Feuerökologie
Der junge Wissenschaftszweig befaßt sich mit der noch wenig bekannten ambivalenten Rolle von Bränden in Wäldern und anderen Ökosystemen. Die dabei angewandten Methoden sind vielfältig – sie reichen von Laboruntersuchungen mit dem Mikroskop bis hin zu interkontinentalen Experimenten, bei denen auch Meßflugzeuge und Satelliten eingesetzt werden.
Wald- und Buschbrände sind für die Medien meist dann von Interesse, wenn spektakuläre Ereignisse damit verbunden sind, etwa Vororte kalifornischer oder australischer Städte evakuiert werden müssen und Versicherungsschäden in Milliardenhöhe entstehen oder eine Feuerwalze Campingplätze in Südfrankreich überrollt; ein Dauerthema ist die Dezimierung der tropischen Regenwälder durch Brandrodung. Auf Katastrophenmeldungen aus Australien im Januar 1994, wonach vernichtete Wälder 500 Jahre zur Regeneration benötigen würden, folgten allerdings einen Monat später überraschende Berichte, daß sich das Grün dort bereits wieder einstellte und auch die Koalas zurückkehrten.
Feuer, die auf den ersten Blick scheinbar verheerend in Ökosysteme eingreifen, gibt es jedoch nicht erst infolge menschlicher Aktivitäten, sondern bereits seit Beginn der Entwicklung von Vegetation auf der Erde. Fossile Spuren solcher Ereignisse in Form von Holzkohle (Fusinit) finden sich in Steinkohleflözen, die sich im Laufe von mehreren hundert Millionen Jahren aus urzeitlichen Wäldern gebildet haben. Besonders umfangreich sind derartige Feuerrelikte in den Holzkohleschichten bei Pittsburg (Kansas), die mehr als 300 Millionen Jahre alt sind.
Auch heute noch entzünden sich weltweit viele Wälder und andere Pflanzengesellschaften auf natürliche Weise, etwa durch Blitzschlag, oder werden nach tradierten Methoden mit Feuer nutzbar gemacht – freilich ohne daß man dies besonders beachten würde.
Ökologischer Regulationsfaktor
Diesen alltäglichen, aber weniger spektakulären Bränden in den dünn besiedelten Landschaften zwischen der subarktischen Tundra und dem tropischen Regenwald widmet sich die Feuerökologie, die sich mit den Auswirkungen und der Funktion des Feuers in Ökosystemen befaßt (Bild 1). Dieser vergleichsweise junge Zweig der Umweltwissenschaften hat in den letzten 20 Jahren die Kenntnisse über die komplexen Wechselwirkungen zwischen Feuer und Vegetation erheblich erweitert.
Die Grundlagen dazu haben Forstwissenschaftler vor allem des nordamerikanischen Kontinents gelegt. Dort hatte man zunächst – unter maßgeblichem Einfluß deutscher Fachleute – eines der mitteleuropäischen Dogmen der Forstwirtschaft unkritisch übernommen, nämlich daß Feuer schlecht für den Wald sei und darum grundsätzlich vermieden und entschieden bekämpft werden sollte. Aus der Sicht der Forstwirtschaft in den alten Kulturlandschaften und unter den bioklimatischen Verhältnissen Mitteleuropas war die Verdrängung des Feuers aus dem intensiv bewirtschafteten Wald verständlich; in den großen Naturräumen Nordamerikas aber, in denen Blitzschlagfeuer und die Brände aus den Landnutzungspraktiken der indianischen Urbevölkerung die Wälder und Prärien entscheidend geformt hatten, erwies sich die neue Devise, Feuer weitgehend auszuschließen, als fatal.
Die regelmäßig auftretenden Bodenfeuer in den Koniferenwäldern Nordamerikas haben nämlich eine stabilisierende und regulative Funktion. Je öfter sie ungehindert brennen können, desto weniger abgestorbene pflanzliche Biomasse sammelt sich zwischendurch an und desto geringer ist die Intensität von Bränden. Werden sie jedoch für längere Zeit absichtlich unterdrückt, so häuft sich genügend Brennmaterial an, daß das Bodenfeuer auch auf die Kronen der Bäume übergreifen und eine sehr viel verheerendere Wirkung auf den Waldbestand ausüben kann.
