Biologie: Evolution zwischen Zufall und Wiederholung
Am 15. Februar 1933, kurz vor Antritt seiner Präsidentschaft, entkam Franklin D. Roosevelt durch Zufall einem geplanten Attentat. Der Täter stand dabei auf einer wackligen Bank, so dass er sein Ziel verfehlte. Wäre die Weltgeschichte sonst anders verlaufen? Eine mögliche Szenerie für die 1960er Jahre zeichnete der Schriftsteller Philip K. Dick in seinem Roman "Das Orakel vom Berge" ("The Man in the High Castle"), die viele von der entsprechenden Fernsehserie kennen: Die Nazis und Japaner haben den Zweiten Weltkrieg gewonnen und die USA unter sich aufgeteilt.
Auch wenn es wohl doch nicht so gekommen wäre – oft nahmen Einzelereignisse und Individuen immens Einfluss auf die Menschheitsgeschichte. Gilt das vielleicht auch für die Geschichte des Lebens, die biologische Evolution? Inwieweit hat mitunter der Zufall den weiteren Verlauf beeinflusst, etwa durch kleine, zunächst belanglose Mutationen? Philosophen und Historiker verwenden für solche Verflechtungen den Begriff Kontingenz. Sie meinen damit, dass eine zukünftige Entwicklung unter anderem von einem bestimmten Ereignis in der Vergangenheit abhängt, das selbst nicht zwangsläufig auftreten musste.
Für Biologen erwächst aus solchen Überlegungen die Frage, ob die Evolution der Organismen sich genau so oder mindestens sehr ähnlich wiederholen würde. Könnten wir sie also vorhersehen, etwa auf einem anderen Himmelskörper, wenn wir die Randbedingungen verstünden? Denn im Unterschied zu vielen anderen Naturphänomenen hat das Leben grundsätzlich eine Geschichte, das heißt eine Vergangenheit, die immer mitzählt. In seiner Evolution hat das Wirken von Selektionskräften unablässig sozusagen die Spreu vom Weizen getrennt. Zufällige Mutationen erzeugten Varianten, und die Selektion wählte darunter günstige Anpassungen an die jeweilige Umwelt aus, die oft beibehalten wurden. Zwar konnten durch so genannte genetische Drift mitunter vorteilhafte Merkmale wieder verloren gehen, und manchmal haben gewaltige Naturereignisse Verwerfungen bewirkt, doch die weitere Entwicklung fußte stets stark auch auf dem Gewesenen ...
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