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Mukoviszidose

Ursache der tödlichen erblichen Stoffwechselerkrankung ist ein genetischer Defekt, der die Funktion eines Chlorid-Kanals von Zellmembranen beeinträchtigt. Untersuchungen, wie dadurch die typischen Krankheitssymptome zustande kommen, weisen den Weg zu neuartigen therapeutischen Ansätzen.

"Das Kleinkind stirbt bald, wenn ein Kuß auf seine Stirn salzig schmeckt."

Diese alemannische Ammenweisheit spielt auf eine häufige Erbkrankheit an, die heute als Mukoviszidose (so viel wie Zähschleimigkeit) oder cystische Fibrose bekannt ist. Namensgebendes Merkmal sind ungewöhnlich zähflüssige Schleim- und Sekretabsonderungen in Lunge und Verdauungsorganen, die fortschreitend geschädigt werden; insbesondere in der Bauchspeicheldrüse bildet sich vermehrt faseriges Bindegewebe mit flüssigkeitsgefüllten Hohlräumen (Cysten). Der Schweiß der betroffenen Kinder ist tatsächlich ungewöhnlich salzig, und sie starben – wie die alte Volksweisheit besagt – früher sehr jung.

Dank therapeutischer Fortschritte der letzten Jahrzehnte hat sich ihre Lebenserwartung erhöht, so daß heute mehr als die Hälfte 25 Jahre oder älter werden. Aber keines der zugelassenen Medikamente vermag das Grundübel zu korrigieren: die biochemischen Anomalien, die von dem genetischen Defekt herrühren. Und immer noch droht den jungen Patienten ein früher Tod.

In der Hoffnung, daß sich dies mit mehr Erkenntnissen ändern läßt, gingen mehrere Forscherteams Anfang der achtziger Jahre daran, die genaue genetische Ursache der Mukoviszidose zu ermitteln. Nach fast zehn Jahren intensiven Bemühens gelang es, das entscheidende Gen zu isolieren und jene Mutation zu identifizieren, die der häufigste Grund der Erkrankung ist. Mittlerweile ist zudem die normale Funktion des von dem Gen codierten Proteins geklärt und auch, wie der Defekt sie beeinträchtigt: Das Molekül bildet in der Zellmembran einen Kanal, über den Chlorid-Ionen – negativ geladene Chloratome, wie sie im Kochsalz enthalten sind – ein- und ausströmen. Inzwischen ist man dabei zu ermitteln, wie der gestörte Chlorid-Transport sich auswirkt und die Erkrankungssymptome hervorbringt. Auf der Basis solcher Erkenntnisse deuten sich neue Behandlungskonzepte an, einige sogar vielleicht einmal mit der Aussicht auf Heilung.


Die Entdeckungsgeschichte

Diese vielversprechenden Fortschritte auf molekularer Ebene wären allerdings ohne die vorherigen bahnbrechenden Arbeiten von Medizinern undenkbar gewesen. Jahrzehntelang hatte die klinische Forschung mehr Erkenntnisse über die Art der Erkrankung beigesteuert als die biochemische.

Einen wichtigen frühen Beitrag leistete bereits 1938 Dorothy H. Andersen von der Columbia-Universität in New York – mit der ersten umfassenden Beschreibung der Symptome und ihrer Entwicklung sowie der organischen Veränderungen. Sie hatte verstorbene Säuglinge und Kinder seziert und deren Krankengeschichten verglichen. Fast immer fand sie die Bauchspeicheldrüse zerstört (selbst schon bei Säuglingen), oft zudem die Bronchien infiziert und geschädigt. Dorothy Andersen gab dem Krankheitsbild auch seinen im englischen Sprachraum üblichen Namen: cystische Fibrose der Bauchspeicheldrüse – nach der im Mikroskop auffälligen Bindegewebsvermehrung (Fibrose) und Cystenbildung.

Ende der vierziger Jahre erkannten dann Mediziner ferner, daß ungewöhnlich zähflüssige Sekrete in den betroffenen Organen im allgemeinen deren Gangsysteme verstopfen. Sind beispielsweise die Abflußwege des enzymhaltigen Verdauungssaftes der Bauchspeicheldrüse verlegt, was fast immer der Fall ist, kann der Organismus Nahrung im Darm nicht mehr hinreichend aufschließen. Kinder mit cystischer Fibrose blieben deshalb früher auch klein und schmächtig.