Die Anpassungsmechanismen sind vielfältig. Kiefern und Mammutbäume beispielsweise überstehen Bodenfeuer unbeschadet, weil ihre dicke Borke das empfindliche Gewebe des Kambiums (die dünne Schicht aus teilungsaktiven Zellen, die den Holzkörper umschließt) vor letalen Temperaturen schützt (Bild 2). Andere Mechanismen sichern die Regeneration eines verbrannten Waldes; unter Umständen ist Feuer sogar eine Voraussetzung dafür. Viele Baumarten sind nämlich Mineralbodenkeimer – ihre Samen gehen erst auf, wenn ein Feuer die keimungshemmende Streuschicht reduziert oder gänzlich entfernt hat. Die sogenannten serotinen Pflanzen, zu denen einige Kiefern- und Fichtenarten zählen, können ihre Samen sogar erst dann freisetzen, wenn große Hitze die Samenbehälter geöffnet hat; selbst hohe sommerliche Temperaturen reichen nicht aus, die Kapseln aufzusprengen.
Erst nachdem man solche natürlichen Wechselbeziehungen zwischen Feuer und unterschiedlichen Vegetationsformen erkannt hatte, ließ sich in Nordamerika eine vorbildliche naturgemäße Forstwirtschaft entwickeln. Mitte der siebziger Jahre ersetzte dann ein fein differenziertes Feuer-Management die bis dahin praktizierte Politik der Brandbekämpfung. Durch Blitzschlag entstandene Feuer – gegebenenfalls auch künstlich verursachte Brände – überläßt man nun sich selbst, wenn ihre Auswirkungen den Zielsetzungen eines naturgemäßen Ressourcen- beziehungsweise Ökosystem-Managements entsprechen.
Waldmosaik durch Feuer
Waldgesellschaften werden durch Feuer nicht immer homogen und großflächig geschädigt. Lokale Unterschiede im Mikroklima, in der Topographie und in der Zusammensetzung der Vegetation sowie die während eines Feuers sich ändernden Wetterbedingungen lassen ein vielfältiges Mosaik aus unterschiedlich stark verbrannten und unversehrten Flächen entstehen.
Die borealen Naturwälder der Taiga Eurasiens und Kanadas beispielsweise zeugen von einer lange zurückreichenden Beeinflussung durch Blitzschlagfeuer, zu denen erst mit zunehmender Erschließung dieser Gebiete auch fahrlässig gelegte Brände kamen. Unter natürlichen Bedingungen betragen die Intervalle zwischen zwei Feuern im hohen Norden mehrere hundert, oft sogar bis zu tausend Jahre. Die Waldlandschaft dort besteht aus einem mosaikartigen Gemenge unterschiedlich alter Sukzessionsstadien aus Pionierwäldern mit Birken und Pappeln, den danach aufwachsenden Kiefern und Lärchen sowie schließlich den feuerempfindlichen Fichten als Endstadium der Entwicklung (Bild 3 oben und Mitte).
Entsprechend diesem Nebeneinander verschiedener Entwicklungsstadien der Vegetation bilden sich auch vielfältige Habitate für die Fauna. Unverbrannte Waldreste zum Beispiel bieten Deckung und Ruhezonen für das Wild, während ihm Gras, Krautpflanzen und Stockausschläge auf den gerade zerstörten Flächen Nahrung liefern.
