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Photovoltaik: Masse plus Klasse

Hohe Wirkungsgrade erreichten Solarzellen bislang nur im Labor. Ein Trick bringt frischen Wind in die Serienproduktion.


Die Idee besticht: Das Licht der täglich gegenwärtigen Sonne direkt in elektrischen Strom zu wandeln, sollte unsere Energieversorgung auf Dauer sichern und die problematische Verbrennung fossiler Energieträger ersetzen. Doch vorläufig ist diese "Photovoltaik" für eine flächendeckende Strom-versorgung zu teuer. Die Gründe sind vielschichtig: Kommerzielle Solarzellen vermögen nur etwa 12 bis 14 Prozent des auftreffenden Lichts zur Stromgewinnung zu nutzen. Dabei ist die pro Flächeneinheit eingestrahlte Energie zudem relativ gering. Beide Umstände vergrößern den Flächenbedarf der Module (Baugruppen aus Solarzellen), insbesondere in Ländern, die nicht ständig unter blauem Himmel liegen.

Zum Glück sind die Grenzen dieser Technik noch längst nicht erreicht. Das zeigt ein Blick in die Labors der Forschungsinstitute weltweit: Dort zeigen Solarzellen-Prototypen Wirkungsgrade von bis zu 24 Prozent, das sind lediglich vier Prozent weniger als physikalisch möglich. Noch dazu gelingt es, solche Zellen mit Siliziumscheiben zu realisieren, die weniger als 0,1 Millimeter stark sind – heutige Zellen benötigen mehr als das Dreifache. Zwei Drittel der Kosten einer Solarzelle fallen aber für das Material an – je dünner, desto billiger wird die Fertigung. Außerdem werden solche Solarzellen sogar flexibel, was dann zusätzliche Anwendungen wie gewölbte Module ermöglicht. Leider sind die im Labor eingesetzten Fertigungsprozesse sehr aufwendig und nur schlecht in eine Massenfertigung umsetzbar. Vor kurzem ist es uns aber gelungen, eine nahezu ideale Struktur mit deutlich einfacheren Mitteln herzustellen.

Sie optimiert den Prozess der Lichtwandlung, indem sie Verluste minimiert und somit den Wirkungsgrad erhöht. Dazu ein Blick auf die Physik: Die Energie des einfallenden Lichts wird im Silizium-Halbleiter von Elektronen aufgenommen, die so in einen angeregten Zustand kommen, mithin beweglich werden. Gleichzeitig entsteht an der Stelle, an der sie sich befanden, ihr positiv geladenes Pendant, die Löcher, die nun ebenfalls durch den Kristall reisen können. Treffen beide aufeinander, heben sie sich gegenseitig auf, und die aufgenommene Energie geht dabei dem äußeren Stromkreis verloren. Dieser für eine Solarzelle ungünstige Vorgang wird "Rekombination" genannt.

Mancherlei fördert diesen Prozess. Dazu gehören insbesondere auch Fehler des Kristalls, da sie neue mögliche Energiezustände bereitstellen, die eine Rekombination erleichtern. Der wohl größte "Kristallfehler" ist die Kristalloberfläche selbst – die regelmäßige Struktur wird dort massiv unterbrochen. Tatsächlich findet man sowohl beim Übergang vom Siliziumkristall zu Luft als auch zu metallischen Kontaktflächen sehr hohe Rekombinationsraten. Deshalb bringen Wissenschaftler bei hocheffizienten Prototypen dünne dielektrische Schichten aus Siliziumdioxid oder Siliziumnitrid auf die Rückseite auf. Diese verringern wieder die Anzahl möglicher Zustände im Bereich der Oberfläche; man spricht von Passivierung. Der Nachteil der Methode: Da diese Schichten isolieren, müssen punktuell Öffnungen für die Stromableitung eingebracht werden. Je kleiner diese Kontaktfläche insgesamt ist, desto weniger Ladungsträger rekombinieren. Andererseits erhöhen weite Strecken zwischen den Anschlusspunkten den elektrischen Widerstand, was seinerseits die elektrische Leistung reduziert. Als Kompromiss verteilt man mehrere Tausend winziger und nahe beieinander liegender Kontaktpunkte über die Solarzellenrückseite.

