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Energieeinsparung: Gebäude mit Köpfchen

Mit den weltweit stark wachsenden Stadtbevölkerungen steigen auch die Ansprüche an Wohnraum, Büro- und Produktionsflächen. Gebäudeautomation und Managementsysteme heißen die Schlüsselwörter.


Ein Kilometer hohe Wolkenkratzer, schwimmende Kasinostädte auf dem Meer, Ansiedlungen auf dem Mond – die Planungen ehrgeiziger Architekten kennen nahezu keine Grenzen, aber bis zu einer Realisierung derartiger Visionen wird wohl noch viel Zeit vergehen. Doch auch die Gebäude, die derzeit überall auf der Welt gebaut werden, wären vor wenigen Jahrzehnten noch als utopisch angesehen worden: In Asien machen sich heute die höchsten Bürobauten der Welt gegenseitig Konkurrenz, ob die Petronas Towers in Kuala Lumpur mit 452 Meter Höhe oder das World Financial Center in Schanghai mit 460 Meter. Allein in Schanghai entstanden seit den achtziger Jahren 400 Wolkenkratzer und neue Stadtteile für Millionen Einwohner.

Auch das Eindringen von Informations- und Kommunikationstechnologien in die Gebäude hätte sich vor zwanzig Jahren noch kaum jemand vorstellen können. Doch auf dieser Gebäudeautomatisierung in Verbindung mit einer modernen Wärmedämmung und Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung ruhen heute die Hoffnungen, den Energieverbrauch all der Bauten in Grenzen zu halten, die in den Städten neu entstehen oder modernisiert werden. Denn Wärmeversorgung, Lüftung, Kälte- und Klimatechnik sowie Beleuchtung machen einen Großteil des Energieverbrauchs von Gebäuden aus, in Produktionsunternehmen sind dies etwa bis zu fünfzig Prozent.

Energiemanagement heißt die Devise. Winfried Haas, Leiter des Energie-managements bei ABB Gebäudetechnik, sieht hier große Einsparpotenziale: "Wenn wir den Ist-Verbrauch mit dem errechneten Idealverbrauch eines Gebäudes vergleichen, lassen sich Schwachstellen gut identifizieren." Zur Modernisierung müsse der Besitzer dann nicht einmal eigenes Geld in die Hand nehmen: ABB, wie auch Honeywell und Siemens, bieten ihm die Finanzierung nach den Methoden des Energiespar- oder Performance-Contractings an. Das Unternehmen, das die Aufrüstung durchführt, bezahlt diese auch und refinanziert sich über einen Teil der erzielten Einsparungen. "Vom anderen Teil der gesparten Energiekosten profitiert der Kunde sofort", erklärt Haas.

Ein wichtiger Baustein der Gebäudesystemtechnik sind Bussysteme wie der Europäische Installationsbus EIB. Diese Anlagen dienen dazu, dass Heizung und Jalousien, Beleuchtung und Lüftung, Hausgeräte und Sicherheitsanlagen Daten austauschen können und über Schnittstellen auch mit der Außenwelt, etwa dem Internet, verbunden sind (Spektrum der Wissenschaft 5/99, S. 87).

Besseres Management spart Millionen


Viele Bürogebäude in Europa – aber auch immer mehr Privathäuser – sind inzwischen mit derartigen Vernetzungstechnologien ausgestattet. In der Commerzbank-Zentrale in Frankfurt sind beispielsweise Zehntausende von Sensoren und Aktoren miteinander verknüpft: vom Lichtsensor bis zum Heizungsventil, vom Bewegungs- und Rauchmelder bis zum Fenstermotor. Bei starkem Wind, wenn es regnet oder zu kalt ist, schließen die Fenster automatisch. Wenn die Mitarbeiter die Büros verlassen und keine Bewegung mehr registriert wird, schaltet sich das Licht selbsttätig aus.

Die Fachleute der Victoria-Versicherung in Düsseldorf haben errechnet, dass sie mit einem vergleichbaren System innerhalb von zehn Jahren rund drei Millionen Euro Betriebskosten sparen und 160000 Tonnen Kohlendioxid weniger emittieren als andere Gebäude dieser Größe. Eine gute Datenverwaltung und -analyse sind allerdings notwendig, um mit der Gebäudeautomation derart hohe Einsparungen erzielen zu können. "So lässt sich beispielsweise der Energieeinsatz optimieren, wenn man weiß, wann sich welche Geräte einschalten, wie das Gebäude auf Kühl- und Heizzyklen reagiert, oder wie viel Wärme die Wände abstrahlen", erklärt Dr. Jürg Muggli, Leiter Produktmarketing und Entwicklung bei Landis & Staefa in Zürich. "Vor allem im Frühjahr und Herbst kann ein intelligentes Verfahren zur Regelung von Temperatur und Feuchte bis zu dreißig Prozent Energie sparen."

In Westfalen hat sogar eine ganze Gemeinde, die 217000 Einwohner zählende Stadt Hagen, beschlossen, ihre 310 öffentlichen Gebäude optimal zu bewirtschaften. Dies sind vor allem Schulen, Sportstätten, Kindergärten und Verwaltungsgebäude. Ein Gutachten von Landis & Staefa lieferte gute Argumente für den Einsatz eines übergreifenden Gebäudemanagements: Durch geeignete Maßnahmen – beispielsweise die Erneuerung von 230 Wärmeversorgungsanlagen und den Aufbau einer technischen Infrastruktur für die Gebäudeautomation – ließen sich nach Aussagen des Gutachtens der Energieverbrauch um mindestens 21 Prozent, der Wasserverbrauch um 5 Prozent und die Schadstoffemissionen um 25 Prozent senken. Aufgrund dieser Ergebnisse schloss die Stadt Hagen unlängst mit Landis & Staefa einen Bewirtschaftungsvertrag mit 20-jähriger Laufzeit ab.

Automaten bewältigen Krisen


Energieeinsparungen sind nicht die einzigen Gründe dafür, dass Bauten verstärkt auf Informations- und Kommunikationstechnologien setzen. Über Da-tenleitung werden immer mehr Energieanlagen, Kommunikationsnetze oder Alarm- und Notfallsysteme von spezialisierten Fachkräften aus der Ferne überwacht. Bei Bedarf können sie sich innerhalb von Sekunden in das betreffende Netz einwählen, um eventuelle Fehler zu lokalisieren und, falls möglich, zu beheben.

Die bislang ausgefeilteste Computerintelligenz haben die Planer bei einem der höchsten Gebäude der Welt realisiert, dem über 420 Meter hohen Jin Mao Building in Schanghai, das in den obersten 36 Stockwerken ein Grand Hyatt Hotel beherbergt: Schon die brandmeldetechnische Überwachung der Liftanlagen, die sich auf mehrere Kilometer Länge erstrecken, war eine echte Herausforderung für die Netzwerkspezialisten.

Eine weitere war die Krisenbewältigung im Katastrophenfall: Wie können all die Bewohner eines derart hohen Gebäudes informiert und evakuiert werden, ohne dass eine unkontrollierbare Panik eintritt? Die Lösung der Gebäudeautomation: ein genau abgestuftes Evakuierungssystem, das auf mehrere untereinander vernetzte Sicherheitszentralen und vor allem auf vorprogrammierte Notfallszenarien zurückgreift, die in den Leitrechnern für alle denkbaren Fälle gespeichert sind.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2000, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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