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Gigantische Explosionen in aktiven Galaxien

Die Zentren mancher Sternsysteme sind derart turbulent, daß riesige Schwaden heißen Gases herausgeschleudert werden; sie reißen dabei andere Materie mit und treiben sie bis in den intergalaktischen Raum hinaus. Die Mechanismen dieser gewaltigen Energiefreisetzung beginnt man langsam zu verstehen.

Die meisten der Millionen Galaxien am Nachthimmel sind deswegen mit Fernrohren erkennbar, weil sich das Licht von jeweils mehreren Milliarden Sternen zu einem diffusen Scheibchen überlagert. Manche enthalten jedoch in ihrem zentralen Bereich eine gleißend helle Punktquelle, die den Rest des jeweiligen Sternsystems bei weitem überstrahlt. Einzelheiten in diesen überaus leuchtkräftigen Objekten lassen sich selbst mit den leistungsfähigsten Teleskopen nicht auflösen. Doch schleudern die gewaltigen dynamischen Prozesse in den kompakten Kernen mitunter heißes Gas – mit einer Temperatur von mehr als einer Million Grad – so weit nach außen, daß das Auflösungsvermögen der irdischen Instrumente ausreicht, es zu erfassen.

In dem interstellaren Medium aus Gas und Staub, das die erhitzte Materie durchquert, hinterläßt sie zudem Spuren, aus denen sich Indizien für Art und Ablauf der unvorstellbar gewaltigen Kräfte innerhalb des Galaxienkerns gewinnen lassen. Daraus können die Astronomen ableiten, was sich in diesen kosmischen Kraftwerken verbirgt und welche Effekte die immensen Gasströme auf die Materie im Raum zwischen den Galaxien ausüben.

Derart gigantische Explosionen scheinen bereits seit der Frühzeit des Universums abzulaufen – was sicherlich auch die Region beeinflußt hat, in der unser Milchstraßensystem sich entwickelte. Wenn man die Ursache der heute beobachtbaren Ereignisse ermitteln kann, wird vielleicht zu verstehen sein, wie damals die Verteilung der chemischen Elemente beeinflußt wurde, die für das Entstehen der Sonne und unseres Planetensystems wie auch anderer Sterne in der Galaxis entscheidend war.

Schwarze Löcher und Starbursts

Die Astronomen haben zwei recht unterschiedliche Erklärungen für die kompakten Energiequellen in den Galaxienkernen parat. Die erste entwickelten Martin J. Rees von der Universität Cambridge (England) und Roger D. Blandford, der nun am California Institute of Technology in Pasadena tätig ist. Anfang der siebziger Jahre suchten beide die ungewöhnlich hohe Leuchtkraft (die mehrtausendfach größer ist als die des Milchstraßensystems) und die spektakulären Radiojets (lange, eng gebündelte Materiestrahlen, die intensive elektromagnetische Strahlung im Radiofrequenzbereich aussenden) zu erklären, die einige Millionen Lichtjahre weit aus den Zentren einiger hyperaktiver junger Galaxien – der Quasare – herausreichen. Sie postulierten, daß ein extrem massereiches Schwarzes Loch, das nicht viel größer als die Sonne sei, aber etwa einmillionmal mehr Masse enthalte, die Energie der Quasare liefere (vergleiche Spektrum der Wissenschaft, Juli 1982, Seite 80, sowie Januar 1991, Seite 98).

Ein solches mysteriöses Objekt erzeugt selbst zwar kein Licht; aber durch seine gewaltige Schwerkraft zieht es Materie aus der Umgebung an, die sich ihm auf spiralförmigen Bahnen nähert. Durch Stöße der Teilchen in diesem riesigen Wirbel heizt sich das Material mit zunehmender Dichte immer weiter auf und sendet dabei elektromagnetische Strahlung aus. Der Innenbereich der Akkretionsscheibe, der am dichtesten und damit am heißesten ist, emittiert sogar energiereiche Ultraviolett- und Röntgenstrahlung. Ein kleiner Teil davon wird vom umgebenden Gas absorbiert und in Form diskreter Spektrallinien im sichtbaren und ultravioletten Licht wieder emittiert.