In der Lunge verstopfen die Bronchien und ihre Verästelungen, die Bronchiolen. Ihre mit Flimmerhärchen ausgestattete Wandung ist normalerweise mit einer dünnen Schleimschicht überzogen, auf der eingeatmete Partikel haften bleiben und wie auf einem Förderband bis zum Rachen geschafft und dann verschluckt oder ausgehustet werden. Den zähen, dicken Schleim des Patienten aber vermögen die Flimmerhärchen nur schlecht abzutransportieren. Dies allein kann schon die Luftwege verengen und das Atmen behindern. Zugleich entwickeln sich aber leicht Infektionen, da Bakterien in den Atemwegen verbleiben. Solche gewöhnlich immer wiederkehrenden Infektionen schädigen das Lungengewebe, weil zu ihrer Abwehr Immunzellen auf den Plan gerufen werden, die aggressive chemische Substanzen und Enzyme freisetzen und so entzündliche Reaktionen auslösen. Die Zerstörung und Verlegung der Bronchien schreitet mit der Zeit fort, bis schließlich die Lunge versagt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war überdies aus dem familiären Vererbungsmuster der Krankheit erschlossen worden, daß sie rezessiv vermutlich über eine Mutation in einem einzigen Gen an die nächste Generation weitergegeben wird. Anders als beim dominanten Erbgang reicht beim rezessiven ein normales Gen, um gesund zu bleiben. Ein Kind erkrankt also nur dann, wenn beide Elternteile ihm ein defektes Gen vererbt haben.

Mukoviszidose gehört zu den häufigsten Erbkrankheiten und betrifft überwiegend Weiße. Etwa fünf Prozent der weißen Amerikaner sind Träger eines defekten Gens; eines unter rund 2500 Kindern europäischer Abstammung trägt zwei defekte Exemplare und erkrankt (das Leiden muß sich nicht von Anfang an manifestieren). Für die Vereinigten Staaten bedeutet das, daß etwa 1000 neue Fälle pro Jahr auftreten und etwa 30000 Menschen derzeit daran leiden. In Mitteleuropa sind bei einer unter 600 bis 1000 Partnerschaften beide Elternteile Träger; statistisch wird ein Viertel der daraus hervorgehenden Kinder beide mutierten Gene erben. Insgesamt ist hierzulande heute jeweils eines von 3000 bis 4000 Neugeborenen betroffen. In Deutschland leben derzeit schätzungsweise 6000 bis 8000 Erkrankte; etwa ein Drittel von ihnen ist älter als 18 Jahre.

Ein Zufall bracht 1952 die Forschung einen großen Schritt voran. New York litt damals unter einer Hitzewelle. Unter den in die Krankenhäuser eingewiesenen Kindern waren ungewöhnlich viele mit cystischer Fibrose, die an Dehydration litten; offensichtlich geriet ihr Wasser- und Mineralhaushalt eher aus dem Gleichgewicht. Paul di Sant'Agnese und seine Kollegen an der Columbia-Universität fanden damals heraus, daß die Betroffenen übermäßig viel Salz mit ihrem Schweiß verlieren. Der Grund dafür blieb viele Jahre unklar, aber die Beobachtung an sich war von erheblicher medizinischer Bedeutung: Auf ihr basiert ein Test, der noch heute ein diagnostischer Eckpfeiler ist – die Messung des Chloridgehalts von Schweiß.

Klinische Arbeiten wie diese haben im Laufe der Jahre außer einer genaueren Frühdiagnose auch eine bessere Thera-pie ermöglicht. Beispielsweise ist inzwischen ein Versagen der Bauchspeicheldrüse selten lebensgefährlich, weil die Patienten zu den Mahlzeiten Kapseln mit den fehlenden Verdauungsenzymen einnehmen können.

Seit man die Beschwerden, die sich im Verdauungstrakt manifestieren, im allgemeinen im Griff hat, konzentriert die Forschung sich auf die der Lunge: Sie verursachen zu mehr als 90 Prozent Arbeitsunfähigkeit und Tod. Auch zur Vorbeugung und Behandlung dieser Probleme hat man aber mittlerweile mehr Möglichkeiten. Altbewährtes wie die Abklopflagerungen gehören immer noch dazu; dabei nehmen die Patienten verschiedene Stellungen ein, während jemand sanft und schnell Brustkorb oder Rücken abklopft und so versucht, den Schleim aus den Atemwegen zu lösen (Bild 1). Mit verschiedenen Antibiotika lassen sich die immer wiederkehrenden Infektionen bekämpfen, wenn auch gewöhnlich nicht ausmerzen. Eine neue Therapie ist das Inhalieren von DNase; das Enzym trägt zur Verflüssigung des Schleims bei, indem es die langen, verklebenden Stränge des Erbmaterials DNA zerlegt, die aus abgestorbenen Zellen frei werden.


