Zellbiologie: Die Mechanik der Zelle
Die menschlichen Zellen in unserer Laborkultur sahen ganz normal aus. Sie wiesen keinerlei Anzeichen einer krebstypischen Entartung auf. Doch als wir die Zellen mechanisch in die Länge zogen, geschah etwas Unerwartetes: Die Aktivität zweier Proteine in ihrem Innern, YAP und TAZ, erhöhte sich. Als sie einen Maximalwert erreichte, begannen die Zellen sich unkontrollierbar zu teilen – ein charakteristisches Merkmal von Tumorzellen. Es war erstaunlich zu sehen, dass diese Änderung von simplen mechanischen Kräften hervorgerufen wurde und nicht etwa von genetischen Mutationen.
Biologen erklären die Funktionsweise von Zellen heute vorwiegend auf der Basis von Genen und Proteinen: Gen A kodiert für ein Protein, das die Aktivität von Gen B steuert, welches seinerseits für Protein X kodiert und so weiter. Die Erbanlagen bestimmen demnach darüber, welche Proteine exprimiert werden, und diese wiederum steuern das Zellverhalten. Mittlerweile zeigt sich jedoch immer deutlicher, dass umfassende intrazelluläre Vorgänge von mechanischen Kräften ausgelöst werden können, die beispielsweise von benachbarten Zellen oder umgebenden Flüssigkeiten ausgehen. In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftler, die den Effekt solcher Kräfte auf Zellen untersuchen, eine neue Forschungsrichtung begründet: die Mechanobiologie.
Einzelzellen, die hinreichend viel Platz haben, teilen sich fortwährend, während solche, die zusammen mit anderen einen dichten Haufen bilden, die Teilungen stark reduzieren oder ganz einstellen. Auch die Festigkeit eines Gewebes spielt eine Rolle. So differenzieren sich bestimmte Stammzellen zu Neuronen, wenn sie sich in einer Umgebung befinden, deren Konsistenz jener des Hirngewebes entspricht, und zu Muskelzellen, wenn sie Muskelgewebe ähnelt. Solche mechanischen Einflüsse steuern die Selbstorganisation von Stammzellen zu komplexen Geweben, etwa zu Augen- oder Hirnstrukturen. ...
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