Die meisten Astronomen sind mittlerweile davon überzeugt, daß nicht nur Quasare ihre Energie aus solchen turbulenten Prozessen um ein massereiches Schwarzes Loch beziehen, sondern auch die nähergelegenen aktiven Galaxien, deren Energiefreisetzung geringer, aber immer noch beeindruckend hoch ist.

Während sich die Akkretionsscheibe aufheizt, erreicht das Gas in ihrer Umgebung Temperaturen von einigen Millionen Grad und expandiert mit hoher Geschwindigkeit. Dieser Materiefluß – vergleichbar dem viel geringeren Partikelstrom, der beständig von der Sonne (hier Sonnenwind genannt) und anderen Sternen ausgeht – reißt weiteres Gas im interstellaren Raum mit und schleudert es aus der Kernregion der Galaxie heraus. Die strahlenden Stoßfronten, die sich dabei bilden, können sich über Tausende von Lichtjahren erstrecken und damit die Ausmaße der Galaxie selbst erreichen; das macht sie zu leicht beobachtbaren Objekten. In einigen Fällen entstehen auch Radiojets, wenn schmale Bündel aus stark beschleunigtem Gas ein Magnetfeld – das womöglich in der Akkretionsscheibe entsteht – durchqueren.

Der zweiten Erklärung zufolge können aktive Galaxienkerne ihre Energie auch aus einer kurzfristig erhöhten, geradezu explosionsartigen Sternbildung beziehen. Solche Starbursts gehen mit starken Sternwinden einher und rufen letztlich – wenn die Sterne gealtert sind – eine Welle von Supernova-Explosionen hervor. Die von den Supernovae weggeschleuderten Gasmassen treffen auf die umgebende interstellare Materie und heizen sie auf einige Millionen Grad auf.

Ähnlich einer Dampfblase in kochendem Wasser sucht sich die so erhitzte Materie auszudehnen. Dabei sammeln sich kühlere Gase und Staubpartikel in einer dichten Schale am Hüllenrand der Blase an und bremsen deren weitere Expansion. Die entstehende Übergangszone ist von heftigen Turbulenzen geprägt und läßt sich ohne weiteres von der Erde aus erkennen (Bild 4). Sofern die Gasmassen genügend Bewegungsenergie haben, kann sich die Blase bis über die galaktische Scheibe hinaus aufblähen und ihren heißen Materieinhalt mitsamt den verdrängten Gas- und Staubmassen in den Halo des Sternsystems oder sogar Tausende von Lichtjahren in den intergalaktischen Raum hinaus tragen.

Die Frage ist nun, ob Starbursts allein ausreichen, die von aktiven Galaxien ausgehenden Ströme heißen Gases zu verursachen. Die jüngste Untersuchung dazu haben Roberto Terlevich vom Royal Greenwich Observatory (England) und seine Mitarbeiter durchgeführt. Bereits 1985 hatten Terlevich und Jorge Melnick – der nun an der Europäischen Südsternwarte in La Silla (Chile) arbeitet – darauf hingewiesen, daß viele solcher Galaxien extrem heiße Sterne mit Temperaturen von mehr als 100000 Grad und mit sehr starken Sternwinden enthalten. Solche ungewöhnlichen Himmelskörper, im englischen Fachjargon auch als warmer (etwa: überheiße Sterne) bezeichnet, entstehen den beiden Wissenschaftlern zufolge ganz natürlich, wenn ein Starburst in einem Bereich stattfindet, der durch vorangegangene Supernovae mit schweren chemischen Elementen angereichert worden ist. Terlevich und seine Kollegen sind sich sicher, daß ihr Modell die Spektren und viele andere Eigenschaften bestimmter aktiver Galaxien zu erklären vermag.


Das Kraftwerk im Galaxienkern

Welcher dieser beiden Mechanismen – Schwarzes Loch oder Starburst – wirkt nun tatsächlich als Energielieferant? Das läßt sich anhand von charakteristischen Unterschieden ermitteln.

Ein Schwarzes Loch vermag nämlich bis zu zehn Prozent der einfallenden Materie in Energie umzuwandeln, wohingegen Starbursts auf Kernverschmelzungsprozessen beruhen, deren Wirkungsgrad nicht mehr als 0,1 Prozent beträgt. Um dieselbe Energiemenge freizusetzen, würden darum Starbursts mindestens das Hundertfache an Materie erfordern, die zum größten Teil als unverbrauchter Brennstoff zurückbliebe. Während der Leuchtdauer eines von Starbursts gespeisten Quasars müßten sich so etwa einhundert Milliarden Sonnenmassen im Kern der Galaxie ansammeln – entsprechend der Masse des gesamten Milchstraßensystems.

