlossen. Die Physiker sprechen in diesem Zusammenhang von einem Alpha-Omega-Dynamo.

Im schmelzflüssigen Kern der Erde sind vermutlich beide Mechanismen wirksam (vergleiche "Wie entsteht das Magnetfeld der Erde?", Spektrum der Wissenschaft, 4/1979, S. 41). Die hier vorgestellten kinematischen Dynamomechanismen sind indes noch zu einfach, um alle beobachteten Eigenschaften des Erdmagnetfeldes beschreiben zu können. Es müssen vielmehr auch die thermodynamischen Prozesse in einer strömenden Schmelze berücksichtigt werden.

Wenngleich direkte Messungen nur in der Erdkruste bis zu wenigen Kilometern Tiefe möglich sind, haben die Geophysiker doch ziemlich detaillierte Vorstellungen über den Aufbau unseres Planeten gewinnen können. Zu diesem Gesamtbild haben genaue Analysen von Erdbebenwellen, die durch das Erdinnere laufen, ebenso beigetragen wie allgemeine thermodynamische Abschätzungen. So lässt sich aus einer Wärmebilanz an der Erd-oberfläche und aus Dichteschichtungen im Erdinneren auf Druck und Temperatur im Erdkern schließen. Der Druck erreicht dort etwa 3,5 Milliarden Pascal, also das 3,5millionenfache des atmosphärischen Druckes auf Seehöhe (etwa 1000 Pascal), während die Temperatur Werte um 6300 Grad Celsius erreicht.

Der innere Teil des Kerns hat einen Radius von etwa 1200 Kilometern und besteht aus festem Eisen und Nickel. Er ist umhüllt von einer etwa 2700 Kilometer dicken Kernschale aus einer schmelzflüssigen metallischen Eisen-Legierung mit geringen Beimischungen aus Nickel, Schwefel, Silizium und Sauerstoff. Der metallische Aufbau des Kerns ist naturgemäß mit einer guten elektrischen und thermischen Leitfähigkeit verbunden. Um den Kern schließt sich der Erdmantel mit einer Gesamtschichtdicke von etwa 2900 Kilometern an, der sich im Wesentlichen aus Verbindungen der leichteren Elemente Silizium, Sauerstoff und Magnesium zusammensetzt. Die elektrische und die thermische Leitfähigkeit dieser Materialien ist gering. Der Erdmantel ist wiederum in mehrere zähflüssig bis plastisch-elastische Schichten unterschiedlicher Zusammensetzung untergliedert. Im Gegensatz zum "wasser"-flüssigen äußeren Kern hat der Erdmantel keine Bedeutung für den Dynamomechanismus. Mehr noch als diese statische Struktur der Erde sind vor allem Bewegungen im flüssigen Kern für den Dynamovorgang bedeutsam. Durch tiefenabhängige Unterschiede in der Temperatur und in der chemischen Zusammensetzung der Schmel-ze entstehen Dichtegradienten, die Auftriebsströmungen erzeugen. Angetrieben werden diese Konvektionsbewegungen vor allem durch die Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung, die permanent neu erzeugt werden, weil die schwereren Komponenten der Schmelze am äußeren Rand des festen Kerns ausfrieren. Dadurch reichern sich in einer benachbarten dünnen Schicht die leichteren Komponenten an, die dann im Schwerefeld aufzusteigen beginnen. Das Ausfrieren der metallischen Schmelze am festen inneren Kern wird durch eine andauernde Abkühlung unseres Planeten verursacht: Er strahlt an seiner Oberfläche pro Quadratmeter 0,08 Watt Wärme ab.

Ohne die Drehung der Erde würde der konvektive Wärme- und Stoffaustausch in der flüssigen Zone im Wesentlichen rein radial erfolgen, und zwar mit einer relativ geringen Geschwindigkeit von ungefähr einem Millimeter pro Sekunde. Wegen der schnellen Rotation unseres Planeten, die im flüssigen Kern eine mittlere Geschwindigkeit von etwa zehn bis dreißig Metern pro Sekunde bewirkt, entstehen jedoch starke Corioliskräfte, die senkrecht zur Auftriebsbewegung an der schmelzflüssigen Materie angreifen. Der Theoretiker Friedrich Busse von der Universität Bayreuth hat in den 1970er Jahren an der Universität von Kalifornien in Los Angeles gezeigt, dass sich dadurch geordnete Strömungsstrukturen in Form von Konvektionswalzen ausbilden, deren Achsen parallel zur Rotationsachse der Erde ausgerichtet sind.

