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Dünnschichtsolarzellen aus kristallinem Silicium

Ein Weg zu preisgünstigen hocheffizienten Solarzellen besteht darin, kristallines Silicium in Form einer hauchdünnen Schicht auf einem Substrat abzuscheiden. Mit einem optimierten Labortyp konnte nun ein Rekord-Wirkungsgrad von 19,2 Prozent erzielt werden.


Sonnenlicht ist bekanntlich unerschöpflich, fast überall im Überfluß vorhanden und ökologisch unschädlich nutzbar – kurz: die ideale Energiequelle. Am sinnvollsten läßt sie sich auf photovoltaischem Wege anzapfen: durch direkte Umwandlung von Strahlung in elektrischen Strom. Solarzellen sind mittlerweile fester Bestandteil unserer Alltagswelt; ihr Anwendungsspektrum reicht von photovoltaisch betriebenen Uhren oder Parkscheinautomaten bis hin zum Multimegawatt-Kraftwerk. Zu den Vorzügen zählen außer der Umweltverträglichkeit hohe Qualitätsstandards und lange Lebensdauern.

Die Produktion von Solarzellen, -modulen und -systemen ist denn auch im letzten Jahrzehnt jährlich um durchschnittlich etwa 15 Prozent gestiegen; 1997 wurde – bei 40 Prozent Zuwachs – erstmals die Grenze von 100 Megawatt überschritten. Dennoch spielt photovoltaisch erzeugter Strom, gemessen am Gesamtelektrizitätsbedarf, nach wie vor nur eine vernachlässigbare Rolle. Weithin durchsetzen wird er sich wohl erst dann, wenn die Kosten um 50 bis 80 Prozent gesenkt werden können, so daß sie langfristig mit denen der heute dominierenden Energieträger vergleichbar sind.

Einsparungspotentiale gibt es durchaus. So werden die Siliciumscheiben (Wafer) für über drei Viertel der momentan produzierten Solarzellen aus Blöcken oder Stäben gesägt, wobei etwa die Hälfte des kostbaren Halbmetalls als minderwertiger Staub endet. Außerdem müssen sie, um mechanisch genügend stabil zu sein, eine Schichtdicke von mindestens 0,25 Millimetern haben – viel mehr, als selbst eine hocheffiziente Solarzelle wirklich benötigt.


Gleicher Effekt mit weniger Material


Hier nun setzt das Konzept der kristallinen Silicium-Dünnschichtzelle ein: Bei Abscheidung der aktiven Absorptionsschicht aus der Gasphase auf ein geeignetes Trägermaterial entfällt der Sägeschritt; zugleich kann die Schichtdicke auf ein Zehntel verringert werden, so daß wesentlich weniger teures hochreines Silicium benötigt wird. Allerdings ist durch eine Strukturierung der Oberfläche und möglichst eine reflektierende Grenzfläche an der Unterseite dafür zu sorgen, daß einfallendes Sonnenlicht lange genug in der aktiven Schicht bleibt, um praktisch vollständig absorbiert zu werden. Ein nichtleitendes Substrat erlaubt außerdem die Integration einer Vielzahl von Zellen in einem zusammenhängenden Block – ähnlich den integrierten Schaltkreisen der Mikroelektronik. Da dabei das aufwendige nachträgliche Verschalten der Einzelzellen zu einem Modul entfällt, reduzieren sich die Kosten zusätzlich.

Schon seit längerem werden verschiedene andere Dünnschichtsolarzellen-Konzepte entwickelt. Die am weitesten fortgeschrittene Technik arbeitet mit amorphem Silicium. Doch obwohl diese ungeordnete, glasartige Form des Werkstoffs nun schon seit mehr als 15 Jahren produziert wird, lassen sich damit nur schwer stabile Modulwirkungsgrade von über acht Prozent erzielen. Weitere interessante Halbleitermaterialien für Dünnschichtsolarzellen sind Kupfer-Indium-Diselenid (CIS) und Cadmium-Tellurid (CdTe). Beide werden inzwischen in Pilotanlagen verarbeitet, doch sind die Rohstoffe nicht so unbegrenzt verfügbar wie Silicium.

Eine Dünnschichtzelle aus kristallinem Silicium vereinigt dagegen im Prinzip die Vorteile des gängigen Halbleitermaterials mit denjenigen der bekannten Dünnschicht-Verfahrenstechniken. Theoretisch wie experimentell ließ sich zeigen, daß bei einem geeigneten Zelldesign ähnlich hohe und stabile Wirkungsgrade erreichbar sind wie mit konventionellen Solarzellen – bei deutlich geringeren Materialkosten. Die Konstruktion einer solchen Zelle wirft allerdings eine Reihe schwieriger Probleme auf, die sich bisher erst teilweise und nur unter Laborbedingungen lösen ließen.