Aus der Geschwindigkeit, mit der Sterne in der Nähe des Zentrums umlaufen, läßt sich nun die Masse der darin befindlichen Materie abschätzen. Optische Beobachtungen vom Erdboden aus, die durch die Luftunruhe behindert werden, sind allerdings zu ungenau, als daß man verläßliche Werte bestimmen könnte. Mit Radioteleskopen gelang es jedoch kürzlich, in der nahegelegenen Spiralgalaxie NGC4258 eine Akkretionsscheibe mit einem inneren Durchmesser von einem Lichtjahr nachzuweisen, die mit hoher Geschwindigkeit um das Kerngebiet rotiert, in dem mindestens 20 Millionen Sonnenmassen vorhanden sein müssen.

Mehrere Forschergruppen messen derzeit mit dem Spektrographen an Bord des Hubble-Weltraumteleskops die Geschwindigkeitsprofile von Sternen nahe den Zentren galaktischer Kerne. Die Leistungsfähigkeit dieses Instruments belegt die kürzliche Entdeckung einer Akkretionsscheibe um ein mutmaßliches Schwarzes Loch im Zentrum der aktiven Galaxie M87. Wenn Astronauten 1997 einige Komponenten des Geräts ersetzen, wird es noch effizienter sein.

Starbursts und Schwarze Löcher unterscheiden sich auch im hochenergetischen Teil der von ihnen erzeugten Spektren. In der Nähe eines Schwarzen Lochs ruft das Zusammenspiel eines starken Magnetfeldes mit einer dichten Akkretionsscheibe ein Gewirr sehr schneller Partikel hervor, die untereinander sowie mit Photonen wechselwirken und dabei Röntgen- und Gammastrahlung emittieren. Ein Starburst hingegen erzeugt den größten Teil seiner hochenergetischen Strahlung, wenn das von Supernovae abgestoßene Material auf die umgebende interstellare Materie prallt. Die dabei erreichten Gastemperaturen betragen höchstens eine Milliarde Grad – zu wenig, um hochenergetische Gammastrahlung auszulösen. Weil aber das Compton-Gammastrahlen-Observatorium, das seit 1991 die Erde umkreist, bei einigen Quasaren gerade solch intensive Strahlung entdeckt hat, müßten sich in deren Zentren Schwarze Löcher befinden (Spektrum der Wissenschaft, Februar 1994, Seite 64).

Ein weiterer Unterschied zwischen beiden energieerzeugenden Mechanismen betrifft schließlich die Kräfte, welche die Gasjets bündeln. Bei einem Schwarzen Loch zwingen die magnetischen Feldlinien in der umgebenden Akkretionsscheibe die abströmende Materie in einen schmalen Strahl entlang der Rotationsachse, während bei einem Starburst die von der Blase nach außen geschleuderte Materie einfach dem Weg des geringsten Widerstands im interstellaren Medium folgt.

Eine kräftiger Starburst in einer Spiralgalaxie würde zwar das Gas beidseits senkrecht zur galaktischen Scheibe wegstoßen, doch wäre der Öffnungswinkel der Gasströme relativ groß, etwa wie bei einer Sanduhr. Weil aber die Radiojets, die über Millionen Lichtjahre hinweg aus den Kernen mancher aktiver Galaxien herausragen, sehr eng gebündelt sind, spricht auch dies für die Anwesenheit von Schwarzen Löchern.

Spektrale Kennzeichen

Alles, was Astronomen über Galaxien jeder Art wissen, haben sie aus der Strahlung abgeleitet, die zur Erde gelangt. Anhand der Beobachtungsdaten können Astrophysiker beurteilen, welche Theorie die Realität am besten beschreibt. Wir drei haben uns darauf konzentriert, das sichtbare Licht aktiver Galaxien zu analysieren, um Temperatur, Druck und die Konzentration verschiedener Atome im Gas zu ermitteln, das durch die gewaltigen Explosionsvorgänge zum Leuchten angeregt wird. Dazu vergleichen wir die gemessenen Wellenlängen und relativen Intensitäten der Emissionslinien angeregter oder ionisierter Atome in den Gasschwaden mit den entsprechenden Werten, die man im irdischen Labor registriert oder berechnet hat.

