Eine Lithium-Batterie mit neuem Funktionsprinzip
Notebook, schnurlose Telephone und andere elektrisch betriebene Geräte des mobilen Menschen sollen – bei geringem Gewicht – möglichst lange ohne Wechsel der Energiequelle funktionieren. Der Bedarf an wiederaufladbaren leistungsfähigen Batterien wächst deshalb. Prinzipiell lassen sich zwei Systeme unterscheiden: solche mit wäßrigen und solche mit nichtwäßrigen Elektrolyten.
Die altbewährten Blei-Akkumulatoren, aber auch Nickel-Cadmium- und Nickel-Metallhydrid-Batterien haben wäßrige Elektrolytlösungen. Die darin ablaufenden chemischen Prozesse sind zum Teil sehr kompliziert und selbst beim Blei-Akkumulator nach mehr als hundertjähriger Forschung noch nicht in allen Einzelheiten aufgeklärt.
Das Funktionsprinzip dieser Batterien ist hingegen einfach. Entnimmt man zwischen Minus- und Pluspol elektrische Energie, so löst sich – im simpelsten Fall – an der Kathode ein unedles Metall, und ein edleres scheidet sich an der Anode ab; beim Laden kehrt sich der Prozeß um. Die verfügbare Metallmenge begrenzt die Kapazität, also die entnehm- oder ladbare Strommenge.
Ein Batterie-Kennwert ist die Spannung einer einzelnen Zelle, die nur eine negative und eine positive Elektrode enthält; sie beträgt beispielsweise beim Blei-Akkumulator etwa zwei Volt. Nahezu alle mobilen elektrischen Geräte benötigen jedoch höhere Werte, was man durch Hintereinanderschalten von Zellen erreicht. Da sie in ihrer Kapazität nicht genau übereinstimmen, ist allerdings ein Überladen möglich: In der schwächsten Zelle steht dann kein Metall mehr zur Verfügung, und bei wachsender Zellspannung zersetzt sich Wasser zu Wasserstoff an der negativen beziehungsweise zu Sauerstoff an der positiven Elektrode. In derzeit gängigen Batterien reagieren die Gase in der Zelle wieder zu Wasser; dabei entsteht Wärme, die abgeführt werden muß.
Vor- und Nachteile von Lithium
Hohe spezifische Energie kann man mit Metallen beziehungsweise Substanzen erzielen, die bei geringem Gewicht eine hohe Strommenge oder Zellspannung liefern. Da Wasser bereits bei relativ geringer Spannung zersetzt wird, enthalten Hochenergiebatterien nichtwäßrige Elektrolytlösungen.
Nun ist Lithium das am stärksten elektronegative und spezifisch leichteste metallische Element. Im Vergleich zu anderen Batterien wird eine mit einer negativen Lithium-Elektrode deshalb die höchste mögliche Spannung zeigen.
Allerdings reagiert Lithium leicht mit anderen Substanzen und damit auch mit den Komponenten der Elektrolytlösung. Dadurch ist es schwierig, beim Laden wieder metallisches Lithium abzuscheiden. Die ersten, seit den siebziger Jahren erhältlichen Batterien waren deshalb nur einmal zu entladen. In ihnen bildete sich auf dem Metall schon beim Befüllen mit dem Elektrolyten eine stabile, unlösliche Schicht, die eine weitere Reaktion unterband. Da sie für Lithium-Ionen durchlässig ist, stört sie die Funktion nicht.
Versucht man, eine solche Batterie wieder aufzuladen, reagiert ein großer Teil des zur Kathode zurückwandernden Metalls erneut mit der Lösung; so werden mit jedem Lade-Entlade-Zyklus Metall und Elektrolyt verbraucht, während immer mehr unlösliche Produkte in der Zelle verbleiben. Deshalb brachte man in den achtziger Jahren einen Akkumulator auf den Markt, der Lithium in mehrfachem Überschuß enthielt. Die Elektrolytlösung bestand aus organischen Verbindungen, in der bei jedem Zyklus ein Teil des Metalls feinverteilt zurückblieb. In einigen Fällen kam es zu heftigen chemischen Reaktionen zwischen ihm und dem Elektrolyten, und der Druck der entstehenden Gase ließ die Zelle bersten.
Im nächsten Entwicklungsschritt vermied man die Abscheidung metallischen Lithiums, indem man dessen Ionen in einem Wirtsgitter aus Kohlenstoff einlagerte. Allerdings wiegt eine solche Elektrode mehr als das Zehnfache der Metallelektrode.
