Kyoto-Protokoll: Handel mit Emissionsrechten
Lassen sich die international vereinbarten Klimaschutzziele durch den Kauf und Verkauf von Emissionsrechten kostengünstig erreichen? Ein Planspiel testet dieses neuartige marktwirtschaftliche Instrument.
Es bestehen kaum noch Zweifel daran, dass der sich abzeichnende Klimawandel vom Menschen verursacht wird. Infolgedessen ist zu befürchten, dass die künftigen Umwelt- und Lebensbedingungen durch Überschwemmungen, Artensterben, Ausweitung von Wüsten, Krankheiten oder dadurch ausgelöste Migrationen global beeinträchtigt werden. Um die Klimaerwärmung zu begrenzen, haben sich die Industrieländer 1997 im Rahmen des Kyoto-Protokolls darauf geeinigt, die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren. Die Europäische Union hat sich dabei verpflichtet, ihre Emissionen an Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und anderer Treibhausgase im Zeitraum von 2008 bis 2012 im Vergleich zum Jahr 1990 um acht Prozent zu reduzieren. Innerhalb der EU-Lastenverteilung kommt dabei Deutschland ein Minderungsziel von 21 Prozent zu.
Um die Emissionsziele möglichst kostengünstig zu erreichen, sieht das Kyoto-Protokoll den Einsatz so genannter flexibler Mechanismen vor: Emissionsrechtehandel, Joint Implementation (gemeinsam durchgeführte Projekte zwischen Industrieländern) und Clean Development Mechanism (Projekte zur Emissionsreduktion in Entwicklungsländern). Der Grundgedanke aller drei flexiblen Mechanismen ist, dass die Reduktionsverpflichtungen der Staaten auch im Ausland erbracht werden können.
Im Dezember 2002 hat der Rat der EU-Umweltminister beschlossen, den Handel mit CO2-Emissionsrechten auf Unternehmensebene einzuführen. Davon betroffen sind die Betreiber bestimmter Anlagen, wie größere Strom- und Wärmeerzeugungsanlagen, Raffinerien und Kokereien, Produktionsanlagen der Eisen- und Stahlindustrie, der Zement-, Glas- und Keramikindustrie sowie der Zellstoff- und Papierindustrie. Diese Betreiber müssen von 2005 an jährlich Emissionsrechte in Höhe ihrer ausgestoßenen Menge an CO2 vorweisen. Ist dies einem Betreiber nicht möglich, werden ihm Sanktionen auferlegt, und er muss die fehlenden Emissionsrechte unmittelbar im nächsten Jahr nachreichen. Überschüssige Emissionsrechte können verkauft oder, falls erlaubt, in späteren Jahren verwendet werden.
CO2 sparen lohnt sich
Die Möglichkeit, mit Emissionsrechten zu handeln, verspricht eine kostengünstige Erreichung des Emissionsziels: Unternehmen, die ihre Emissionen zu niedrigen Kosten mindern können, werden dies in verstärktem Maße tun – um dann ihre überschüssigen Emissionsrechte zu einem Preis, der höher ist als ihre Minderungskosten, an Unternehmen zu verkaufen, für die Emissionsreduktionen teurer sind.
In der Praxis wird das Abwägen zwischen Minderungsmaßnahmen und Handel mit Emissionsrechten allerdings nicht immer einfach sein. Einerseits kann es Jahre dauern, bis große Projekte zur Emissionsminderung durchgeführt sind – etwa wenn ein Stromerzeuger ein Kohle- durch ein Wasserkraftwerk ersetzen möchte. Andererseits kennt ein Unternehmen die Möglichkeiten und Kosten der Emissionsminderung anderer Emittenten in der Regel nicht. Effiziente Entscheidungen der Unternehmen setzen jedoch verlässliche Informationen darüber voraus, wie knapp die Emissionsrechte sind oder künftig sein werden. Diese Aufgabe muss ein funktionierender Markt für Emissionsrechte erfüllen, dem die Unternehmen vertrauen und auf dem die Preise die wahren Knappheitsverhältnisse widerspiegeln. Da die deutsche Umweltpolitik traditionell ordnungspolitisch geprägt ist, liegen bisher – im Unterschied zu anderen EU-Mitgliedsstaaten wie Dänemark oder England – kaum praktische Erfahrungen mit diesem markwirtschaftlichen Instrument vor.
Vor diesem Hintergrund initiierte Baden-Württemberg im vergangenen Jahr ein Planspiel zum Emissionshandel: Mit 15 Unternehmen aus verschiedenen Branchen wurde der Zeitraum von 2005 bis 2013 simuliert. Als Koordinator fungierte das Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung in Karlsruhe, das gemeinsam mit dem Institut für Wirtschaftstheorie und Operations Research der Universität Karlsruhe und der Beratungsfirma Takon das Planspiel konzipierte und durchführte. Die Teilnehmer konnten somit realitätsnahe Erfahrungen mit dem neuen Instrument sammeln. Zusätzlich ließen sich Rückschlüsse für die Ausgestaltung eines Handelssystems gewinnen. Besonderes Augenmerk galt hierbei dem so genannten Banking, der Übertragung von ungenutzten Rechten in das nächste Jahr. Des Weiteren wurde die Preissignalwirkung vorgezogener Auktionen für Emissionsrechte untersucht.