Infolge des Doppler-Effekts verändern sich bei einer bewegten Lichtquelle Frequenz und Wellenlänge des registrierten Lichts; entfernt sie sich vom Beobachter, erscheinen die Spektrallinien zum roten, bei Annäherung hingegen zum blauen Ende des Spektrums verschoben. Aus der Stärke dieses Effekts können wir deshalb die Geschwindigkeit der Gasmassen relativ zu unserem Beobachtungsstandort ermitteln.

Üblicherweise verwenden die Astronomen entweder ein Linienfilter oder einen Spaltspektrographen, um die Dynamik einer leuchtenden Gaswolke zu bestimmen. Das Linienfilter läßt nur das Licht einer bestimmten Wellenlänge – beispielsweise das der als Ha bezeichneten roten Linie des Wasserstoffs – passieren. Aufnahmen durch ein solches Filter vermögen selbst feine Strukturen innerhalb der Explosionswolken zu enthüllen, geben jedoch keine Informationen über die Relativgeschwindigkeit des Gases, weil die Doppler-Verschiebung geringer ist als die Linienbreite des Filters. Mit Spaltspektrographen, die das Licht in seine einzelnen Farbanteile zerlegen, kann man wiederum gerade diese Verschiebung der Spektrallinien messen und so genaue Informationen über die Relativgeschwindigkeit des Gases gewinnen – doch nur in dem schmalen, linienförmigen Bereich der Quelle, der durch den Eintrittsspalt erfaßt wird.

Unsere Gruppe setzt nun seit mehr als zehn Jahren ein Instrument ein, das die Vorteile dieser beiden traditionellen Methoden vereinigt, deren Nachteile jedoch größtenteils vermeidet: das Hawaii Imaging Fabry-Pérot-Interferometer (HIFI), das eine genaue Spektralanalyse über ein großflächiges Bildfeld gestattet.

Solche Instrumente – benannt nach ihren Erfindern, den französischen Physikern Charles Fabry (1867 bis 1945) und Alfred Pérot (1863 bis 1925) – werden mittlerweile auf vielfältige Weise in der Astronomie genutzt. Sie bestehen im wesentlichen aus zwei Glasplatten, die bei einem Abstand von weniger als einem zwanzigstel Millimeter perfekt parallel justiert sind. Die Innenflächen der Platten sind verspiegelt, so daß Licht, das in die Anordnung fällt, zwischen ihnen mehrmals hin- und herreflektiert wird. Dies hat zur Folge, daß nur Licht einer bestimmten Wellenlänge, deren Wert vom genauen Plattenabstand abhängt, in den Detektor gelangt; alle anderen Wellen löschen sich durch destruktive Interferenz aus. Durch geringes Verändern des Plattenabstands können wir einen schmalen Spektralbereich im sichtbaren Licht durchstimmen und so eine Serie von Bildern erzeugen, die ein Spektrum des gesamten Bildfeldes darstellen.

Das HIFI befindet sich am höchstgelegenen Observatorium der Welt, auf dem 4205 Meter hohen erloschenen Vulkan Mauna Kea; es wird dort am 2,20-Meter-Teleskop der Universität von Hawaii sowie am von Kanada, Frankreich und Hawaii gemeinsam errichteten 3,60-Meter-Reflektor eingesetzt. Die geringe Luftunruhe in dieser Höhe ermöglicht extrem scharfe Bilder. Als Empfänger dienen äußerst lichtempfindliche Halbleiterdetektoren, sogenannte charge-coupled devices (CCDs). In einer einzigen Nacht vermag dieses Instrument über die gesamte Fläche einer Galaxie bis zu eine Million Spektren aufzunehmen.


