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Astrophysik: Gefrorene Dunkle Energie

Nach einer spekulativen neuen Theorie sind Schwarze Löcher nicht alles verschlingende Abgründe, sondern erstarrte Sternleichen mit undurchdringlicher Kruste.


Auf den ersten Blick ist an dem Lichtmikroskop im Labor von Watt W. Webb an der Cornell-Universität in Ithaca (US-Bundesstaat New York) nichts Besonderes zu entdecken: ein Objekttisch, darunter ein Objektiv, durch das ein Laser eine auf dem Tisch liegende Probe beleuchten kann, das Ganze umgeben von leistungsstarken Detektoren. Und doch ist dieses Mikroskop einzigartig: Mit ihm lässt sich die Bewegung einzelner Moleküle sichtbar machen, selbst wenn diese in hochkonzentrierter Lösung vorliegen (Science, Bd. 299, S. 682).

Bisher gelingt das nur in verdünnten Lösungen. Auch dazu bedarf es allerdings eines Tricks. Da selbst relativ große Moleküle – wie Enzyme oder Abschnitte der Erbsubstanz DNA – wesentlich kleiner sind als die Wellenlänge von normalem Licht, kann man sie grundsätzlich nicht scharf abbilden – nicht einmal mit den besten Objektiven; das so genannte Beugungslimit verhindert die dafür nötige Vergrößerung. Um die Moleküle dennoch "sehen" zu können, kleben ihnen Forscher ein fluoreszierendes Etikett an. Dieses leuchtet auf, sobald ein Laserstrahl darauf fällt. Die Fluoreszenz ist zwar viel schwächer als das anregende Laserlicht. Aber sie hat eine andere Farbe, sodass sie durch Filter abgetrennt werden kann. Auf diese Weise lässt sich der Aufenthaltsort eines etikettierten Biomoleküls in einer Lösung bestimmen.

Voraussetzung ist freilich, dass sich nicht mehr als ein solches Molekül im Lichtkegel des Laserstrahls befindet. Und an dieser Stelle macht das Beugungslimit wieder Ärger. Da ein Lichtfleck nämlich nicht viel schmaler als die halbe Wellenlänge des betreffenden Lichts sein darf, kann ein Laserstrahl nicht auf einen beliebig kleinen Raumbereich fokussiert werden. Im Fall von grünem Licht entspricht das kleinstmögliche Volumen einem Würfel mit einer Kantenlänge von einem viertel Mikrometer. Bei den Konzentrationen, in denen Biomoleküle üblicherweise in Zellen vorliegen, enthält ein solcher Würfel aber mindestens tausend von ihnen. Deren Fluoreszenzlicht überlagert sich, und sie können nicht voneinander unterschieden werden.

Den Biologen blieb bisher nur ein Ausweg aus diesem Dilemma: Sie mussten die Konzentration ihrer Untersuchungsobjekte künstlich auf weniger als ein Tausendstel verringern. Doch in dieser Verdünnung verhalten sich viele Biomoleküle völlig anders als in ihrer natürlichen Umgebung. Sie sind nun zu weit voneinander entfernt, um interagieren zu können. Genau auf solchen Wechselwirkungen beruht aber das Funktionieren der Zelle. Ihnen gilt daher auch das Inte-resse von Biologen oder Pharmakologen, die zum Beispiel die Anlagerung einer Substanz an ein Enzym beobachten wollen, um Ideen zur Entwicklung eines neuen Medikaments zu erhalten. Dazu müssen sie aber das Verhalten von Molekülen in natürlichen Konzentrationen verfolgen können.

Lokalisierung einzelner Moleküle mit Lichtblitzen

Genau dieses Kunststück bringt Webb mit seinem neuartigen Mikroskop auf überraschend einfache Weise fertig. Er benutzt dazu ein Deckglas, wie es zur Standardausrüstung jedes Biologielabors gehört. Es enthält kleine runde Vertiefungen, die das Aufpipettieren der Lösung erleichtern, in der die Moleküle schwimmen. Webbs Deckglas hat allerdings eine entscheidende Besonderheit. Es ist mit einem hauchdünnen Aluminiumfilm überzogen, in den mit lithografischen Verfahren der Halbleiterindustrie Hunderttausende winzig kleiner Löcher eingeätzt wurden – 90000 pro Mulde.

Diese Löcher sind in einem quadratischen Gitter angeordnet und haben Durchmesser von nur wenigen Dutzend Nanometern. Damit sind sie zu klein, um Licht durchzulassen. Wenn man das Deckgläschen von unten beleuchtet, wird die Strahlung deshalb reflektiert. Ein Teil dringt aber zumindest ein Stück weit in die Löcher ein. Obwohl die Intensität des eingedrungenen "evaneszenten" Lichts innerhalb von wenigen Dutzend Nanometern exponentiell auf null abfällt, beherbergt jedes Loch dadurch eine endliche Lichtmenge. Deren Volumen aber ist viel kleiner als die vom Beugungslimit vorgeschriebene Mindestgröße – es beträgt weniger als den hunderttausendsten Teil davon!