Das Gen

Die Erforschung der biochemischen Ursachen der Mukoviszidose kam erst in den frühen achtziger Jahren richtig voran – mit der Erkenntnis, daß in allen von der Erkrankung beeinträchtigten Organen eine Fehlfunktion der Epithelien vorliegt. (Diese oft schleimabsondernden Deckschichten aller inneren und äußeren Oberflächen des Organismus kontrollieren den Stoffaustausch zwischen Binnengewebe und dessen Außenwelt.) Und zwar erwies sich der Chlorid-Transport als gestört, was nahelegte, daß irgendein dafür zuständiger Ionenkanal in diesen Epithelien nicht normal arbeitet.

Die Indizien hatten verschiedene Forscher gefunden. So stellte Paul M. Quinton von der Universität von Kalifornien in Riverside fest, daß das Epithel, das die Schweißdrüsengänge auskleidet, Chlorid-Ionen nicht mehr wirksam genug aus der dorthin ausgeschiedenen Flüssigkeit rückresorbieren kann. Daraus erklärte sich endlich, warum Menschen mit Mukoviszidose ungewöhnlich salzigen Schweiß haben.

Das hauptsächlich aus Wasser bestehende Sekret wird normalerweise am Grund der Drüsen gebildet und fließt dann durch einen engen Gang zur Hautoberfläche (siehe Kasten auf dieser Seite). Anfangs ist es reich an Natrium- und Chlorid-Ionen, also an den Bestandteilen von Kochsalz. Aber während seiner Passage werden diese vom Wandepithel wieder aufgenommen, so daß die ausgeschwitzte Flüssigkeit nur noch schwach salzhaltig ist. Bei Patienten mit Mukoviszidose hingegen nimmt das Epithel keine Chlorid-Ionen aus dem Gang auf und im Zusammenhang damit auch schlechter Natrium-Ionen, so daß der Schweiß ungewöhnlich salzig bleibt.

An der Lunge stellten Michael R. Knowles und Richard C. Boucher von der Universität von North Carolina in Chapel Hill fest, daß aus deren Epithel weniger Chlorid-Ionen in die schleimbefeuchteten Atemwege gelangen, während zugleich vermehrt Natrium-Ionen von dort aufgenommen werden (Bild 5 links). Mittlerweile konnte man einen verminderten Chlorid-Transport auch im Darmepithel von Patienten nachweisen sowie im Gangepithel der Bauchspeicheldrüse von Mäusen mit einem solchen Defekt.

Zur Zeit dieser Untersuchungen suchten viele andere Wissenschaftler fieberhaft nach dem verantwortlichen Gen. Schließlich, 1989, verkündete eine große Arbeitsgruppe um Lap-Chee Tsui und John R. Riordan von der Kinderklinik in Toronto (Kanada) sowie Francis S. Collins, der damals an der Universität von Michigan in Ann Arbor tätig war, dessen Isolation. Aufgrund der mutmaßlichen Funktion nannten sie das zugehörige Protein cystic fibrosis transmembrane conductance regulator (CFTR; Regulator der Transmembran-Leitfähigkeit bei cystischer Fibrose). Bei der Suche nach dem Gen hatte die Arbeitsgruppe außerdem eine Mutation in der DNA identifiziert, die offensichtlich für etwa 70 Prozent aller Fälle von cystischer Fibrose verantwortlich ist. Dabei fehlen an einer Stelle drei zusammenhängende Bausteine; dadurch wird die Aminosäure Phenylalanin an der Position 508 in der Aminosäurekette des Proteins ausgelassen (Bild 3). Entsprechend läuft dieser Defekt unter dem Kürzel ŒF 508 (der griechische Buchstabe Delta steht für Deletion, Stückverlust, F ist das Einbuchstabenkürzel für Phenylalanin).

Alle, die sich mit der Erkrankung beschäftigten, waren elektrisiert, versprachen sie sich doch neue Perspektiven sowohl für das Verständnis als auch für die Behandlung. Doch man wollte weitere Belege, daß das richtige Gen kloniert sei. Ein gesundes Gen sollte, wenn man es in kultivierte Epithelzellen von Patienten einschleust, den fehlerhaften Chlorid-Transport korrigieren. Erst nach einigen Schwierigkeiten gelang es schließlich im Sommer 1990 unserem Kollegen Richard J. Gregory vom Unternehmen Genzyme in Framingham (Massachusetts), eine geeignete Version des Gens herzustellen. Wir und unsere Mitarbeiter schleusten es unverzüglich in Epithelzellen ein, die den Atemwegen von Patienten entstammten. Anschließend versetzten wir die Kultur mit cyclischem Adenosin-monophosphat (cAMP). Dieses Molekül fördert den Chlorid-Transport in normalem Epithel, versagt aber bei dem erkranktem. Den manipulierten Zellen jedoch entströmten zu unserer Begeisterung tatsächlich Chlorid-Ionen: Das Gen hatte offensichtlich den Defekt normalisiert.