Diese Konvektionswalzen bilden einen Ring um den festen Erdkern herum. Je nach Intensität der Dreh- und Konvektionsbewegung können sie auch in mehreren Schichten nebeneinander auftreten. Jede einzelne Konvektionswalze wird am unteren Rand des Erdmantels von einer "festen" Wand aus sehr zäh-plastischem Material begrenzt. Das Abbremsen der Konvektionsbewegung an dieser Grenze löst eine zum Walzenzentrum gerichtete Strömung aus. Dadurch entsteht eine in der Nähe der Walzenachse abwärts gerichtete Spiral-Strömung, die durch Abtriebskräfte noch verstärkt wird. Diese Vorgänge laufen auf der Süd- und Nordhalbkugel spiegelsymmetrisch ab. Insgesamt betrachtet sollte sich also im schmelzflüssigen, gut leitenden äußeren Erdkern eine verhältnismäßig wohl geordnete Verteilung von Strömungswirbeln mit einer schraubenförmigen Geschwindigkeitsstruktur einstellen.

Diese Modellvorstellungen vermochten Charles Carrigan und Friedrich Busse in Experimenten, die sie Ende der 1970er Jahre an der Universität von Kalifornien in Los Angeles durchführten, überzeugend zu bestätigen. Carrigan versetzte bei diesen Versuchen Flüssigkeit in einem kugelschalenförmigen Volumen in sehr schnelle Rotation (ungefähr 1000 Umdrehungen pro Minute). Durch Erwärmen der äußeren und Kühlen der inneren Fläche erzeugte er ein Temperaturgefälle, das eine thermische Konvektionsströmung auslöste. Parallel zur Rotationsachse der Flüssigkeit bildeten sich Wirbelwalzen aus.

Kann nun ein solches Wirbelsystem tatsächlich ein magnetisches Feld erzeugen und aufrechterhalten? Dieser Frage konnten die Wissenschaftler erst gezielt nachgehen, nachdem genügend Rechenleistung auf Großrechnern zur Verfügung stand. In den letzten zehn Jahren haben Forschergruppen in den USA, Japan, Deutschland und England versucht, die räumlichen magnetohydrodynamischen Vorgänge im Erdinneren numerisch zu berechnen und auf diese Weise den Geodynamo zu simulieren. Dabei konnten sie bemerkenswerte Erfolge in der Modellierung des komplexen Systems aus Strömungen, Rotationsbewegungen, elektrischen Strömen und Magnetfeldern erzielen. So haben sie den Dynamo-Effekt in vielen Einzelheiten für Strukturen rechnerisch beschrieben, deren Geometrie und materielle Zusammensetzung dem Aufbau der Erde entspricht.

Aber selbst heute reicht die Rechenkapazität der größten Computer noch nicht aus, um die realen Abläufe im Erdinneren auf den besonders interessierenden geophysikalischen Zeitskalen von Tagen bis zu etwa 10 Millionen Jahren und auf Längenskalen von 10 bis zu 3500 Kilometern zu simulieren. Dennoch gelang es, eine Vielzahl grundlegender geomagnetischer Erscheinungen und vermuteter interner Strömungsvorgänge überraschend gut durch numerische Rechnungen zu beschreiben. Gary Glatzmaier aus dem Nationallaboratorium in Los Alamos und Paul Roberts von der Universität von Kalifornien in Los Angeles stellten 1995 eine erste Simulation des dipolförmigen Magnetfeldes der Erde vor. Dabei haben sie auch die Umpolung und die Westwärtsdrift des Magnetfeldes erfasst.

Mehrere Forschungsgruppen in verschiedenen Ländern – darunter Friedrich Busse, Andreas Tilgner und Eike Grote von der Universität Bayreuth – versuchen die Wechselwirkung zwischen konvektiven Strömungsvorgängen in Kugelschalen und einem selbsterregten Magnetfeld möglichst detailliert zu berechnen. Zwei Phänomene stechen dabei hervor: Die Konvektionswalzen werden durch Corioliskräfte im Querschnitt spiralig abgeflacht, und die zonalen Magnetfeldlinien werden in mittleren Breiten unter der Transportwirkung der einzelnen Konvektionswirbel wellenartig verformt.