Feuersavannen
In den Grasländern der gemäßigten Zone und in den Savannen der wechselfeuchten Tropen und Subtropen erfassen Feuer weit größere Flächen, und sie prägen die Landschaft viel gleichmäßiger. Als Folge regelmäßigen Feuereinflusses bildet sich eine Grasschicht heraus, die aufgrund ihrer Kontinuität wiederum dazu beiträgt, daß Feuer sich großflächig ausdehnen können. Savannen stellen somit die größten zusammenhängenden Brandflächen der Erde dar – mehrere zehn- oder hunderttausend Hektar verbranntes Land, entzündet durch Blitzschlag oder infolge der bis heute erhaltenen Feuerkulturen der Savannenbevölkerung, sind nicht ungewöhnlich.
Im Gegensatz zu den langen natürlichen Feuerintervallen nördlicher Waldökosysteme treten die Savannenfeuer in erheblich kürzeren Abständen auf. In den Feuchtsavannen Westafrikas können sich in der kurzen Trockenzeit von etwa zwei Monaten bis zu zehn Tonnen brennbare Biomasse pro Hektar ansammeln; diese starke Auflage trockenen Grases sowie der allgegenwärtige Feuerdruck, den die ländliche Bevölkerung auf die intensiv genutzten Landschaften ausübt, läßt praktisch jedes Jahr große Flächen in Flammen aufgehen. In den Trockensavannen des Sahel hingegen, in denen kaum Niederschlag fällt und die Trockenzeit länger als acht Monate anhält, ist die Grasschicht derart spärlich, daß Feuer dort nur in Intervallen von mehreren Jahren auftreten. Mit fortschreitender Degradierung der Savannen wird die Diskontinuität der brennbaren Streuauflage immer größer, so daß das Feuergeschehen sich hier nur auf kleineren Flächen abspielt.
Feuer im Tropenwald
Entsprechend den zonalen Klimaräumen der immer- und wechselfeuchten Tropen ist auch die Feuerökologie der Waldgesellschaften unterschiedlich. In den Randtropen, in denen mit zunehmender Entfernung vom Äquator die Trockenzeiten ausgeprägter und länger werden, spielt das Feuer in den Trocken- und Halbtrockenwäldern eine bedeutende Rolle (Bild 4). In den Waldgesellschaften Südasiens ist die in der Trockenzeit abgeworfene Blattstreu der wichtigste Träger der Bodenfeuer, die diese Wälder ein- bis zweimal jährlich auf großer Fläche durchlaufen. Als besonders feuerangepaßt erwiesen sich die wirtschaftlich wertvollen Baumarten Teak (Tectona grandis) und Sal (Shorea robusta), die bei Ausschluß des Feuers von weniger interessanten Arten verdrängt werden. Diese Wälder stellen ebenso wie die tropischen und subtropischen Kiefernwälder halbnatürliche und völlig anthropogene Feuerökosysteme dar, die sich über den Feuereinfluß über Jahrhunderte und Jahrtausende herausgebildet haben.
In den Regenwaldbiomen des immerfeuchten Äquatorialklimas ist die Brandwirtschaft eine alte Form der Landnutzung. Die punktförmigen Eingriffe der relativ wenigen Ureinwohner hatten einen vergleichsweise naturnahen Effekt, der sich nicht wesentlich von den Auswirkungen natürlicher Kleinkatastrophen durch Windwurf großkroniger Bäume unterschied. Heute hingegen ist das Feuergeschehen eng mit großflächigen Änderungen der Landnutzung verknüpft: Dem Kahlschlag von Wald, der in land- oder weidewirtschaftliche Nutzflächen umgewandelt werden soll, folgt die Verbrennung der nicht nutzbaren oberirdischen Biomasse, die den größten Teil der Regenwälder ausmacht (Bild 5).
Sofern großflächig umgewandelte Waldstandorte nicht permanent anders genutzt werden, stellt sich auf den Brandflächen eine Sukzessionsvegetation ein. Besonders Gräser sind dazu geeignet, Brandflächen zu besiedeln und einen sekundären Feuerzyklus einzuleiten. Grasarten der Gattung Imperata brennen häufig jährlich und verhindern das Aufkommen natürlicher Waldvegetation (Bild 3 unten).