Wenn man Wert auf eine schnelle, kostengünstige Abscheidung der 10 bis 50 Mikrometer dicken Siliciumschicht legt, muß das Trägermaterial hohen Anforderungen genügen. Dazu zählt eine Temperaturbeständigkeit bis über 1200 Grad Celsius, weil erst bei diesen Temperaturen hochwertige Siliciumschichten und genügend hohe Abscheideraten (bis zehn Mikrometer pro Minute) erzielt werden können. Der Ausdehnungskoeffizient des Substrats sollte dem des Siliciums sehr ähnlich sein, damit keine Spannungen in der Dünnschicht auftreten oder sie gar abplatzt. Die mechanische Stabilität muß groß genug sein, daß Beanspruchungen verkraftet werden, wie sie beispielsweise beim Siebdrucken der Kontakte auftreten. Schließlich darf in einer Großproduktion der Preis 50 Dollar pro Quadratmeter nicht übersteigen, damit der Kostenvorteil des Dünnschicht-Konzepts zum Tragen kommt.

Zu den Substraten, die diese Forderungen mehr oder weniger gut erfüllen, zählen ungereinigtes Silicium minderer Qualität sowie Graphit, Siliciumcarbid, Mullit (ein Tonmineral), Aluminiumoxid oder Siliciumnitrid. Kostengünstige Trägermaterialien sind in der Regel jedoch stark verunreinigt, was den Wirkungsgrad der Solarzellen drastisch mindern kann. Diesem Problem läßt sich mit Diffusionsbarrieren in Form dünner Zwischenschichten begegnen, die den Übertritt der Verunreinigungen aus dem Substrat verhindern sollen. Siliciumdioxid beispielsweise hält viele störende Elemente so wirksam zurück, daß sich deren Konzentration in der aktiven Schicht um mehrere Größenordnungen verringert.

Die schnelle Abscheidung einer hochwertigen Siliciumschicht aus der Gasphase ist eine der größten Herausforderungen, der sich das Konzept der kristallinen Dünnschichtsolarzelle gegenübersieht. Es kommt darauf an, eine gleichmäßig dicke, homogene Schicht zu erzeugen – und das möglichst schnell, das heißt mit Abscheideraten von einigen Mikrometern pro Minute. Entscheidend ist ferner eine hochgradige Ausnutzung (chemische Effizienz) der eingesetzten teuren Gase. Die sogenannte Atmosphärendruck-Gasphasenabscheidung (AP-CVD) von Silicium aus gasförmigem Trichlorsilan erscheint derzeit als interessanteste Option, da dieses Verfahren nicht nur den erwähnten Kriterien genügt, sondern sich im Prinzip auch kontinuierlich betreiben läßt.

Wenn ungereinigtes Silicium als Substrat verwendet wird, kann darauf unmittelbar eine hochwertige Siliciumschicht abgeschieden werden, wobei die hinzukommenden Atome das vorhandene Kristallgitter einfach fortsetzen. Bei einer solchen epitaktischen Abscheidung entsteht deshalb eine hochgeordnete Schicht aus aneinandergereihten großen Kristalliten – eine wichtige Voraussetzung für eine effiziente Umwandlung von Licht in Strom. Dies ist sicherlich der einfachste und kostengünstigste Ansatz. Allerdings ist er mit zwei gravierenden Nachteilen behaftet. Zum einen können aus dem relativ unreinen Substrat Fremdatome in die aktive Schicht diffundieren und deren elektrische Eigenschaften verschlechtern. Zum anderen fehlt eine untere reflektierende Grenzfläche, was die Absorption des Sonnenlichtes verschlechtert.


Vielversprechende Labortypen



Um diese Nachteile zu vermeiden, kann man, wie erwähnt, eine Zwischenschicht auf der Silicium-Unterlage aufbringen oder aber ein Fremdmaterial als Substrat verwenden. Dann ist das darauf abgeschiedene Silicium aber in der Regel zu feinkristallin für hohe Wirkungsgrade. Um Kristallite von mindestens einem Millimeter Durchmesser zu erhalten, muß man es nachträglich noch einmal kurz aufschmelzen und wieder erstarren lassen. Diese Rekristallisation kann mittels Laser, Elektronenstrahl, Streifenheizer oder Halogenlampen geschehen, wobei jede Methode bezüglich der Ziehgeschwindigkeit, der Form der Schmelzzone und der erreichbaren Temperaturgradienten ihre Vor- und Nachteile hat. In einem mit Halogenlampen betriebenen Zonenschmelzofen, wie er bei uns am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme entwickelt wurde, konnten Kristallite mit mehreren Zentimetern Länge gezogen werden – bei Geschwindigkeiten bis 20 Zentimeter pro Minute.