Beobachtung naher aktiver Galaxien

Wir haben mit diesem Spektralapparat NGC1068 untersucht, eine spiralförmige aktive Galaxie in 46 Millionen Lichtjahren Entfernung, die auch unter der Bezeichnung M77 bekannt ist – M steht für Messier-Katalog, die von dem französischen Astronomen Charles Messier (1730 bis 1817) zusammengestellte Liste nebelhafter Objekte, die ihm bei der Kometenjagd helfen sollte, NGC für "New General Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars", den der dänische Astronom John Ludwig Emil Dreyer (1852 bis 1926) im Jahre 1888 veröffentlichte. Als nächstes und hellstes Sternsystem dieser Art am Nordhimmel ist es ein beliebtes Beobachtungsobjekt.

Im Radiofrequenzbereich sieht NGC 1068 wie ein Miniatur-Quasar aus: Zwei Radiojets reichen etwa 900 Lichtjahre aus dem Kern heraus, und noch weiter entfernt sind Gebiete mit diffuser Emission festzustellen (Bild 2 links). Vermutlich sind die Radiojets auf ein Plasma (ionisiertes Gas) zurückzuführen, das sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegt, während die keulenförmigen Bereiche geringerer Radioemission dort entstehen, wo das Plasma auf Materie der galaktischen Scheibe trifft. Wie bei einem Überschallflugzeug entsteht durch die Spitze des in nordöstlicher Richtung weisenden Jets eine V-förmige Stoßfront.

Dieselben Gebiete strahlen auch im sichtbaren und ultravioletten Licht hell. Wir stellten fest, daß nur zehn Prozent des Lichts vom Kern emittiert werden; weitere fünf Prozent stammen vom Gas der galaktischen Scheibe, das sich vor der nordöstlichen Radiokeule staut. Den weit überwiegenden Rest senden zwei kegelförmige Gasfontänen aus, die mit bis zu 1500 Kilometern pro Sekunde aus dem Zentralbereich strömen.

Dieses Gas besteht wahrscheinlich aus dichten Materiefetzen, die der heiße Wind der Akkretionsscheibe gleichsam aufgekehrt hat. Die Achse des Doppelkegels ist gegen die galaktische Ebene geneigt, weist aber nicht in Richtung der Pole.

Die Aktivität im Kern der Galaxie wirkt sich selbst in einigen tausend Lichtjahren Entfernung aus, noch außerhalb der Radiokeulen. Das dünne interstellare Gas ist dort ungewöhnlich heiß und größtenteils ionisiert.

Zugleich scheinen Vorgänge in der Scheibe wiederum den Kern zu beeinflussen. Infrarotaufnahmen enthüllen einen länglichen Balken aus Sternen, der sich mehr als 3000 Lichtjahre weit vom Kern weg erstreckt (Bild 2 rechts). Die mit HIFI gemessenen Geschwindigkeitsprofile weisen darauf hin, daß dieser Balken durch seine Gravitationswirkung die Bewegung des interstellaren Gases in der Scheibe, das den Kern ansonsten kreisförmig umrunden würde, stört und so einen Teil davon in das Galaxienzentrum schleudert. Dieser Materiezustrom könnte wiederum das Schwarze Loch speisen.

Eine gewaltige Explosion findet ebenfalls im Kern von M82 statt, mit wenigen Millionen Lichtjahren Entfernung eines unserer nächstgelegenen Nachbarsysteme. Im Gegensatz zu NGC1068 scheint es sich dabei aber um ein typisches Starburst-Ereignis zu handeln. Aufnahmen im roten Licht des Wasserstoffs offenbaren ein Gewirr von Gasfetzen, die in Richtung der Galaxienpole herausgeschleudert werden (Bild 1). Unsere Spektralmessungen lassen zwei Hauptkomponenten erkennen, die eine erdwärts und die andere entgegengesetzt weisend. Ihre Geschwindigkeitsdifferenz nimmt mit größerer Entfernung vom Kern zu und erreicht im Abstand von 3500 Lichtjahren 350 Kilometer pro Sekunde; in 4500 Lichtjahren Entfernung ist sie jedoch vernachlässigbar gering.

Im Kern von M82 sind heftige Sternentstehungsprozesse im Gange, die womöglich durch eine noch nicht lange zurückliegende enge Begegnung mit den Nachbargalaxien M81 und NGC3077 ausgelöst wurden. Im infraroten Spektralbereich ist seine Leuchtkraft dreißigmilliardenfach höher als die Gesamtleuchtkraft der Sonne. Durch Radiobeobachtungen hat man überdies zahlreiche Supernova-Überreste nachgewiesen.

