Sinneswahrnehmung: Liegt Legasthenie im Auge des Betrachters?
Wer an Legasthenie leidet, dem bereiten Lesen und Schreiben Schwierigkeiten. Der Grund für diese Störung könnte auch mit der Funktionsweise unserer Augen zusammenhängen. Darauf fanden Albert Le Floch und Guy Ropars von der Université de Rennes neue Hinweise. Die Forscher nahmen die Zapfen auf der Netzhaut von Probanden mit und ohne Lese-Rechtschreib-Störung unter die Lupe. Zapfen sind spezielle Fotorezeptoren, mit denen wir bei Tageslicht Farben sehen. Wie die Wissenschaftler entdeckten, sind diese Zellen üblicherweise in beiden Augen unterschiedlich verteilt; beide Netzhäute sind also asymmetrisch aufgebaut. Dadurch nimmt jedes Auge das eingestrahlte Licht etwas anders auf. Beim Sehen wägt das Gehirn diese Signale gegeneinander ab und wählt das Bild, das akkurater erscheint. So entwickelt sich im Lauf der Zeit eine Art dominantes Auge, welches vom Gehirn bei der Signalübertragung bevorzugt wird.
Bei Personen mit Legasthenie sind die Zapfen in beiden Augen jedoch gleich angeordnet, was zu symmetrischen Mustern der Lichtaufnahme führt. Das Gehirn nehme daher die übermittelten Bilder wie gespiegelt wahr. "Die Asymmetrie ist notwendig, um das gespiegelte Bild zu löschen, welches das normale Lesen behindert", glaubt Ropars. Ohne ein dominierendes Auge könne das Hirn nur schwer zwischen "b" und "d" oder "3" und "E" differenzieren – was die Entwicklung einer Lese-Rechtschreib-Störung begünstige.
Mit einer LED-Lampe, die so schnell flackert, dass dies für das Auge nicht wahrnehmbar ist, gelang es Le Floch und Ropars, dieses Problem zu umgehen. Das Gehirn blendete daraufhin die Signale des angeleuchteten Auges aus, und die Probanden nahmen die Buchstaben in ihrer exakten Form wahr. Ob daraus eine Behandlung werden kann, muss sich in Zukunft noch erweisen.
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