Die Lichtflecke in den Löchern sind damit so winzig, dass die Forscher nun einzelne Moleküle in hunderttausendmal höheren Konzentrationen beobachten können als bisher. Der Ablauf der Experimente unterscheidet sich dabei nicht von herkömmlichen Untersuchungen mit normalen Deckgläsern.

Zuerst wird die Probelösung in eine der Vertiefungen pipettiert. Dort schwirren dann die zu untersuchenden Moleküle mit ihren Fluoreszenzfarbstoff-Etiketten auf Grund von Wärmebewegungen ziellos umher. Dabei gerät eines von ihnen ab und zu einmal in ein Loch in der Aluminiumschicht am Boden. Im dortigen hoch konzentrierten Lichtfeld leuchtet sein Etikett dann als heller Lichtblitz auf. Eine Mikrosekunde später ist es allerdings schon wieder aufgetaucht und somit verschwunden. Indem die Wissenschaftler die zahlreichen Lichtblitze auf dem Deckglas beobachten und orten, können sie mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung für viele einzelne Moleküle zugleich verfolgen, wie diese durch die verschiedenen Löcher wandern.

Auf die geschilderte Weise gelang es Webb und seinem Team schon in einem ersten Test, die schwache Wechselwirkung zwischen zwei Molekülen nachzuweisen. Für die Probe aufs Exempel wählten die Forscher die Bindung von Nucleotiden – den Bausteinen der DNA – an die DNA-Polymerase. Dieses Enzym schnappt sich passende Nucleotide aus seiner Umgebung und baut sie nacheinander in einen wachsenden DNA-Strang ein. Mit einem chemischen Trick befestigten die Wissenschaftler die Polymerase am Boden der Löcher im Aluminiumfilm ihres Deckgläschens. Dann brachten sie eine Lösung mit fluoreszenzmarkierten Nucleotiden auf und betrachteten das Geschehen durch das Mikroskop.

Wenn die Nucleotide bei ihrer Bewegung in der Flüssigkeit durch die Löcher wanderten, leuchteten sie, wie erwartet, mehrere Mikrosekunden lang auf. Allerdings beobachteten die Forscher auch einige Lichtblitze, die tausendmal länger anhielten. In diesen Fällen hatte sich das betreffende Nucleotid offenbar an das Enzym gebunden und tauchte deshalb nicht wieder auf. Dass das Leuchten dennoch nach einigen Millisekunden erlosch, liegt an der relativ hohen Lichtstärke in den Löchern: Sie lässt den Fluoreszenzfarbstoff mit der Zeit ausbleichen.

Somit gelang es erstmals, die schwache Wechselwirkung zweier Moleküle in konzentrierter Lösung direkt zu beobachten. Trotz dieses beachtlichen Fortschritts weisen allerdings auch die Deckgläser mit der durchlöcherten Aluminiumschicht noch einige Unzulänglichkeiten und Beschränkungen auf. Zum Beispiel eignen sie sich nicht zur Untersuchung ganzer Zellen – diese sind schlicht zu groß und passen nicht in die Löcher hinein. Auch der Metallfilm selbst wirkt störend, da er die Fluoreszenz von Molekülen unterdrücken kann, wenn sie ihm zu nahe kommen. Immerhin aber lassen sich die Deckgläschen problemlos in verschiedene Mikroskope oder andere optische Untersuchungsgeräte integrieren. Als Nächstes will Webb versuchen, damit die genetische Information von einzelnen DNA-Strängen direkt abzulesen.

Er­eig­nis­lo­ser Ho­ri­zont

Was geschieht, wenn Sie in ein Schwarzes Loch fallen? Das hängt von der Theorie ab. Gemäß der Allgemeinen Relativitätstheorie fühlen Sie sich die ganze Zeit schwerelos, auch während Sie den Ereignishorizont durchqueren und unaufhaltsam weiter ins Loch stürzen. Da alles in Ihrer nächsten Umgebung mit Ihnen fällt, haben Sie keinen Grund, etwas Ungewöhnliches zu vermuten. Die vernichtenden Gezeitenkräfte machen sich erst später bemerkbar. Nur ein äußerer Beobachter könnte erkennen, was mit Ihnen vorgeht. "Im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie wäre es unmöglich, einen kleinen tragbaren Sensor mit einer Alarmanlage zu bauen, die Ihnen mitteilt: Sie sind gerade in ein Schwarzes Loch gefallen, Ihr letztes Stündlein hat geschlagen", sagt Scott A. Hughes vom Massachusetts Institute of Technology. Gemäß den neuen Modellen hingegen brauchen Sie keinen dezenten Hinweis, was Ihnen geschlagen hat, wenn Sie den Horizont erreichen: Sie prallen entweder höchst unsanft gegen eine Hülle aus hyperdichter Materie, oder die Teilchen Ihres Körpers zerstrahlen in Form von Gammaquanten.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2003, Seite 17
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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