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Physik: Kausalität in der Quantenwelt

Ein Ereignis ist stets entweder die Ursache oder die Wirkung eines anderen – so lautet ein ehernes Prinzip der ­Physik. Doch auf Quantenebene trifft das nicht immer zu.
Dominoeffekt

Das Prinzip von Ursache und Wirkung ist uns seit der Kindheit vertraut: Wenn man den ersten Dominostein in einer fein säuberlich aufgestellten Reihe antippt, fallen mit einem befriedigenden Rattern innerhalb weniger Sekunden nacheinander alle Steine um. Der Domino­effekt macht das Konzept der Kausalität greifbar, das überall in Wissenschaft und Alltag tief verwurzelt ist. Ereignis B, das Umkippen des letzten Dominosteins, ist eine Auswirkung von Ereignis A, dem Fallen des ersten Steins. B tritt erst nach A ein und nur dann, wenn A geschieht. Egal, ob zuerst der Stein ganz links in der Dominoreihe umkippt und somit das rechte Ende zuletzt oder ob wir ganz rechts beginnen und als letzter Stein der linke fällt, ein Ereignis muss das erste gewesen sein.

In der Quantenwelt gelten andere Regeln. Manchmal lässt sich nicht sagen, ob nun A vor B stattgefunden hat oder ob B vor A kam. Und zwar nicht, weil diese Information aus der Apparatur irgendwie nicht ausgelesen werden könnte oder besonders gut versteckt wäre. Sie existiert einfach nicht. Die Quantenphysik erlaubt die Überlagerung beider Abläufe, eine »Superposition«. Das ist so, als würden die Dominosteine gleichzeitig sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links fallen.

Bei Experimenten mit einem einzelnen Lichtteilchen zeigten unsere beiden Wiener Arbeitsgruppen 2015, dass es unmöglich sein kann, zu sagen, in welcher Reihenfolge das Photon durch verschiedene Operationen gegangen ist, also ob von A nach B oder von B nach A. Ähnliche Experimente hat 2017 ein Team um Kevin Resch an der kanadischen University of Waterloo zusammen mit dem Theoretiker Robert Spekkens vom benachbarten Peri­meter Institute for Theoretical Physics durchgeführt. Die Physiker überlagerten nicht nur zwei Abläufe, sondern ganz verschiedene Zusammenhänge. So erzeugten sie beispielsweise eine Quantenmischung aus einer direkten
Ursache-Wirkungs-Beziehung – wie bei den Dominosteinen – und einer gemeinsamen Ursache-Beziehung. Für letztere ist eine klassische Analogie ein Regentag. Dieser kann zu üppigeren Wiesen, aber auch zum erhöhten Verkauf von Gummistiefeln führen. Schuhnachfrage und Pflanzenwachstum hängen jedoch nicht direkt voneinander ab. Die kanadischen Wissenschaftler haben es mit einem trickreichen Aufbau geschafft, mehrere solche grundverschiedenen Szenarien zu überlagern ...

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  • Quellen

Chiribella, G. et al.: Quantum computations without definite causal structure. Physical Review A 88, 2013

Guérin, P. A. et al.: Exponential communication complexity advantage from quantum superposition of the direction of communication. Physical Review Letters 117, 2016

Oreshkov, O. et al.: Quantum correlations with no causal order. Nature Communications 3, 2012

Procopio, L. M. et al.: Experimental superposition of orders of quantum Gates. Nature Communications 6, 2015

Rubino, G. et al.: Experimental verification of an indefinite causal order. Science Advances 3, 2017

Zych, M. et al.: Bell’s theorem for temporal order. arXiv 1708.00248, 2018

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