Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Spezial Hexen: Das Ende der Jagd: "Die Folter macht Hexen"

Schuldig gesprochen, starben auf den Scheiterhaufen ­Eu- ropas 50 000 Menschen, die meisten davon in Deutschland. Vieles musste geschehen, bis die Justiz die Verfolgungen im 18. Jahrhundert endlich einstellte. epoc-Redakteurin ­Claudia Mocek sprach mit dem Tübinger Historiker Jürgen Michael Schmidt über das Ende eines Massenphänomens.
epoc: Die Hochphasen der Hexenprozesse fanden auf dem Gebiet des heutigen Deutschland zwischen 1570 und 1680 statt. Wann hörten die Verfolgungen auf?

Jürgen Michael Schmidt: Wir haben für viele Gebiete grobe Statistiken, aber keine Gesamtauswertung. Unser Bild wird dabei durch einige Territorien geprägt, in denen es massenhafte Verfolgungen gab – dessen müssen wir uns bewusst sein. Um 1629 war der absolute Höhepunkt erreicht und zugleich ein erster Wendepunkt, danach ebbten die Prozesse rasch ab. Nach dieser Pause gab es zwischen 1660 und 1680 noch einmal einen Peak. Der letzte Prozess in Mitteleuropa fand 1782 im Kanton Glarus statt. Insgesamt spielten Hexenprozesse im 18. Jahrhundert nur noch vereinzelt eine Rolle. Damit ist um 1680 tatsächlich das Ende der Hochphase zumindest in Europa erreicht.

Wieso hörten die Prozesse Ende des 17. Jahrhunderts auf?

Die Hexenverfolgung war ein komplexes, multikausales Phänomen. Es gibt einen Faktorencluster, der zu ihrem Ausbruch führte – und einen, der sie beendete. Die Forschung der letzten Jahre betont – wie ich finde zu Recht – vor allem die juristisch-administrativen Ver­änderungen wie Zentralisierung, Professionali­sierung und Differenzierung des Justizwesens. Das erscheint auch deswegen plausibel, weil große Territorien, in denen diese Entwicklun­gen früher griffen, bereits zuvor schon moderat mit Hexen umgingen und relativ wenige Todesurteile fällten. Dieses Element des Staatsbildungsprozesses setzte sich nach dem Dreißigjährigen Krieg verstärkt durch – schließlich nahmen auch in den kleineren Gebieten die ­Hexenprozesse ab.  ...
  • Literaturhinweise
Der Arbeitskreis Interdisziplinäre Hexenforschung an der Universität Tübingen (http://www.uni-tuebingen.de/IfGL/akih/akih_6li.htm) empfiehlt folgende Literatur, die den modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt:

1. Zur Einführung:
Behringer, Wolfgang
: Hexen: Glaube, Verfolgung, Vermarktung (Beck´sche Reihe), 5. Aufl. München 2009
Behringer, Wolfgang: Witches and Witch-Hunts. A Global History (Themes in History), Cambridge 2004.
Dillinger, Johannes: Hexen und Magie, eine historische Einführung (Historische Einführungen, Bd. 3), Frankfurt/M. 2007.
Rummel, Walter / Voltmer, Rita: Hexen und Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit (Geschichte kompakt), Darmstadt 2008.

Ältere, noch durchaus verwendbare "Klassiker":

Levack, Brian P.: Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa. Aus dem Englischen von Ursula Scholz,         München 1995 (engl. 1987).
Schormann, Gerhard: Hexenprozesse in Deutschland, Göttingen,
2. Aufl. 1986.

2. Zur Einführung in das Thema besonders geeignete Ausstellungskataloge:
Hexen: Mythos und Wirklichkeit. Historisches Museum der Pfalz Speyer von Voltmer, Rita/Lars Börner/Wolfgang Leitmeyer, München 2009.
Hexen und Hexenverfolgung im deutschen Südwesten (Volkskundliche Veröffentlichungen des Badischen Landesmuseums Karlsruhe, Bd. 2), Bd. 1: Katalogband; Bd. 2: Aufsatzband, Ostfildern 1994.
Neuausgabe des Aufsatzbandes:
Wider alle Hexerei und Teufelswerk: Die europäische Hexenverfolgung und ihre Auswirkungen auf Südwestdeutschland, hrsg. von Sönke Lorenz und Jürgen Michael Schmidt, Ostfildern 2004.
Schild, Wolfgang: Die Maleficia der Hexenleut' (Schriftenreihe des Mittelalterlichen Kriminalmuseums Rothenburg o. d. Tauber Nr. 1), Rothenburg o. d. T. 1997.
Hexenwahn. Ängste der Neuzeit. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung des Deutschen Historischen Instituts, hrsg. von Rosmarie Beier- de Haan, Rita Voltmer und Franz Irsigler, Berlin 2002. In einer Web-Präsentation: www.dhm.de/ausstellungen/hexenwahn/index.html

3. Überblicksdarstellung mit umfangreichen Quellenauszügen:
Behringer, Wolfgang: Hexen und Hexenprozesse in Deutschland (DTV-Dokumente), München, 4. Aufl. 2000.

4. Gelehrte Hexendiskussion / Dämonologie:
Hansen, Joseph: Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozeß im Mittelalter und die Entstehung der großen Hexenverfolgung (Historische Bibliothek, Bd. 12), München 1900 [alte, aber immer noch wichtige Arbeit].
Schwerhoff, Gerd: Rationalität im Wahn. Zum gelehrten Diskurs über die Hexen in der frühen Neuzeit, in: Saeculum 37 (1986), S. 4582.
Stokes, Laura: Demons of Urban Reform: The Rise of Witchcraft Prosecution, 1430-1530. Erscheint voraussichtlich im Herbst 2010 im Palgrave MacMillan Verlag.
Vom Unfug des Hexen-Processes. Gegner der Hexenverfolgung von Johann Weyer bis Friedrich Spee, hrsg. von Hartmut Lehmann und Otto Ulbricht (Wolfenbütteler Forschungen 55), Wiesbaden 1992.
Clark, Stuart: Thinking with Demons, Oxford 1997.

5. Online:
Wissenschaftliche Auswahlbibliographie von Prof. Dr. Gerd Schwerhoff an der TU-Dresden erstellt: http://rcswww.urz.tu-dresden.de/%7Efrnz/dabhex/navigation.html.
Einen Führer zu online-Quellen und Literatur bietet Dr. Klaus Graf auf Wikiversity: http://de.wikiversity.org/wiki/Benutzer:Histo/Hexenforschung

6. Zur Forschungsgeschichte bis 2004:
Behringer, Wolfgang: Geschichte der Hexenforschung, in: Wider alle Hexerei und Teufelswerk: Die europäische Hexenverfolgung und ihre Auswirkungen auf Südwestdeutschland, hrsg. von Sönke Lorenz und Jürgen Michael Schmidt, Ostfildern 2004, S. 485-668.

6. Ausgewählte regionale Studien (Heiliges Römisches Reich):
Finden Sie auf der Homepage des Arbeitskreis Interdisziplinäre Hexenforschung an der Universität Tübingen: http://www.uni-tuebingen.de/IfGL/akih/akih_6li.htm

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.