Astronomie: Der Stammbaum der Sonne
Vor 4,6 Milliarden Jahren war das Material, aus dem bald darauf unser Sonnensystem entstehen sollte, in einer kalten und dunklen Umgebung weit verteilt. Die Sonne gab es noch nicht, bloß eine hauchdünne Wolke aus den Überresten früherer Sterne, angereichert mit Elementen, die sich in unvorstellbar gewaltigen Katastrophen gebildet hatten. Bis zu einem folgenreichen Ereignis. Vielleicht rüttelte die Gravitation eines vorüberziehenden himmlischen Nomaden an der Wolke. Oder ein weiter entfernter Stern verging, und der Hauch seiner Explosion schob die Atome zusammen, so wie ein Windstoß Herbstlaub zu einem Haufen wirbelt. Was auch immer die Ursache war: Die Atome rückten näher aneinander, und die Gaswolke wurde unaufhaltsam dichter. Schließlich heizte sich die zusammenströmende Materie so sehr auf, dass Wasserstoff zu Helium fusionierte. Die Sonne war geboren, und wenig später entstand in ihrem Umfeld unter anderem die Erde.
Diese relativ einfache Geschichte unserer näheren kosmischen Umgebung entwickelte sich in letzter Zeit zu einer wesentlich reichhaltigeren und komplexeren Biografie. Leistungsstarke Weltraumteleskope, das aufblühende Forschungsgebiet der »Kosmochemie« sowie an die Genealogie angelehnte Methoden haben den Astronomen neue Einblicke in die Vergangenheit unseres Zentralgestirns gewährt. Heute wissen sie: Die Sonne war nicht immer eine Einzelgängerin. Sie hatte Geschwister – und hat möglicherweise sogar einen Planeten adoptiert. Ebenso gab es eine Art Mutter, einen Riesenstern, dessen kurzes Leben das Material für das Sonnensystem lieferte. Diese Bausteine könnten mindestens 30 Millionen Jahre lang vom Rest der Galaxie isoliert existiert haben ...
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