Die filigranen Gasschwaden, die man von der Erde aus sieht, werden von zwei langgestreckten Blasen hervorgerufen, die nahezu senkrecht zur Scheibe von M82 orientiert sind und sich im Kern berühren. Röntgensatelliten haben den heißen Wind nachgewiesen, der diese Blasen aufbläht; ihr turbulentes Erscheinungsbild rührt vielleicht von Instabilitäten her, die beim Abkühlen des heißen Gases auftreten.


Schwierige Identifikation

Nicht bei allen aktiven Galaxien läßt sich die Hauptenergiequelle so deutlich erkennen wie in den genannten Fällen. Bisweilen scheinen Starbursts und Schwarze Löcher gemeinsam zu wirken. Wie M82 sind viele derartige Galaxien im Infraroten ungewöhnlich hell und enthalten viel molekulares Gas, das Rohmaterial für die Sternbildung. Radiostrahlung und optische Spektren ähneln jedoch denen eines Quasars und deuten an, daß zusätzlich ein Schwarzes Loch anwesend sein könnte.

Das nahegelegene Sternsystem NGC 3079 ist ein derartiger Fall. Wir blicken recht genau von der Kante auf diese Spiralgalaxie – eine ausgezeichnete Lage, um das von ihrem Kern herausgeschleuderte Gas zu untersuchen (Bild 3 oben).

Außer der hohen Infrarothelligkeit weist NGC3079 eine massereiche Scheibe aus molekularem Gas auf, die sich beidseits des Kerns über 8000 Lichtjahre erstreckt. Zugleich ist der Kern im Radiofrequenzbereich ungewöhnlich hell, und die langgestreckte Form der radioemittierenden Bereiche in Kernnähe läßt einen jetförmigen Masseausstrom vermuten. Weiter außen nimmt die Radioabstrahlung komplexere Strukturen an; ihr Quellbereich erstreckt sich auf beiden Seiten der galaktischen Scheibe über mehr als 6500 Lichtjahre.

Aufnahmen im roten Licht des Wasserstoffs zeigen etwas östlich vom Kern einen nahezu kreisförmigen Ring mit 3600 Lichtjahren Durchmesser. Geschwindigkeitsmessungen mit HIFI bestätigen, daß der Ring die Oberfläche einer Blase markiert. Diese ähnelt einem Ei, das mit der Spitze auf dem Kern liegt und dessen lange Achse mit der Rotationsachse der Galaxie übereinstimmt. Westlich des Kerns befindet sich eine weitere Blase, die jedoch größtenteils vom Staub in der galaktischen Scheibe verdeckt ist (Bild 3 unten).

Unsere Spektralbeobachtungen weisen darauf hin, daß die Gesamtenergie dieses heftigen Ausbruchs etwa zehnmal höher ist als die der Explosionen in NGC1068 und M82. Die Ausrichtung der Blase entlang der Polachse der Muttergalaxie läßt vermuten, daß Gas- und Staubmassen in der galaktischen Scheibe und nicht etwa ein Schwarzes Loch die Abströmung bündeln. Dennoch gibt es ziemlich überzeugende Indizien, daß sich im Kern von NGC3079 ein massereiches Schwarzes Loch befindet.

Um zu klären, ob die Energie dieser aktiven Galaxie gänzlich auf explosionsartige Sternbildungsprozesse zurückgeführt werden kann, haben wir die Infrarotstrahlung aus dem Gebiet des Starbursts analysiert. Der größte Teil der Strahlung junger Sterne, die in Molekülwolken eingebettet sind, wird absorbiert und im Infraroten reemittiert, so daß die Infrarothelligkeit des Kerns von NGC 3079 ein gutes Maß für die Energiezufuhr durch Supernovae und Sternwinde im Zentrum der Galaxie sein sollte. Wie sich herausstellte, würde die Bewegungsenergie der von Sternen abgestoßenen Materie ausreichen, die Blase aufzublähen. Die beobachtete Aktivität läßt sich demnach allein mit dem Starburst-Modell erklären, selbst wenn nicht auszuschließen ist, daß das mutmaßlich im Kern von NGC3079 verborgene Schwarze Loch ebenfalls dazu beiträgt.


Wie entstehen aktive Galaxien?

