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Neuroregeneration: Die Wachstumsbremse lösen
Rückenmarksverletzungen führen sehr oft zu einer Querschnittslähmung und sind bis heute unheilbar. Der Züricher Neurobiologe Martin Schwab erforscht die mangelnde Regenerationsfähigkeit des Zentralnervensystems an vorderster Front – und entwickelt neue Therapieansätze.
Ein Anflug jugendlichen Leichtsinns oder zu großer Risikobereitschaft – und mancher bleibt sein restliches Leben auf den Rollstuhl angewiesen. Denn eine Verletzung des Rückenmarks – meist infolge eines Unfalls – bedeutet sehr oft: Querschnittslähmung. Der unterbrochene Informationsfluss zwischen dem Gehirn und dem übrigen Körper führt nicht nur zu Bewegungsunfähigkeit von der Verletzungsstelle an abwärts. Der Patient verliert in diesem Bereich auch sämtliche Empfindungen sowie die Kontrolle über Blase und Darm.
Schon in der Antike berichteten Ärzte über solche Fälle. Aus medizinischer Sicht galten sie lange Zeit als hoffnungslos. Noch bis in die 1930er Jahre starben mehr als 80 Prozent der Patienten während der ersten zwei Wochen nach der Verletzung. Die restlichen 20 Prozent lebten in der Regel nur weitere zwei bis drei Jahre, bis sie meist einer Atemwegs- oder Harnwegsinfektion zum Opfer fielen.
Erst Mitte des 20. Jahrhunderts erhöhte sich die Lebenserwartung querschnittsgelähmter Patienten deutlich, dank dreier Entwicklungen: Der deutsch-jüdische Neurochirurg Ludwig Guttmann (1899 – 1980) etablierte während des Zweiten Weltkriegs im britischen Exil spezialisierte Behandlungseinheiten, die Entdeckung von Antibiotika erlaubte die erfolgreiche Behandlung von bakteriellen Infekten und der technische Fortschritt ermöglichte bessere Hilfsmittel, etwa zur Fortbewegung oder Beatmung der Patienten.
Diese Maßnahmen erhöhten zwar die Lebenserwartung und -qualität, die Verletzung selbst blieb aber weiterhin unheilbar. Die meisten Forscher glaubten, im erwachsenen Zentralnervensystem sei eine Regeneration durchtrennter Nervenfasern grundsätzlich nicht möglich. Es dauerte noch fast ein halbes Jahrhundert, bis dieses Dogma ins Wanken kam. Aktuelle Erkenntnisse der Grundlagenforschung in Kombination mit neuen Technologien lassen inzwischen eine Erholung verletzter Verbindungen im Rückenmark nicht mehr unmöglich erscheinen.
Das menschliche Zentralnervensystem besteht aus über 100 Milliarden Neuronen, die über ihre Fortsätze untereinander und mit dem übrigen Körper verbunden sind. Werden im Gehirn oder Rückenmark ausgewachsener Säugetiere Nervenfasern verletzt, sprießen sie zwar kurzzeitig neu aus, sterben dann jedoch ab. Im Gegensatz dazu regenerieren beschädigte Verbindungen im peripheren Nervensystem meist recht gut. So wachsen zum Beispiel die Nervenzellfortsätze eines abgetrennten Fingers nach dessen Annähen wieder nach. Nach einiger Zeit kann der Patient den Finger wieder bewegen sowie Druck oder Hitze spüren. Wie dieser Unterschied zwischen zentralen und peripheren Nerven zu Stande kommt, war lange Zeit unklar.
Schon 1911 versuchte der spanische Mediziner Santiago Ramón y Cajal (1852 – 1934) dieses Rätsel zu lösen. Er transplantierte hierzu bei Kaninchen Nerven aus dem peripheren ins zentrale Nervensystem. Zuvor hatte er festgestellt, dass ...
Schon in der Antike berichteten Ärzte über solche Fälle. Aus medizinischer Sicht galten sie lange Zeit als hoffnungslos. Noch bis in die 1930er Jahre starben mehr als 80 Prozent der Patienten während der ersten zwei Wochen nach der Verletzung. Die restlichen 20 Prozent lebten in der Regel nur weitere zwei bis drei Jahre, bis sie meist einer Atemwegs- oder Harnwegsinfektion zum Opfer fielen.
Erst Mitte des 20. Jahrhunderts erhöhte sich die Lebenserwartung querschnittsgelähmter Patienten deutlich, dank dreier Entwicklungen: Der deutsch-jüdische Neurochirurg Ludwig Guttmann (1899 – 1980) etablierte während des Zweiten Weltkriegs im britischen Exil spezialisierte Behandlungseinheiten, die Entdeckung von Antibiotika erlaubte die erfolgreiche Behandlung von bakteriellen Infekten und der technische Fortschritt ermöglichte bessere Hilfsmittel, etwa zur Fortbewegung oder Beatmung der Patienten.
Diese Maßnahmen erhöhten zwar die Lebenserwartung und -qualität, die Verletzung selbst blieb aber weiterhin unheilbar. Die meisten Forscher glaubten, im erwachsenen Zentralnervensystem sei eine Regeneration durchtrennter Nervenfasern grundsätzlich nicht möglich. Es dauerte noch fast ein halbes Jahrhundert, bis dieses Dogma ins Wanken kam. Aktuelle Erkenntnisse der Grundlagenforschung in Kombination mit neuen Technologien lassen inzwischen eine Erholung verletzter Verbindungen im Rückenmark nicht mehr unmöglich erscheinen.
Das menschliche Zentralnervensystem besteht aus über 100 Milliarden Neuronen, die über ihre Fortsätze untereinander und mit dem übrigen Körper verbunden sind. Werden im Gehirn oder Rückenmark ausgewachsener Säugetiere Nervenfasern verletzt, sprießen sie zwar kurzzeitig neu aus, sterben dann jedoch ab. Im Gegensatz dazu regenerieren beschädigte Verbindungen im peripheren Nervensystem meist recht gut. So wachsen zum Beispiel die Nervenzellfortsätze eines abgetrennten Fingers nach dessen Annähen wieder nach. Nach einiger Zeit kann der Patient den Finger wieder bewegen sowie Druck oder Hitze spüren. Wie dieser Unterschied zwischen zentralen und peripheren Nerven zu Stande kommt, war lange Zeit unklar.
Schon 1911 versuchte der spanische Mediziner Santiago Ramón y Cajal (1852 – 1934) dieses Rätsel zu lösen. Er transplantierte hierzu bei Kaninchen Nerven aus dem peripheren ins zentrale Nervensystem. Zuvor hatte er festgestellt, dass ...
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