Molekularbiologie: Gene springen über Artgrenzen hinweg
In den kalten Gewässern der Polargebiete haben Meereslebewesen diverse Mechanismen ausgeprägt, um mit den tiefen Temperaturen umzugehen. Verbreitet ist die Fähigkeit, Gefrierschutzproteine (»Anti-Freezing Proteins«, AFP) zu bilden, die das Wachstum von zerstörerischen Eiskristallen in Blut, Körpergewebe und Zellen verhindern. Dieses Merkmal hat sich mehrfach unabhängig voneinander entwickelt – sowohl bei Fischen als auch bei Pflanzen, Pilzen und Bakterien.
Daher überrascht es zunächst nicht, dass Heringe (Clupeidae) und Stinte (Osmeridae) – zwei Fischfamilien, die im Nordatlantik und Nordpazifik zahlreich vertreten sind – beide AFP produzieren. Bei näherem Hinsehen verblüfft es jedoch, dass sie hierfür dasselbe Gen nutzen. Die Entwicklungslinien der beiden Familien haben sich vor mehr als 250 Millionen Jahren getrennt, und enger verwandte Gruppen besitzen die entsprechende Erbanlage nicht.
Ein Team um Laurie Graham von der Queen’s University (Kanada) hat eine Aufsehen erregende Erklärung dafür gefunden. Laut der These wanderte das Gen aus dem Herings- direkt in das Stintgenom – und zwar ohne geschlechtliche Vereinigung, denn diese Gruppen sind unfähig, sich miteinander zu kreuzen, wie zahlreiche Experimente belegt haben. Die Erbanlage ist somit auf nichtsexuelle Weise übertragen worden …
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