Konzepte für den Individualverkehr in Ballungsräumen: Das Elektroauto
Automobile mit umweltverträglicheren Antrieben als den klassischen, aber eben auch hoch entwickelten Benzin- und Dieselmotoren werden von der Bevölkerung nur akzeptiert, wenn sie gewohnte Fahrleistungen bieten. Die vielfach favorisierten Elektrofahrzeuge zum Beispiel erfüllen diese Anforderung noch nicht. Ihre Reichweiten sind wegen relativ geringer Energiespeicherkapazitäten der verschiedenen Typen von Batterien doch noch sehr begrenzt (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1996, Seite 96).
Mit Erdgas betriebene Verbrennungsmotoren wiederum haben zwar Vorteile gegenüber mit Benzin betriebenen, weil sie weniger Kohlendioxid emittieren; sie erreichen jedoch zum Beispiel nicht die günstigen Werte marktgängiger Turbodiesel-Direkteinspritzer-Motoren. Hinzu kommt, daß Erdgas für zweckdienliche Reichweiten ein zu großes Tankvolumen benötigt und die Infrastruktur zur flächendeckenden Versorgung noch fehlt.
Aus heutiger Sicht sind schließlich Brennstoffzellen eine besonders vielversprechende Technologie. In ihnen reagieren Wasserstoff und Sauerstoff indirekt – durch einen Elektrolyten vermittelt – zu Wasser, wobei sich die chemische in elektrische Energie umsetzt – und das mit einem hohen Wirkungsgrad (Spektrum der Wissenschaft, Juli 1995, Seite 88). Für die Anwendung im Automobil kommen vor allem Polymer-Elektrolytmembran-Systeme mit hoher spezifischer Stromdichte und kompakter Bauweise in Betracht. Allerdings wird die Entwicklung der Wasserstofftechnologie bis zum breiten Serieneinsatz voraussichtlich noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen.
Auch neue Klein- oder Kleinstwagen werden keine Entlastung der Umwelt mit sich bringen, denn sie können das Leistungsspektrum des herkömmlichen Autos nicht ersetzen. Sie dürften vielmehr zumeist als Zweit- oder Drittauto gefahren werden und beanspruchen dann zusätzlich Flächen, Rohstoffe und Energie.
Spürbare Verbesserungen sind mithin einstweilen nur mit Konzepten zu erreichen, die dem heutigen Standard der üblichen Kraftfahrzeuge entsprechen. Aufgrund solcher Überlegungen hat Audi jetzt eine Kombination aus Elektroantrieb und Verbrennungsmotor entwickelt. Der Audi duo ist nach unserer Einschätzung das erste serienreife, alltagstaugliche Hybridfahrzeug. Damit kann man nämlich kurze Wege wie von Städten emissionsfrei, dennoch quasi auf konventionelle Weise ohne weiteres auch lange Strecken zurücklegen.
Der Audi duo ist als Parellelhybrid konzipiert: Er wird entweder von einem Turbodiesel- oder einem Elektroaggregat angetrieben. Die beiden Motoren laufen unabhängig voneinander. Dies hat den Vorteil, daß der Wagen auf jenen Strecken, die er mit Elektroantrieb fährt, keinerlei Abgase ausstößt; und das wird zumeist eben innerhalb von Siedlungen der Fall sein. Die Emissionen die bei der Erzeugung des im Wagen gespeicherten Stroms unvermeidlich sind, werden damit nicht nur zu den Kraftwerken verlagert; sie können dort auch effizienter reduziert werden.
Basis für den Audi duo war der marktgängige Audi A4 Avant mit Frontantrieb und einem Vierzylinder-Turbodiesel-Direkteinspritzmotor von 66 Kilowatt Leistung aus 1,9 Liter Hubraum. Die Verwendung des Serienfahrzeugs stellte sicher, daß bei Fahreigenschaften, Sicherheit, Reichweite, Raumangebot und Komfort keine Kompromisse eingegangen werden mußten. Auch der Innenraum wird durch den zusätzlichen Elektromotor praktisch nicht beeinträchtigt.
Das Batteriesystems wirkt sich maßgeblich auf das gesamte Konzept aus, da es sowohl die erzielbare Reichweite als auch die installierbare Motorleistung, das Gesamtgewicht, die Fahrleistungen und den Preis des Fahrzeugs beeinflußt. Wir haben deshalb die verfügbaren Technologien nach verschiedenen Kriterien wie Leistungsdichte, Betriebsdauer, Sicherheit, Umweltverträglichkeit, Preis und Stand der Technik verglichen.
Vielversprechende neue Systeme wie die Nickel-Metallhydrid-Batterie werden bereits erprobt, stehen jedoch serienmäßig noch nicht zur Verfügung. Unter den serientauglichen Systemen zeichnet sich zwar die Nickel-Cadmium-Batterie durch hohe Leistungs- und Energiedichte aus, kam aber wegen des umweltgefährlichen Metalls Cadmium, dessen Entsorgung Probleme bereitet, für uns nicht in Frage.
Für die Serienproduktion eignen sich derzeit nur die Blei-Akkumulatoren. Ihre Vorteile sind Wartungsfreiheit, guter Lade- und Entladewirkungsgrad sowie ein günstiger Preis; auch ihr vollständiges Recycling ist bereits etabliert. Audi entschied sich für die Blei-Vlies-Batterie, weil in dieser Ausführung der Elektrolyt in einer Vliesmatte gebunden ist – bei Unfällen kann die Schwefelsäure nicht auslaufen.