Leider eignete sich aber genau dieses so erfolgreiche Vorgehen bislang nicht für die Massenproduktion, setzten die Entwickler dabei doch auf die Photolithographie: Hierbei wird ein lichtempfindlicher Lack auf die Halbleiterscheibe aufgetragen, durch eine Maske mit der Kontaktstruktur belichtet und dann entwickelt. Danach liegen die zu kontaktierenden Punkte frei, und man kann die dielektrische Schicht darauf gezielt wegätzen. Anschließend wird ganzflächig beispielsweise eine zwei Mikrometer starke Aluminiumschicht aufgedampft, die in den geöffneten Punkten das Silizium kontaktiert und die Stellen auch leitend verbindet. Obwohl diese Strukturierungstechnologie den Massenmarkt für Chips erst ermöglicht hat, ist sie für die Fertigung der viel größeren Solarzellen zu teuer: Während ein Siliziumwafer am Ende der Verarbeitung Hunderte von Mikroprozessoren enthält und viele tausend Euro wert ist, entsteht bei gleichem Materialeinsatz nur eine Solarzelle im Wert von unter fünf Euro. Deshalb versuchten wir, diesen Schritt mit einer kostengünstigeren Technologie umzusetzen.

Zunächst trugen wir die isolierende Schicht direkt mit einem gepulsten Hochleistungslaser ab, um die Photolithographie zu ersetzen. Trotz sehr guter Leistung der so hergestellten Solarzellen waren wir nicht zufrieden, denn der Laserschuss hatte stets das unter dem Dielektrikum liegende Silizium geschädigt. Vor dem Aufdampfen der Metallkontakte musste dieses Material weggeätzt werden, um einen hinreichend niedrigen elektrischen Widerstand zu erreichen.

Zur Verbesserung des Kontakts erhitzten wir die ganze Solarzelle meist noch einmal einige Minuten auf 400 Grad Celsius. Dabei verschlechterte sich leider die Passivierung, die Folge waren erhöhte Rekombinationsraten. Gleichzeitig sank aber der Widerstand massiv – die dielektrische Schicht zwischen den Kontaktpunkten hatte anscheinend ihre Sperreigenschaft verloren. Vermutlich löste sie sich in einem Gemisch aus Aluminium und Silizium. Damit war die Idee für eine umgekehrte Prozessfolge geboren. Das Rezept lautet: Bringe zuerst eine Aluminium-Schicht ganzflächig auf und schmelze dann das Metall sowie das darunter liegende Silizium punktweise mit dem Laser. Beim Erstarren ergibt sich dann der gewünschte Kontakt. Dank kurzer Laserpulse bleiben die benachbarten, isolierenden Gebiete intakt.

Auf Anhieb erreichten wir auf diese Weise einen Wirkungsgrad von über 21 Prozent. Die Qualität der Kontakte war so gut, dass sich ihre Gesamtfläche sogar noch verringern ließ. Derzeit versuchen wir, die mittlere Prozesszeit pro Kontaktpunkt von etwa 0,1 Sekunden weiter zu verringern. Immerhin müssen in der industriellen Serienproduktion einige tausend Kontaktpunkte pro Sekunde entstehen, und zwar in maximal drei Sekunden. Da moderne Festkörperlaser auch bei hohen Pulsenergien Pulsfrequenzen von bis zu hundert Kilohertz erreichen, ist dies nicht das eigentliche Problem. Schwieriger ist der lange Weg von über zehn Metern, den der Laserstrahl insgesamt auf der Siliziumscheibe zurücklegen muss. Diese unter ihm vorbeizuführen würde viel zu lange dauern. Deshalb setzen wir jetzt auf Spiegelsysteme, die den Strahl mit mehreren Metern pro Sekunde bewegen. Die Kontaktpunkte werden dabei sozusagen im Flug erzeugt. Mittlerweile hat das Institut ein Patent für diesen Prozess angemeldet. Gemeinsam mit Industriepartnern wollen wir das System innerhalb der nächsten drei Jahre markttauglich machen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2002, Seite 86
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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