Auf dem stark negativen Wirtsgitter bildet sich durch Reaktion mit der organischen Elektrolytlösung ebenfalls eine Schutzschicht aus. In dem mittlerweile am Markt erfolgreichen, auch als Swing oder Rocking-Chair bekannten System verwendet man zudem eine positive Wirtsgitterelektrode, die ebenfalls Lithium-Ionen bindet. Beim Laden werden sie dort aus- und in das negative Gitter eingelagert, beim Entladen entsprechend umgekehrt.
Diese Zelle darf jedoch keinesfalls überladen werden, da sich sonst metallisches Lithium feinverteilt auf der Kohlenstoffelektrode abscheidet. Es würde wieder heftig mit der organischen Elektrolytlösung reagieren. Darum muß man die Spannung jeder Zelle genau überwachen und die Stromstärke beim Laden begrenzen; das gilt in gleicher Weise für die serielle Schaltung mehrerer Zellen zu einer Batterie.
Das neue Konzept
Die geschilderten Probleme glauben wir durch ein System gelöst zu haben, das ausschließlich aus anorganischen Stoffen besteht; dazu gehört auch das als mindergiftig eingestufte Schwefeldioxid, das sich aber mengenmäßig so weit begrenzen läßt, daß auch bei Öffnen des Gehäuses nur geringste Anteile austreten. Als negative Elektrode fungiert ein dünnes Blech aus rostfreiem Stahl, als positive wieder ein Wirtsgitter, das die Lithium-Ionen enthält. Die Zelle wird so – im entladenen Zustand – zusammengebaut. Legt man eine Spannung an, treten die Ionen aus, wandern zum Blech und scheiden sich dort als metallisches Lithium ab. Das reagiert nur in geringem Maße mit der anorganischen Elektrolytlösung und bildet eine dünne, für Lithium-Ionen wieder sehr gut durchlässige Schutzschicht. Beim Entladen wird das verbleibende metallische Lithium gelöst, und die Ionen wandern zum positiven Wirtsgitter, in das sie neuerlich eingelagert werden.
Die gesamte Entladekapazität ist mithin um die geringe Lithiummenge vermindert, die mit der Elektrolytlösung reagiert hatte. Lädt man die Zelle nun erneut mit der Gesamtkapazität, bewirkt die überschüssige Strommenge eine Überladereaktion. Dabei entsteht an der positiven Elektrode ein lösliches Produkt, das mit den Substanzen der Schutzschicht reagiert, und die anorganische Elektrolytlösung bildet sich unter Erwärmung zurück. Beim Entladen steht dann die ursprüngliche Kapazität wieder zur Verfügung. Wird stark überladen, so reagiert das an der positiven Elektrode entstehende Produkt zusätzlich direkt mit dem sich abscheidenden Lithiummetall, doch auch dabei ensteht wieder die anorganische Elektrolytlösung. Derartige Zellen sind also außerordentlich stabil gegen Überladung und lassen sich zu Batterien zusammenschalten.
Die theoretisch speicherbare spezifische Energie dieses Systems liegt an der oberen Grenze des elektrochemisch Realisierbaren (Bild 1). Der normale Betriebsbereich reicht von minus 25 bis plus 50 Grad Celsius; für Anwendungen im Weltraum wurden Spezialzellen bei Temperaturen unter minus 60 Grad Celsius getestet. Die Batterie ist sehr schnell zu laden und vollständig – bis auf null Volt – zu entladen. Sie kann nicht brennen oder explodieren und läßt sich vollständig wiederaufarbeiten.
Mittlerweile haben wir auch die wichtigen elektrochemischen Prozesse aufgeklärt und die technische Entwicklung bis zu verschweißten Batteriezellen vorangetrieben. Unterdessen wird ein automatisierbarer Fertigungsprozeß entwickelt – die noch übliche Handfertigung ist zu aufwendig und ergibt nicht immer Produkte gleicher Qualität.
Vermutlich werden die neuen Batterien in vier Jahren kommerziell erhältlich sein, und zwar in unterschiedlichen Leistungsklassen: von Knopfzellen etwa für Hörgeräte über Folienbatterien für die mobile Kommunikation, Batterien für Notebooks, Hochleistungsbatterien für Akku-Werkzeuge sowie Stromquellen für Elektrofahrzeuge (Bild 2).
Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1996, Seite 103
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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