Anhedonie: Keine Lust
Als ich meinen Partner kennen gelernt habe, hatte ich die glücklichsten sechs Monate meines Lebens. Ich hatte gera- de meinen ersten Job bekommen und konnte meine Familie unterstützen.« Für die junge Frau, die sich auf der Internet-Plattform Reddit Sarisa nennt, scheint dieses Gefühl mittlerweile Welten entfernt. Seit Monaten, so schreibt sie weiter, habe sie jede Lebensfreude verloren. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich mich den Rest meines Lebens so fühlen könnte, spiele ich mit dem Gedanken, mich umzubringen.« Mit ihrer Verzweiflung und Hilf- losigkeit ist Sarisa auf Reddit nicht allein: Unter dem Schlagwort »Anhedonie« schildern hunderte Nutzer des Forums ihre Unfähigkeit, etwas zu empfinden. Sie berichten sich gegenseitig, was sie bereits versucht ha- ben, um die Lebenslust wiederzufinden, und machen einander Mut.
Der Begriff »Anhedonie« ist das Gegenstück zum griechischen Wort »hedone«, das so viel wie Freude oder Vergnügen bedeutet. Der französische Psychologe Théodule Armand Ribot prägte den Begriff für eine krankhafte Freudlosigkeit Ende des 19. Jahrhunderts. Eine solche betrifft zahlreiche Menschen mit psychischen Störungen und belastet die Betroffenen mitunter extrem. Der moderne Begriff bezieht sich nicht mehr nur auf einen Verlust der Freude an angenehmen Erleb- nissen, sondern auch auf ein vermindertes Interesse, entsprechende Erlebnisse herbeizuführen.
Freudlosigkeit grenzt sich damit klar von Traurigkeit ab. Die Hirnforschung zeigt, dass positive und negative Emotionen nicht einfach zwei Seiten einer Medaille sind. »Vielmehr scheint es sich um zwei unterschied- liche Dimensionen zu handeln, die jeweils auf eigenen neuronalen Systemen beruhen«, erklärt Henrik Walter…
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