Wirkung auf Atmosphäre und Klima
Das Feuergeschehen im Tropenwald ist heute nicht mehr nur von rein ökologischem Interesse. Die bei der Verbrennung pflanzlicher Biomasse entstehenden Emissionen von Spurengasen und Aerosolen sind auch Gegenstand der Atmosphärenchemie und der Klimatologie (Bild 6). Von besonderer Bedeutung ist dabei der Anteil des Kohlenstoffs, der als gasförmiges Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt wird, wo es als Treibhausgas wirkt.
Während noch bis etwa in die dreißiger Jahre die Waldumwandlung in der gemäßigten Zone größer war als die in den Tropen, hat sich dies heute völlig umgekehrt.. In den letzten 130 Jahren wurden insgesamt etwa 90 bis 120 Milliarden Tonnen Kohlenstoff durch Waldumwandlung in die Atmosphäre verlagert; durch Brandrodung in den Tropenwäldern kommen derzeit schätzungsweise 1,1 Milliarden Tonnen pro Jahr hinzu. (Präziser läßt sich dieser Anteil nicht angeben, weil der Umfang der Brandrodungen, der Walddegradierung und der Entwaldungsraten nur ungenau bekannt ist.) Der größte Teil dieser Menge verbleibt in der Atmosphäre, weil die Folgevegetation – entweder natürliche Sukzession oder landwirtschaftliche Kulturen – vergleichsweise wenig Kohlenstoff wieder bindet.
Noch größere Unsicherheiten bestehen über Umfang und Verbleib des aus den Savannenbränden in die Atmosphäre freigesetzten Kohlenstoffs. Bisher ist nicht geklärt, welcher Anteil der etwa 2,6 Milliarden Hektar umfassenden tropischen Savannen tatsächlich jedes Jahr von Feuer überlaufen wird und wieviel Biomasse dabei verbrennt, denn noch gibt es keine zuverlässigen Statistiken oder systematischen und großräumigen Überwachungen durch Fernerkundung (Bild 7). Als Obergrenze für die jährliche Brandfläche sind aber eine Milliarde Hektar anzusehen.
Hinsichtlich der Kohlenstoffbilanz verhalten sich viele Savannenstandorte anders als Wälder: Die Produktivität von langfristig stabilen Feuersavannen bleibt trotz wiederholter Feuer konstant, so daß die Folgevegetation die gleiche Menge Kohlenstoff wieder bindet, die zuvor beim Brennen freigesetzt worden war.
Insgesamt betrachtet könnten Savannen sogar als bedeutende Kohlenstoffsenke wirken. Bei der Biomasseverbrennung entstehen nämlich große Mengen elementaren Kohlenstoffs, der nicht von Pflanzen aufgenommen wird. Dieser Ruß lagert sich ökosystemneutral ab, beispielsweise in Sedimenten. Auf diese Weise könnten stabile Feuersavannen der Atmosphäre mehr Kohlendioxid entziehen, als sie an diese abgeben; damit würden sie einen bedeutenden Regulationsfaktor darstellen.
Ozonalarm über dem Südatlantik
Zu den vielfältigen gasförmigen Produkten der Verbrennung pflanzlicher Biomasse gehören ferner Kohlenmonoxid, verschiedene Kohlenwasserstoffe und Stickoxide sowie Schwefelverbindungen. Daß unter der Einwirkung intensiver Sonneneinstrahlung dabei auch Ozon entsteht und eine wichtige Rolle spielt, ist weniger bekannt.
Anders als in den Polregionen, wo zu bestimmten Jahreszeiten die Ozonschicht in der Stratosphäre stark ausdünnt, ist in tropischen Regionen während der Trockenzeit in der tieferen Atmosphärenschicht – der Troposphäre – eine stark erhöhte Ozonkonzentration festzustellen. Messungen von Satelliten aus zeigen, daß über den industriell nicht belasteten Reinluftgebieten über dem Südatlantik die troposphärische Ozonkonzentration bis zu 50 Dobson-Einheiten betragen kann – ein Wert, bei dem in den Industrieländern der nördlichen Hemisphäre Ozonalarm ausgelöst würde.
