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Der Tod kam aus dem All. Meteoriteneinschläge, Erdbahnkreuzer und der Untergang der Dinosaurier

Franckh-Kosmos, Stuttgart 1995.
208 Seiten, DM 29,80.

Seit 1980, als der Astrophysiker Luis Alvarez von der Universität von Kalifornien in Berkeley und seine Mitarbeiter die Hypothese aufstellten, das sogenannte Massenaussterben an der Wende von der Kreide- zur Tertiärzeit vor 65 Millionen Jahren sei auf den Einschlag eines Meteoriten zurückzuführen, ist eine unübersehbare Fülle von wissenschaftlichen Publikationen zu diesem Thema erschienen. Sie sind weit verstreut in meist englischsprachigen Fachzeitschriften und für den interessierten Nichtfachmann kaum erreichbar (wenn er nicht gerade zum Dezemberheft 1990 dieser Zeitschrift greift). Der Wissenschaftsjournalist Rüdiger Vaas hat in dem vorliegenden Buch nicht nur die wichtigsten dieser Veröffentlichungen ausgewertet und allgemeinverständlich umgesetzt, sondern auch den aktuellen Forschungsstand der Astronomie im Hinblick auf die "Bedrohung aus dem All" eindrucksvoll dargestellt.

Das Buch beginnt mit der Schilderung des Meteoriteneinschlags an der Tunguska in Mittelsibirien am 30. Juni 1908 und seiner verheerenden Auswirkungen. Die ersten 70 Seiten handeln des weiteren von der Erforschung der bis heute registrierten Kleinplaneten (Planetoiden) und Kometen, sind doch die meisten Meteoriten Splitter dieser "gefährlichen Kleinkörper im Sonnensystem". Interessierte Leser finden zahlreiche Begriffsbestimmungen, Tabellen und Hintergrundinformationen. Erfreulicherweise basieren alle Daten auf den neuesten Forschungsergebnissen, die bis ins Jahr 1995 reichen. Detailliert schildert Vaas schließlich den Absturz des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf den Jupiter im Juli 1994; diese Passage ist mit Bildern des Hubble-Weltraumteleskops illustriert.

Zentrales Thema des Buches ist jedoch der "Tod aus dem All", die globale Katastrophe infolge eines Meteoriteneinschlags am Ende der Kreidezeit, der ein "verheerendes Massenaussterben" zur Folge gehabt haben soll. Offensichtlich favorisiert auch Vaas diese Hypothese. Bei der spannenden Suche nach dem "Killer-Krater" scheint ihm "bewiesen", daß die Chicxulub-Struktur auf der Halbinsel Yucatan (Mexiko) mit einem Durchmesser von 200 Kilometern dafür in Frage komme und somit "tatsächlich" vor 65 Millionen Jahren ein Meteorit auf die Erde stürzte.

Immerhin ist der Autor objektiv genug zuzugeben, daß der Nachweis eines Meteoriteneinschlags und der Tod der Dinosaurier zwei verschiedene Themen sind. Er schildert die verschiedenen Szenarien nach dem Einschlag eines Meteoriten von zehn Kilometer Durchmesser, läßt aber auch die Gegenhypothese – verstärkte Vulkanaktivität – zu Wort kommen, außerdem die Paläontologen, deren Befunde auf ein mehr graduelles Aussterbemuster hindeuten.

Vaas referiert zudem Theorien, die andere Faunenschnitte in der Erdgeschichte – im Devon, an der Wende vom Perm zur Trias sowie von der Trias zum Jura – ebenfalls zumindest teilweise auf Meteoriteneinschläge zurückführen, sowie die Hypothese, derartige Aussterbeereignisse hätten in einigermaßen regelmäßigen Zeitabständen stattgefunden und seien mit ebenso regelmäßig wiederkehrenden Meteoriteneinschlägen korreliert.

Bei einem Vergleich mit dem gegenwärtigen Artensterben ist der Autor offenbar einer Falschinformation aufgesessen oder hat sich verrechnet. Ohne Quellenangabe behauptet er, daß "zur Zeit in jeder Minute etwa 100 Arten für immer von unserem Planeten verschwinden". Wenn das zuträfe, wären die schätzungsweise 50 Millionen Arten, die es auf der Erde überhaupt gibt – wie Vaas an anderer Stelle selbst schreibt –, binnen eines Jahres ausgestorben.

Der letzte Abschnitt des Buches handelt von Erdbahnkreuzern, also Kleinplaneten und Kometen, die manchmal sehr dicht an der Erde vorbeifliegen und möglicherweise einmal auf die Erde stürzen könnten. Das Gefahrenpotential basiert weitgehend auf Schätzungen, Statistiken und Hochrechnungen, kann aber nach Ansicht des Autors nicht vernachlässigt werden. So erfährt der Leser, daß in den USA und anderswo astronomische Beobachtungsprogramme anlaufen, die nach den "Gefahren, die im Weltraumdunkel lauern" Ausschau halten. Nach Schätzungen muß immerhin alle paar hundert Jahre mit dem Einschlag eines Himmelskörpers von der Größe des Tunguska-Meteoriten gerechnet werden; dessen Auswirkungen waren denen der Hiroshima-Bombe vergleichbar.

Zum Schluß spricht Vaas ein sehr spekulatives Thema an: Kommt das Leben aus dem All? Unter anderem zitiert er den britischen Astronomen Fred Hoyle, nach dessen Vorstellungen erste Lebenskeime auf der Erde aus dem Weltall stammen und durch Kometen auf die Erde gelangt sind. Nicht nur für den Autor ist das nicht zu beweisen; doch ist er der Überzeugung, daß Planetoiden und Kometen, die in der erdgeschichtlichen Vergangenheit als Meteoriten auf die Erde stürzten, auf verschiedene Art maßgeblich zur Entstehung und Weiterentwicklung des Lebens auf der Erde beigetragen und die Evolution entscheidend beeinflußt haben.

Das Buch ist lesenswert, ja geradezu spannend geschrieben, bietet eine Fülle von Informationen und eine gut verständliche Zusammenfassung der neuesten Forschungsergebnisse.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1996, Seite 127
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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