Üben für den Ernstfall
Das Planspiel zeichnete sich durch ein realitätsnahes geschlossenes System aus: Die Unternehmen nahmen mit ihren realen Anlagen sowie mit technisch möglichen Maßnahmen zur Emissionsminderung teil; das Emissionsziel wurde von Jahr zu Jahr verschärft, und beobachtete Größen wie Marktpreise und Handelsvolumina entstanden ausschließlich aus der Interaktion der Teilnehmer am Markt. Parallel zur Unternehmensgruppe wurde das Planspiel mit einer studentischen Kontrollgruppe an der Universität Karlsruhe durchgeführt.
Um die Ergebnisse des Planspiels zu bewerten, wurden sie mit dem theoretischen Kostenminimum verglichen. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass der erforderliche Minderungsbedarf stets durch die Maßnahmen mit den global niedrigsten Kosten (je vermiedene Tonne CO2) gedeckt wird. Durch diese Vorgehensweise erhält man die optimale Entwicklung des Marktpreises für Emissionsrechte. Die großzügige Zuteilung von Emissionsrechten in den ersten Jahren erfordert noch keine kostenträchtigen Maßnahmen. Diese werden erst im Laufe der Zeit notwendig, wenn sich die Emissionsziele verschärfen und dadurch die Kosten für die Vermeidung ansteigen. In einem ersten Durchlauf des Planspiels erzielten die Unternehmens- und die Kontrollgruppe fast das gleiche Ergebnis. Christian Hoppe von der Universität Karlsruhe weist jedoch darauf hin, dass beide Gruppen das Optimum deutlich verfehlten. Dies wird durch die Abweichung der Marktpreise für Emissionsrechte von der optimalen Entwicklung im Spiel der Unternehmen ersichtlich. Besonders auffällig, so Hoppe, ist hierbei die Preisblase nach dem Banking-Verbot 2007/2008, also dem Verbot, ungenutzte Rechte von 2007 nach 2008 zu übertragen. Die Preisblase hatte ihre Ursache im Banking-Verbot, in zu späten Entscheidungen für kostengünstige Minderungsmaßnahmen mit langen Vorlaufzeiten und im Anlegen von "Sicherheitsdepots" mit Rechten durch viele Teilnehmer. Dadurch kam es ab 2008 infolge zunehmend strenger werdender Emissionsziele zu einem dramatischen Anstieg des Preises für Emissionsrechte, welcher allerdings die realen Minderungskosten um ein Vielfaches überstieg. Als Folge dieses Preissignals wurden auch viele teure Minderungsmaßnahmen aktiviert, was zu hohen Kosten, einer nachlassenden Nachfrage nach Emissionsrechten und schließlich zu einem Sinken des Preises geführt hat.
Auktion statt Gratisvergabe
Sowohl die Unternehmens- als auch die Kontrollgruppe spielten in einem weiteren Durchlauf eine zweite Variante, die sich von der ersten dadurch unterschied, dass nicht die gesamte Menge an Emissionsrechten gratis an die Unternehmen vergeben wurde, sondern ein gewisser Anteil auf einer Auktion ersteigert werden konnte. Außerdem gab es nun auch Märkte, auf denen Rechte für künftige Emissionen gekauft und verkauft werden konnten. Hierbei wurde an den Märkten weniger gehandelt, da die Auktionen einen Teil des Handels vorwegnahmen. Vor allem bei der Kontrollgruppe konnten positive Lerneffekte gegenüber der ersten Variante beobachtet werden, etwa eine bessere Maßnahmenwahl, geringere Gesamtminderungskosten sowie eine dem Optimum nahe Preisentwicklung auf dem Emissionsrechtemarkt.
Kosteneinsparungen nicht garantiert
Die Ergebnisse des Planspiels zeigen deutlich, dass ein Handelssystem mit Emissionsrechten nicht automatisch die erwarteten Kosteneinsparungen mit sich bringt. Vor allem gilt es, Unsicherheiten auf Seiten der Teilnehmer über künftige Preise zu verringern. Aus diesem Grund sollte die Zuteilung von Rechten möglichst frühzeitig und langfristig erfolgen, fordert Stefan Seifert von der Firma Takon. Zusätzlich kann eine Versteigerung der Emissionsrechte frühe Preissignale generieren und somit die Unsicherheiten verringern und die Effizienz des Systems erhöhen. Ein Banking-Verbot ist dahin zu kritisieren, dass dadurch die zeitliche Flexibilität eingeschränkt und starke Preisschwankungen begünstigt werden, die dann zu einer suboptimalen Auswahl von Minderungsmaßnahmen führen können.
Darüber hinaus wurde auch deutlich, wie wichtig es ist, die Regeln und das Spektrum der möglichen Strategien unter den Betroffenen bekannt zu machen. Schulungen und Informationsoffensiven sind also nicht nur flankierende Maßnahmen, sondern notwendige Voraussetzung für einen funktionierenden Emissionshandel. Ansonsten ist zu bezweifeln, dass sich die Kosteneinsparungen, die Politiker und Wissenschaftler gleichermaßen erwarten, auch einstellen werden.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2003, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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