Seit einigen Jahren verdichten sich die Hinweise, daß diese Belastung eine Folge der Waldverbrennung im Amazonasgebiet und der Savannen- und Buschbrände im südlichen Afrika ist. Experimente in Brasilien, im Kongogebiet und an der Elfenbeinküste haben gezeigt, daß sich bei starken Brennaktivitäten in photochemischen Reaktionen Smog bildet, durch den Ozon entstehen kann.
Das SAFARI-Experiment – Jagd auf Feuer und Ozon
Um die Auswirkungen von Vegetationsbränden auf die Umwelt zu untersuchen, sind Forschungsvorhaben auf internationaler Ebene erforderlich, an denen Naturwissenschaftler verschiedener Disziplinen wie Biogeochemie, Atmosphärenchemie, Feuerökologie, Forstwissenschaft und Klimatologie teilnehmen. Unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz wurden die Prioritäten solcher Projekte festgelegt. Als organisatorischer Rahmen dienten die Vereinbarungen des Internationalen Geosphäre-Biosphäre-Programmes (IGBP), speziell des Unterprogrammes "Auswirkungen der Biomasseverbrennung auf Biosphäre und Atmosphäre" (Biomass Burning Experiment).
Die seit Ende der achtziger Jahre vorbereiteten Meßkampagnen haben zum Ziel, die Auswirkungen der Feuer auf die Ökosysteme zu erforschen und dabei Art, Menge, Transport und Verbleib der freigesetzten Gase und festen Stoffe zu ermitteln. Die Verbrennungsprodukte sind dazu sowohl am Boden als auch in verschiedenen Höhen und in größerer Entfernung von den Bränden zu bestimmen. Langfristig soll auch der Umfang der Feuer und der durch sie zerstörten Vegetationsflächen ermittelt werden.
Nach zweijähriger Vorbereitung wurde im Rahmen des Southern Tropical Atlantic Regional Experiment (STARE) von August bis Oktober 1992 eine Meßkampagne durchgeführt, an der sich mehr als 150 Wissenschaftler aus 14 Ländern beteiligten. Diese Expedition untersuchte die Auswirkungen von Wald- und Savannenbränden in Südafrika und in Südamerika auf die Atmosphäre zwischen beiden Kontinenten und bestimmte dazu die sich jährlich bildenden hohen Konzentrationen von Ozon, Kohlenmonoxid und anderen Schadstoffen in der Troposphäre über dem Südatlantik.
Das Max-Planck-Institut für Chemie hatte federführend und gemeinsam mit zahlreichen Forschern aus dem südlichen Afrika sowie aus Belgien, Frankreich, Großbritannien, Kanada und den Vereinigten Staaten die Verantwortung für den afrikanischen Part der Meßkampagne, SAFARI-92 (Southern Africa Fire-Atmosphere Research Initiative), übernommen. Die deutschen Wissenschaftler konzentrierten sich dabei hauptsächlich auf zwei Komponenten: kontrollierte Feuerexperimente in Savannenlandschaften sowie die Charakterisierung der gasförmigen und festen Emissionen aus diesen und anderen Bränden, die in dieser Zeit im südlichen Afrika registriert wurden, mit Hilfe von Meßflugzeugen.
Die kontrollierten Experimente fanden innerhalb des Krüger-Nationalparks statt, der wichtige und für das südliche Afrika typische Savannenformen aufweist, deren Geschichte und Ökologie zudem von den dortigen Wissenschaftlern gut dokumentiert sind. Im September 1992 wurden zwei Brände gelegt, die jeweils etwa 2500 Hektar Savanne umfaßten – eine für die Blitzschlagfeuer und auch für die von der Urbevölkerung seit Zehntausenden von Jahren gelegten Brände typische Größe (Bild 8). Dieser Umfang der Feuer erlaubte unter anderem Emissionsmessungen vom Boden und von Flugzeugen aus (Bild 9). Auch über Zuckerrohrfeldern in Swasiland, wo regelmäßig große Flächen mit starker Rauchentwicklung abgebrannt werden, wurden die Emissionen gemessen.
