Wahrnehmung: Einseitiger Kompass
Unter einäugigen Zugvögeln ist derjenige König, dessen rechtes Auge noch funktioniert. Wie Forscher um Wolfgang Wilschko an der Universität Frankfurt jetzt feststellten, sitzt hier nämlich der magnetische Kompass. Nach heutigem Wissensstand ist es allerdings eigentlich ein chemischer: Durch Licht bereits angeregte Moleküle gehen je nach Ausrichtung der Fotopigmente im Magnetfeld in einen anderen angeregten Zustand über und dienen so als Richtungsgeber.
In den Versuchen der Frankfurter Forscher konnten sich Rotkehlchen, nachdem ihr linkes Auge zugeklebt worden war, noch genauso mühelos zurechtfinden wie zuvor: Beim Umpolen des künstlichen Magnetfeldes wechselten sie gleichfalls die Zugrichtung. War dagegen das rechte Auge abgedeckt, verloren die Tiere völlig die Orientierung. Diese Einseitigkeit spiegelt sich auch im Gehirn wider: In der linken Hirnhälfte der Rotkehlchen sind jene Kerngebiete stärker entwickelt, die sich mit der Verarbeitung magnetischer Richtungsinformationen befassen. Der Vorteil der Aufgabenteilung ist, dass die Tiere so in der rechten Hälfte Kapazität für andere Aufgaben frei haben. (Nature, 3. 10. 2002, S. 467)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2002, Seite 45
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