Theoretische Überlegungen haben gezeigt, dass ein experimenteller Nachweis des Geodynamos nur mit großem experimentellen Aufwand zu erreichen ist. Man muss dabei zudem verschiedene Abweichungen vom geophysikalischen Vorbild hinnehmen. Zum Beispiel sind die Auftriebskräfte im Erdinneren, welche die Konvektion antreiben, im Experiment durch Strömungspumpen oder Rührpropeller zu ersetzen. An die Stelle des realen geophysikalischen Dynamoproblems tritt auf diese Weise ein so genanntes kinematisches Dynamoproblem mit einer vorgegebenen wirbelbehafteten, räumlichen Strömung.

Das kinematische Problem kommt da-bei dem geodynamischen umso näher, je stärker das im Experiment vorgegebene Strömungsfeld demjenigen im flüssigen Erdkern ähnelt. Der Mindestaufwand für ein solches Experiment wird von der verfügbaren Versuchsflüssigkeit, ihren elektrischen, thermischen und fluidmechanischen Eigenschaften sowie den verfügbaren Pump- beziehungsweise Rührleistungen bestimmt. Die Abmessungen der Versuchsapparatur müssen dabei gewährleisten, dass die durch mechanische Streckung und Torsion der Magnetfeldlinien erzielte Vergrößerung der magnetischen Energie deren Vernichtung durch elektrische Ströme in den Ohmschen Widerständen der Materialien übertrifft.

Ein Maßstab dafür ist die so genannte magnetische Reynolds-Zahl. Diese dimensionslose Kennzahl ist das Produkt aus einer mittleren Strömungsgeschwindigkeit des flüssigen Leiters, einer typischen Größe des Strömungswirbels sowie zwei Materialeigenschaften, der elektrischen Leitfähigkeit und der magnetischen Permeabilität. Die magnetische Reynolds-Zahl beschreibt das Verhältnis der erzeugten zur verloren gehenden Energie des magnetischen Feldes. Für den eindeutigen Nachweis des Dynamo-Effektes im Experiment muss diese Kennzahl einen Wert deutlich größer als Eins annehmen. Um dies zu erreichen, wählt man eine metallische Flüssigkeit mit möglichst hoher elektrischer Leitfähigkeit, niedriger Viskosität und niedriger Schmelztemperatur. Diese Eigenschaften hat Natrium, das bei Temperaturen oberhalb 97 Grad Celsius flüssig ist. Es ergeben sich dann Mindestabmessungen für die Versuchsapparatur von einem bis zu mehreren Kubikmetern bei Strömungsgeschwindigkeiten von fünf bis zwanzig Metern pro Sekunde. Bisher haben zwei Arbeitsgruppen Versuche von dieser Größe erfolgreich durchgeführt: eine im Institut für Physik in Riga (Lettland) und die andere im Forschungszentrum Karlsruhe.

Die lettische Forschungsgruppe unter Leitung von Agris Gailitis hatte 1987 in einem ersten Experiment versucht, den Dynamo-Effekt an einem schraubenförmigen Einzelwirbel nachzuweisen, der von ruhendem flüssigen Natrium umgeben war. Ein solches Geschwindigkeitsfeld entspricht einem einzelnen Walzenwirbel im Erdkern. Technisch realisiert wurde es durch einen Drallerzeuger mit Leitblechen im Einlauf eines breiten, langen Rohres. Die Versuchsflüssigkeit wurde in einem äußeren Mantel zum Rohreinlauf zurückgeführt. Betrieben wurde die Versuchsapparatur mit einer magnetohydrodynamischen Pumpe, die pro Stunde 1200 Kubikmeter Flüssigkeit fördern konnte.

Gailitis und seine Mitarbeiter konnten mit dieser Versuchsanordnung zweierlei zeigen: Ein von außen angelegtes magnetisches Wechselfeld wird durch die schraubenförmige Natriumströmung deutlich verstärkt, und das Abklingen des Magnetfeldes nach Ausschalten der äußeren Stromquelle verzögert sich signifikant. Dies war ein deutliches Anzeichen dafür, dass die kritischen Bedingungen für die Selbsterregung eines Magnetfeldes fast erreicht wurden.