Die Spurengase aus den Experimentalfeuern im Krüger-Nationalpark wurden im wesentlichen von einem kleinen Meßflugzeug und einem Hubschrauber aus bestimmt. Über den nördlichen Nachbarländern und dem Atlantik waren zwei größere Flugzeuge im Einsatz; eines davon war eine zu einem Großraumlabor ausgerüstete DC-8 der NASA. Die amerikanische Luft- und Raumfahrtbehörde wertete zudem Erdbeobachtungen von Satelliten aus, die ein aktuelles Bild der Feueraktivitäten im Untersuchungsgebiet lieferten. Eine Reihe von Bodenstationen ergänzte das Instrumentarium: Im Etoscha-Nationalpark von Namibia untersuchte eine Gruppe von amerikanischen und südafrikanischen Forschern die Höhenverteilung von Ozon, Luftfeuchte und Temperatur sowie die Zusammensetzung der Staubaerosole. Ähnliche Messungen führte eine Gruppe des Max-Planck-Instituts an den Viktoria-Fällen in Simbabwe durch.
Infolge einer extremen Dürreperiode im südlichen Afrika zwischen 1991 und 1992 hatte sich im Gegensatz zu vorhergehenden Jahren zur Zeit der Meßkampagne nur wenig brennbare Biomasse angesammelt; die experimentellen und auch alle anderen Feuer im Beobachtungsgebiet konnten sich mithin nicht so weit und gleichförmig ausbreiten wie unter gewöhnlichen Umständen. Dennoch fanden die Forscher im Luftraum über Südafrika, Simbabwe, Sambia, Angola, Namibia und Botswana sehr hohe Konzentrationen von Ozon, Kohlenmonoxid, Stickoxiden, Formaldehyd und Rauchpartikeln, die aus den künstlich gelegten und natürlich entstandenen Savannenfeuern stammten. Die Rauchaerosole waren oft so dicht, daß der Erdboden aus einer Höhe von zwei bis drei Kilometern nur schwer auszumachen war. Die Ozonkonzentration erreichte Werte bis zu 220 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Auch über dem Südatlantik wurden ähnlich hohe Werte gemessen. Solche großräumig anzutreffenden Schadstoffkonzentrationen waren bis dahin nur von den industriell belasteten Gebieten Europas und Nordamerikas bekannt.
Die aus der Forschungskampagne STARE/SAFARI gewonnenen Daten werden derzeit noch endgültig ausgewertet. Aber bereits jetzt ist offensichtlich, daß die Vegetationsbrände im südlichen Afrika erhebliche Auswirkungen auf die Qualität der regionalen und globalen Atmosphäre haben – ein Phänomen, das seit Hunderttausenden, ja vielleicht Millionen von Jahren besteht.
Feuersturm in der Taiga
Mit dem Öffnungsprozeß in der früheren Sowjetunion konnte in vielen Bereichen der Umweltforschung die Ost-West-Zusammenarbeit erheblich intensiviert werden. Nach ersten Kontakten 1991 kam schließlich im Juni und Juli 1993 das Experiment FIRESCAN (Fire Research Campaign Asia-North) in Sibirien zustande. Im Gegensatz zu den Grasfeuern der tropischen Savannen können die Feuer in den dortigen borealen Kiefern-Fichten-Wäldern erheblich einschneidendere Auswirkungen auf das Vegetationssystem haben. In den kontinentalklimatisch trockenen Sommern Sibiriens entwickeln sich Waldbrände häufig zu sehr intensiven, heißenn Vollfeuern, welche die über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte gewachsene Vegetation vollständig vernichten.