Der im Hybridfahrzeug eingesetzte Stromspeicher ist in einer Wanne unter der Ladefläche untergebracht und besteht aus 22 in Reihe geschalteten Modulen, die eine Gesamtspannung von 264 Volt liefern. Die Kapazität von 10 Kilowattstunden entspricht im Stadtverkehr je nach Fahrweise einer Reichweite von etwa 50 Kilometern.
Sämtliche Lade- und Entladevorgänge steuert und überwacht ein elektronisches Batterie-Managementsystem. Der aktuelle Ladezustand der Batterie wird permanent angezeigt, so daß der Fahrer jederzeit sehen kann, wann nachgeladen werden muß. Das ist an jeder normalen Steckdose möglich, wobei sich preisgünstiger Nachtstrom empfiehlt. Auch die beim Bremsen frei werdende Energie wird zum Laden der Batterie genutzt; der Elektromotor arbeitet dann wie das auch im Dieselmotor-Betrieb möglich ist – als Generator.
Weil ein Elektromotor, der die Anforderungen in dem Hybridfahrzeug erfüllen konnte, nicht am Markt erhältlich war, entwickelte Audi zusammen mit der Universität Leoben und der Firma Siemens eine neue sogenannte permanenterregte wassergekühlte Synchronmaschine. Dieser Motor zeichnet sich durch gute Wirkungsgrade im Teil- und Überlastbereich, hohe spezifische Leistung, großen Drehzahlbereich, niedriges Gewicht, geringem Platzbedarf, fahrzeuggerechte Konstruktion, Verschleiß- und Wartungsfreiheit sowie ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aus. Mit nur 22 Kilogramm Gewicht leistet 21 Kilowatt, ist kurzfristig bis 35 Kilowatt überlastbar und erreicht ein Drehmoment von 20 Newtonmeter; er arbeitet mit 10 000 Umdrehungen pro Minute. Da der Elektromotor auf die Getriebe-Eingangswelle wirkt, kann der Fahrer auch beim Elektroantrieb alle Gänge des Getriebes nutzen.
Der Audi duo läßt sich in drei Betriebsarten fahren, die mit einem Schalter in der Mittelkonsole anzuwählen sind. Für lange Strecken wird in der Regel ausschließlich der Dieselmotor benutzt. In Gegenden, wo herkömmlich angetriebene Fahrzeuge stören oder nicht zugelassen sind, läßt sich auf reinen Elektrobetrieb umschalten, der auch besonders im Stop-and-Go-Verkehr der Städte vorteilhaft ist, weil nur dann Energie verbraucht wird, wenn man das Fahrzeug tatsächlich bewegt. Normalerweise ist jedoch nach dem Start automatisch der Hybridantrieb eingeschaltet: Je nach Anforderungen des Fahrbetriebs wird vollautomatisch zwischen Elektro- und Dieselantrieb gewechselt. Bis zum Kick-down-Punkt übernimmt dabei die Synchronmaschine den Antrieb, und durch kräftiges Gasgeben springt ruckfrei, so daß der Fahrer es kaum wahrnimmt, der Dieselmotor an.
Ein Personenwagen mit zwei Antrieben ist zwangsläufig schwerer als ein herkömmlicher. Da wir jedoch ein Basisfahrzeug gewählt haben, das vergleichsweise wenig Kraftstoff verbraucht, und die Komponenten für den Zweitantrieb so leicht wie möglich gehalten wurden, ergeben sich insgesamt dennoch respektable Werte: Sowohl im Europa-Fahrzyklus mit 37 Prozent Stadtverkehr und 63 Prozent Überlandstrecken als auch in einem an das Nutzungsprofil des Modells angepaßten Fahrzyklus, mit 70 Prozent Stadtverkehr sind beim Audi duo Verbrauch und Kohlendioxid-Emissionen deutlich geringer als bei dem konventionellen Audi A4 Avant Diesel TDI. Das Hybridfahrzeug soll vorwiegend in urbanen Bereichen für Anlieferfahrten eingesetzt werden; doch erfahrungsgemäß sind ohnehin mehr als 70 Prozent aller Fahrten kürzer als 50 Kilometer.
Im Rahmen der bei Audi üblichen ganzheitlichen Bilanzierung wurde auch für den Audi duo der Energieaufwand für Herstellung, Betrieb und Entsorgung auf der Basis einer zehnjährigen Nutzung bei einer täglichen Fahrleistung von 70 Kilometern im duo-Fahrzyklus ermittelt. Des weiteren prüften wir, wie sich die Art der Stromerzeugung verschiedener Länder auswirkt. Demnach kann in Deutschland der Mehraufwand für Herstellung und Wartung nicht vollständig kompensiert werden. Hingegen ergibt sich für Italien eine ausgeglichene Energiebilanz; und besonders vorteilhaft läßt sich der Audi duo in Österreich fahren – mit dem dortigen durchschnittlich noch günstigeren Nutzungsgrad der Kraftwerke (aufgrund des hohen Wasserkraft-Anteils) beträgt die Energieersparnis rund 20 Prozent.
Der Dieselmotor des Audi duo kann auch mit Pflanzenölmethylester-Kraftstoff, dem sogenannten Biodiesel, der Vornorm DIN V 51 606 gefahren werden. Würde der Strom nur aus Wasserkraft gewonnen, ließe sich das Hybridfahrzeug gänzlich mit Energie aus regenerativen Ressourcen betreiben.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1997, Seite 39
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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