Die lettische Forschergruppe konnte zwar für ihre Dynamo-Versuchsanordnung den Wert der kritischen magnetischen Reynoldszahl ermitteln, für den das Magnetfeld sich von selbst aufrechterhält. Doch ein mechanischer Fehler verhinderte das Erreichen eines aktiven Dynamozustandes. Für ein zweites Experiment bauten deshalb Gailitis und Gunter Gerbeth aus Dresden mit ihrem Team einen vereinfachten, in den Abmessungen aber ähnlichen Versuchsstand auf. Damit gelang es ihnen, ein selbsterregtes, quasi periodisch oszillierendes Magnetfeld zu erzeugen. Damit war erstmals der homogene Dynamo-Effekt experimentell nachgewiesen worden.

Mit dem Strömungsfeld im flüssigen Erdkern hat ein von Glyn Roberts an der Universität Newcastle upon Tyne (England) vorgeschlagenes Geschwin-digkeitsfeld eine gewisse Ähnlichkeit: Rechts und links drehenden Wirbeln, die periodisch angeordnet sind, ist eine axiale, in der Richtung alternierende Geschwindigkeit überlagert. Friedrich Busse hat das Roberts?sche Geschwindigkeitsfeld modifiziert und in einen Zylinder endlicher Ausdehnung eingebettet. Diese Anordnung soll Busse zufolge die Wirbelstrukturen im Inneren rotierender Planeten charakterisieren. Der Bayreuther Theoretiker errechnete, dass eine magnetische Selbsterregung dieser Strömung bei relativ niedrigen magnetischen Reynolds-Zahlen um etwa zehn auftritt. Um diese Werte technisch zu realisieren, wäre ein zylindrischer Versuchsbehälter von einem Meter Radius und einem Meter Höhe erforderlich. Die Strömungsgeschwindigkeit der Versuchsflüssigkeit Natrium müsste bei einer Anzahl von 52 Wirbelzellen etwa fünf bis zehn Meter pro Sekunde betragen. Busse schlug vor, nach diesem Konzept ein Experiment aufzubauen, wobei das Strömungsfeld durch extern angebrachte Pumpen in Wirbelgeneratoren erzeugt werden sollte.

Wegen der langjährigen Tätigkeit in der Reaktortechnik verfügt das Forschungszentrum Karlsruhe über umfassende Erfahrungen mit Strömungen von flüssigem Natrium. Unsere Arbeitsgruppe begann dort 1992, einen Versuchsaufbau zu entwickeln. Dessen zentraler Bestandteil ist der so genannte Dynamomodul, der aus 52 Wirbelgeneratoren besteht. Mit Hilfe von Rohr-Umlenkungen an deren Enden wird darin das von Busse vorgeschlagene Geschwindigkeitsfeld erzeugt. Die Strömung im Modul bewirkt ein Versorgungskreislauf mit drei magnetohydrodynamischen Pumpen: Zwei treiben die Wirbelströmungen an, die dritte die axiale Strömung. Der Dynamo-Versuchsstand ging 1999 in Betrieb.

Wie bereits die ersten Experimente zeigten, bildet sich bei einem Natrium-Volumenstrom von etwa 120 Kubikmetern pro Stunde in den Strömungskanälen der Wirbelgeneratoren ein großräumiges, im zeitlichen Mittel stationäres Magnetfeld aus. Dieses Feld ist etwa 100-mal stärker als das Erdmagnetfeld. Wie das irdische Vorbild weist es eine Dipolstruktur auf, wobei die Dipolrichtung quer zur Achse des Dynamomoduls liegt.

Der beobachtete Beginn der Dynamowirkung und die Ausrichtung des Magnetfeldes stimmen gut mit theoretischen Vorhersagen für diese Versuchsanordnung überein, die von Andreas Tilgner aus Bayreuth (jetzt an der Universität Göttingen) und Karl Heinz Rädler vom Astrophysikalischen Institut in Potsdam stammen. Durch geschickte Wahl der Anfangsbedingungen bei der Versuchsführung konnten wir auch ein Magnetfeld mit entgegengesetzter Richtung erzeugen. Aus einer größeren Anzahl von Einzelversuchen, bei denen unterschiedliche schraubenförmige und axiale Natriumströme durch die Apparatur gepumpt wurden, erstellte unser Team schließlich ein Zustandsdiagramm für einen Dynamobetrieb der Anlage.