An der ersten Meßkampagne 1993 nahmen etwa 30 Wissenschaftler aus acht Nationen teil. Sie untersuchten einen extrem intensiven Waldbrand in der Region Krasnojarsk, beschrieben das Feuerverhalten und die ökologischen Auswirkungen auf den Waldbestand (diese Beobachtungen müssen noch über Jahrzehnte fortgesetzt werden) und führten vom Hubschrauber und vom Boden aus Emissionsmessungen durch (Bild 10). Eine vorläufige Auswertung zeigt, daß im Vergleich zu Savannenfeuern ein größerer Anteil chemisch und photochemisch reaktiver Kohlenstoffverbindungen freigesetzt wurde; dies ist eine Folge der unvollständigeren Verbrennung der pflanzlichen Biomasse.
Neue Erkenntnisse brachte die Untersuchung von Bromverbindungen, die bei der Pyrolyse entstehen und durch die heiße, aufsteigende Luft mehrere Kilometer hoch in die Atmosphäre transportiert werden. Die während FIRESCAN gemessenen Emissionsraten von Methylbromid (CH3Br) sind die bislang höchsten bei Vegetationsbränden beobachteten. Die ozonabbauende Wirkung von Brom ist 40fach stärker als die des in den Fluorchlorkohlenwasserstoffen enthaltenen Chlors. Die Emissionen aus den Taiga-Bränden tragen somit zur Ausdünnung der stratosphärischen Ozonschicht und damit zur erhöhten Einstrahlung von ultraviolettem Licht auf die Erde bei. Hier zeigt sich, daß Feuer den Ozonhaushalt sehr unterschiedlich beeinflussen können – je nachdem, in welche Atmosphärenschichten die gasförmigen Verbrennungsprodukte gelangen.
Rauchschleier über Südostasien
In den kommenden Jahren wird das MPI für Chemie das Feuergeschehen in Südostasien untersuchen. Die während der Trockenzeit über der Region hängenden Rauchschleier, die sich bei großräumigen Inversionswetterlagen zu Smog verdichten und so die Gesundheit beeinträchtigen können (etwa in den Jahren 1982, 1983, 1987 und 1991), haben vielfältige Ursprünge: In Indonesien und Malaysia und auch in den kleineren Nachbarländern wird der tropische Regenwald unvermindert in großem Umfang in andere Nutzungsformen umgewandelt; dabei wird der größte Teil der industriell nicht verwertbaren Waldbäume und ihrer ökologisch wertvollen, artenreichen Begleitvegetation verbrannt. In den trockenen Monsunwäldern des südasiatischen Festlands brennen zudem jährlich viele Millionen Hektar, zumeist in Bodenfeuern, an die diese Wälder durchaus angepaßt sind. Aber zusammen mit dem großflächigen Abbrennen von Reisstroh und den Waldumwandlungsfeuern im tropischen Tiefland ergibt sich eine ausgesprochen starke Emissionsbelastung der gesamten Region. Während der Meßkampagne SEAFIRE (South East Asian Fire Experiment) sollen ökologische und atmosphärenchemische Untersuchungen in Indonesien, Vietnam, Thailand, Malaysia und weiteren Ländern der Region durchgeführt werden.
Aus den dabei und aus Messungen in anderen Regionen gewonnenen Detailergebnissen hofft man, die Bedeutung des Feuers aus einem globalen ökologischen Verständnis heraus besser beurteilen zu können. Dabei ist die Geschichte des natürlichen und des vom Menschen verursachten Feuers in der Vegetation der Erde ebenso zu untersuchen wie die derzeitige und künftige Rolle des Feuers in einer Umwelt, die durch den Menschen zunehmend verändert wird. Das Zusammenfügen eines umfassenden Feuermodells ist darum eine Aufgabe, die nur durch interdisziplinäres Zusammenarbeiten möglich ist. Die hier vorgestellten Forschungsprogramme sind die Voraussetzung dafür, zu einer objektiven Bewertung des Feuers zu kommen und diese in einen Bezug zu modernen anthropogenen Veränderungen der globalen Umwelt durch technische Verbrennungsprozesse zu setzen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1994, Seite 86
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