Amarnabriefe: Diplomatie ohne Weitblick
... Ob ein Großkönig dem Pharao schrieb beziehungsweise umgekehrt, verriet die Anrede: Sie nannten einander Bruder; der Name des Empfängers ging demjenigen des Absenders voraus. Auf eine Einleitungsformel wie "so spricht X, der König von Y, dein Bruder" folgte die Versicherung, dass es dem Absender gut gehe, verbunden mit der Hoffnung, dass dies auch beim Empfänger der Fall sei. Danach kam das eigentliche Anliegen. Dabei war immer wieder von den Beziehungen untereinander die Rede, denn offenbar bildete die Vorstellung einer großen Familie das soziale Gefüge für die Diplomatie. Die gewaltigen und schier unüberbrückbaren Distanzen zwischen den Hauptstädten der Großreiche schienen in einer gedachten globalen Siedlung aufgehoben.
Das illustriert ein Schreiben des Kadaschman-Enlil, König von Babylon in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts v. Chr., der sich bei Amenophis III. beklagte, nicht zu einem Fest eingeladen worden zu sein. Um das korrekte Verhalten für künftige, vergleichbare Fälle zu demonstrieren, sprach er seinerseits eine Einladung aus: zur Einweihung seiner neuen Residenz in Babylon. Auch wenn keiner von beiden eine Chance hatte, den anderen zu besuchen, gebot dergleichen die Etikette unter "Brüdern" ...
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