Bislang vermögen die Astronomen erst die grundlegenden Mechanismen anzugeben, aus denen aktive Galaxien ihre Energie beziehen. Heftig diskutiert wird noch, welche Prozesse einen Starburst auslösen oder ein Schwarzes Loch im Zentrum entstehen lassen. Die Frage ist auch, auf welche Weise Brennstoff in den punktförmigen Kern transportiert wird.

Vermutlich sorgen gravitative Wechselwirkungen mit gasreichen Nachbarsternsystemen dafür, daß das Gas in der Muttergalaxie umverteilt wird, vielleicht sogar über die vorherige Ausbildung einer Balkenstruktur wie in NGC1068. Computersimulationen zufolge scheinen derartige Balken gegenüber weiteren Störungen ziemlich stabil zu sein (und weil NGC1068 zur Zeit keinen nahen Begleiter hat, ist die Balkenstruktur allein schon aus diesem Grund stabil; vergleiche Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1991, Seite 80).

Ungewiß ist ferner, ob im Kern zuerst ein Starburst einsetzt oder ein Schwarzes Loch entsteht. Möglicherweise ist ein Starburst typisch für eine frühe Entwicklungsphase aktiver Galaxien; nach ihrem Abklingen könnte sie einen kompakten Haufen ausgebrannter Sterne hinterlassen, der sich rasch zu einem massereichen Schwarzen Loch vereinigt.

Zudem sind die außergewöhnlichen Gasströme in den aktiven Galaxien wahrscheinlich nur auffällige Ausprägungen eines Prozesses, der in geringerem Maße einen viel größeren Anteil von Sternsystemen betrifft. Es häufen sich die Hinweise, daß auch in den Kernen vieler Galaxien von meist amorpher Struktur, die besonders hell im fernen Infrarot strahlen, ebenfalls gewaltige Explosionen stattfinden. Solche Ereignisse könnten die Sternbildung in der gesamten Umgebung des Systems tiefgreifend beeinflussen. So ist die Blase in NGC3079 an der Oberseite teilweise aufgerissen, wodurch Materie in den galaktischen Halo oder sogar weit in den intergalaktischen Raum hinausgeschleudert wird. Kernreaktionen in den zahlreichen Supernovae, die von einem Starburst entfesselt werden, reichern den heißen Materiestrom mit schweren Elementen an. Auf diese Weise heizen Sternwinde nicht nur ihre Umgebung auf, sondern verändern auch deren chemische Zusammensetzung.

Herauszufinden, welche Auswirkungen diese Vorgänge während der Entwicklung des Universums insgesamt hatten, ist nicht leicht. Wir wissen noch zu wenig über die Vorgänge in fernen Galaxien. Doch je mehr Aufnahmen die modernen Großteleskope liefern, desto profunder werden unsere Kenntnisse; denn mit zunehmender Entfernung blicken wir immer weiter in die Vergangenheit zurück und gewahren die Sternsysteme so, wie unser Milchstraßensystem und die nähergelegenen Galaxien vor Jahrmilliarden ausgesehen haben.

Literaturhinweise

- Large-Scale Bipolar Wind in M82. Von Jonathan Bland and R. Brent Tully in: Nature, Band 334, Seiten 43 bis 45, 7. Juli 1988.

– Imaging Spectrophotometry of Ionized Gas in NGC1068, Teil 1: Kinematics of the Narrow-Line Region. Von G. Cecil, J. Bland und R. B. Tully in: Astrophysical Journal, Band 355, Seiten 70 bis 87, 20. Mai 1990.

– Relationships between Active Galactic Nuclei and Starburst Galaxies. Proceedings of the Taipei Astrophysics Workshop, 1991. Herausgegeben von Alexei V. Filippenko. Astronomical Society of the Pacific, 1992.

– The Nuclear Superbubble of NGC3079. Von S. Veilleux, G. Cecil, J. BlandHawthorn, R. B. Tully, A. V. Filippenko and W. L. W. Sargent in: Astrophysical Journal, Teil 1, Band 433, Seiten 48 bis 64, 20. September 1994.

– Dissecting Cosmic Explosions. Von R. B. Tully, J. Morse und P. Shopbell in: Sky and Telescope, Band 90, Heft 1, Seiten 18 bis 21, Juli 1995.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1996, Seite 48
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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