Unsere Experimente im Forschungszentrum Karlsruhe liefern somit den klaren experimentellen Nachweis, dass Wirbelströmungen in einem quasi-homogenen Leiter spontan ein dauerhaftes Magnetfeld erzeugen können. Zugleich bestätigen sie wegen der Analogie zu den vermuteten Strömungsstrukturen im Erdkern das bisherige Modell eines Geodynamos.

Bevor jedoch die beiden erfolgreichen Experimente in Riga und Karlsruhe als vollständige Demonstration für den Geodynamo gelten können, müssen noch zwei deutliche Defizite des Versuchsaufbaus beseitigt werden. Zum einen strömt das flüssige Natrium nicht frei, sondern in eng geführten Kanälen. Damit ist es dem einmal erzeugten Magnetfeld nur beschränkt möglich, über die elektro-magnetische Lorentz-Kraft auf die Strömung zurückzuwirken und ihre Form zu verändern. Zum anderen wird die Strömung von außen angetrieben und nicht im Inneren der Versuchsapparatur durch Auftriebskräfte hervorgerufen.

Der dringende Wunsch der Theoretiker nach einem besseren Verständnis der magnetohydrodynamischen Rückkopplung des erzeugten Magnetfeldes auf die Strömung war Anlass, in Europa und in den Vereinigten Staaten weitere experimentelle Dynamoprogramme ins Leben zu rufen. Zum Einsatz kommen im Wesentlichen kugelförmige oder zylindrische Versuchsbehälter, in denen durch ein oder zwei von außen angetriebene Propeller spiralförmige Ringwirbel erzeugt werden. Die Abmessungen der Behälter sind so gewählt, dass oberhalb bestimmter Wirbelintensitäten der Dynamo-Effekt beobachtet werden sollte. Auf die sich dann frei ausbildende Wirbelströmung könnte ein erzeugtes Magnetfeld naturgemäß viel stärker einwirken als auf die in Kanälen geführte Wirbelströmung des Riga- oder Karlsruhe-Dynamos. Es ist jedoch strömungstechnisch schwierig, ein freies Geschwindigkeitsfeld zu erzeugen, das dem geophysikalischen Vorbild genauso ähnelt wie das im Karlsruher Experiment.

Ein von Daniel P. Lathrop an der Universität von Maryland in College Park (USA) geplantes Experiment erscheint als besonders viel versprechend. Seine Forschungsgruppe versucht, den Testapparat von Carrigan und Busse in den Abmessungen, den Materialien und den Versuchsparametern so zu modifizieren, dass eine Selbstanregung für ein magnetisches Feld erreicht wird. Zwischen zwei aus Titan gefertigten konzentrischen Kugelschalen befindet sich Natrium als Versuchsflüssigkeit. Die innere Kugelschale wird über die zentrale Achse mit einer Kühlflüssigkeit gekühlt, die äußere über Strahlungsheizer erwärmt. Beide Kugelschalen und die Versuchsflüssigkeit werden mit bis zu hundert Umdrehungen pro Sekunde in rasche Rotation versetzt. Unter diesen Bedingungen bilden sich im Natrium die schon beschriebenen Konvektionswalzen aus.

Wenn diese Versuchsapparatur die notwendigen Bedingungen wie hinreichende thermische Auftriebskräfte und hohe Umdrehungszahlen erreichen kann, käme die Selbsterregung eines Magnetfeldes in dieser Anordnung den realen Bedingungen im Erdinneren sehr nahe. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob dies gelingt.

Literaturhinweise


Experimente zum Dynamo-Effekt. Von Andreas Tilgner, Friedrich Busse und Eike Grote in: Sterne und Weltraum, Heft 4/2000, S. 230.

A three-dimensional self-consistent computer simulation of a geomagnetic field reversal. Von Gary A. Glatzmaier und Paul H. Roberts in: Nature, Bd. 377, S. 203 (1995).

Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2002, Seite 56
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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