Die Weiterverarbeitung der Silicium-Wafer zu fertigen Solarzellen – also das Erzeugen zweier unterschiedlich geladener Bereiche und das Anbringen der elektrischen Kontakte – beinhaltet heute meist naßchemische Schritte. Diese Technologie ist auf kristalline Dünnschichtsolarzellen jedoch nicht ohne weiteres übertragbar. So scheidet sie bei porösen Substratmaterialien aus, weil diese sich mit Chemikalien vollsaugen würden. Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme konnten durch plasmaunterstütztes Ionenätzen (Beschießen mit ionisierten Gasatomen) einen vollständig trockenen Solarzellenprozeß verwirklichen. Elektrisch isolierende Substrate erfordern außerdem, die Elektroden ausschließlich auf der Vorderseite anzubringen; auch dieses Problem haben wir durch ein neuartiges Kontaktierungsschema in Form zweier ineinandergreifender Kämme gelöst. Damit konnten wir mit einer Anordnung aus 24 Einzelzellen von je einem Quadratzentimeter Fläche eine Rekordspannung von 15,2 Volt erzielen.

Wie aus all dem hervorgeht, ermöglichen vielerlei Substrate und Technologien sehr unterschiedliche Ansätze zur Verwirklichung einer kristallinen Silicium-Dünnschichtsolarzelle. Die jeweiligen Vor- und Nachteile werden an vielen Institutionen weltweit erforscht. Was dabei an Ergebnissen vorliegt, wurde fast ausschließlich anhand von relativ kleinen Labortypen gewonnen (nur die US-Firma Astropower hat eine kommerzielle Dünnschichtsolarzelle entwickelt, die sie dieses Jahr vertreiben will).

Um die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Konzeptes unter Beweis zu stellen, schufen die verschiedenen Forschungsgruppen Solarzellen unter Idealbedingungen, verwendeten also ohne Rücksicht auf die Kosten beste Materialien und aufwendige Techniken. Unter diesen Voraussetzungen ließen sich bisher Wirkungsgrade von 16 bis 19 Prozent erzielen. Solche Labortypen taugen natürlich nicht für den praktischen kommerziellen Einsatz, aber sie helfen, den Einfluß der wichtigsten elektrischen und optischen Parameter auf den Wirkungsgrad zu studieren.

Den bislang höchsten Wert von 19,2 Prozent erreichten wir am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme. Dazu wurde ein Silicium-Substrat mit Sauerstoff-Ionen beschossen, deren Geschwindigkeit so gewählt war, daß sie genau 0,2 Mikrometer unter die Oberfläche drangen und mit den Halbleiter-Atomen in dieser Tiefe zu einer elektrisch isolierenden Trennschicht aus Siliciumdioxid reagierten. Darüber blieb eine extrem dünne unversehrte Lage aus elemenatarem, kristallinem Silicium, die epitaktisch durch Abscheidung aus der Gasphase auf 46 Mikrometer verdickt wurde. Schließlich erzeugten wir auf der Oberfläche ein Muster aus umgekehrten Pyramiden und brachten beide Elektroden vorderseitig an. Mit diesem komplizierten Vorgehen konnten wir die drei wichtigsten Forderungen an die aktive Schicht gleichzeitig erfüllen: hohe Reinheit, Kristallinität und Absorption. Der hervorragende Wirkungsgrad bewies, daß die Abschattung der Zelle durch die beiden Elektroden auf der Vorderseite praktisch nicht ins Gewicht fiel.

Mit kostengünstigen Substraten und Technologien erreicht man derzeit nur Wirkungsgrade zwischen 8 und 11 Prozent; doch diese Werte sind zweifellos steigerungsfähig. In Zusammenarbeit mit der Firma ASE und dem Zentrum für Angewandte Energieforschung Bayern haben wir am Fraunhofer-Institut mit preiswerten Verfahren auf Siliciumcarbid-beschichtetem Graphit einen Wirkungsgrad von 11,0 und auf industrieller Siliciumcarbid-Keramik der Firma TeCe (Selb) einen von 9,3 Prozent erreicht.

Trotz solch bemerkenswerter Fortschritte dürfte es bis zur Pilotfertigung von kristallinen Silicium-Dünnschichtsolarzellen noch fünf bis acht Jahre dauern. Aber schon jetzt zeigen realistische Schätzungen, daß diese Technologie photovoltaisch erzeugten Strom deutlich verbilligen wird.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1999, Seite 10
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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