Wir standen zudem mit unserem Erfolg nicht allein, denn ähnliche Ergebnisse hatten auch Collins und einige seiner Kollegen mit anderen Methoden an Epithelzellen der Bauchspeicheldrüse erzielt. Dies ließ hoffen, daß der Funktionsausfall auch bei Patienten mittels gesunder Gen-Versionen korrigiert werden könnte. Allerdings war uns sehr wohl bewußt, daß es bis dahin noch viele Hindernisse zu überwinden galt.


Der Kanal

Mittlerweile beschäftigte ein weiteres wichtiges Problem die Forscher, nämlich wie das CFTR-Protein im einzelnen in den Chlorid-Transport verwickelt ist. Hinweise auf seine normale Funktion ergaben sich unmittelbar aus der Abfolge seiner Aminosäuren, die sich ohne weiteres aus der Abfolge der Genbausteine ableiten läßt. Darin ähnelt das Molekül weitgehend einer Familie von Proteinen, die man als ABC-Transporter bezeichnet, weil sie eine sogenannte ATP-Binde-Cassette tragen. Diese Strukturkomponente ist für die Bindung von Adenosin-triphosphat (ATP) zuständig, dessen Spaltung Energie liefert. Daher war zu vermuten, daß das CFTR-Protein wohl auch in der Funktion und in seiner gefalteten, dreidimensionalen Struktur den anderen ABC-Transportern gleicht.

Zu der Familie gehören etliche Proteine, die bei Bakterien Nährstoffe durch die Zellmembran pumpen; ein bei höheren Organismen vorkommendes Transportprotein, das Giftstoffe aus den Zellen schleust, ist übrigens für die Vielfach-Resistenz von Krebszellen gegen Chemotherapeutika verantwortlich (Spektrum der Wissenschaft, Mai 1989, Seite 64).

Im gefalteten Zustand haben die ABC-Transporter im allgemeinen vier als Domänen bezeichnete Hauptbereiche: Zwei durchspannen die Membran (wobei sich ihr Kettenabschnitt mehrmals hin und her fädelt); die beiden anderen liegen im Zellinneren, wo sie ATP binden und spalten, um die für das Pumpen nötige Energie zu gewinnen. Praktisch dieselbe Struktur war beim CFTR-Molekül zu erwarten, nur daß es – wie aus der Sequenz zu erschließen war – noch eine zusätzliche Domäne im Zellinnern aufweist.

In Anlehnung an die Tätigkeiten von bekannten ABC-Transportern vermuteten einige Forscher in CFTR eine ATP-getriebene Pumpe, die aktiv irgendeine Substanz (nicht aber Chlorid-Ionen) in die Epithelzellen transportiert oder aus ihnen befördert; erst dieses Molekül würde dann den Chlorid-Transport durch einen separaten Kanal auslösen. Ein solch komplizierter, indirekter Mechanismus wurde deshalb vorgeschlagen, weil die für CFTR vorhergesagte Struktur keinem bisher bekannten Ionenkanal – wie er für einen direkten Chlorid-Transport erforderlich wäre – glich.

Einer zweiten Hypothese zufolge sollte sich CFTR selbst an Chlorid-Kanäle binden und deren Aktivität beeinflussen. Und eine dritte schließlich besagte, daß CFTR trotz fehlender Ähnlichkeit mit ABC-Transportern selbst der Chlorid-Kanal sei – seine beiden membrandurchspannenden Domänen würden eine Pore für die Passage solcher Ionen bilden können.

Eben dies bestätigte sich im Verlauf weiterer Forschungen. Wie wir feststellten, lassen Testzellen, die ansonsten undurchlässig für Chlorid-Ionen sind, diese passieren, wenn man ihnen ein normales CFTR-Gen einschleust. Veränderte man dieses aber zuvor derart, daß die mutmaßlich zum Chlorid-Transport beitragenden Bereiche des Proteinmoleküls beeinträchtigt waren, nahm die Affinität zu den Ionen ab, wie unser Kollege Matthew P. Anderson von der Universität von Iowa in Iowa City nachwies. Letzte Zweifel räumten Riordan und seine Kollegen aus, die hochgereinigte CFTR-Moleküle in künstliche Zellmembranen aus reinen, zu Doppelschichten zusammengelagerten Lipiden (fettartigen Stoffen) einfügten: Die Ionen konnten dann passieren.

Weitere Forschungen klärten auch die Funktion des CFTR-Teils, der den ATP-Transportern fehlt. Anhand bestimmter kurzer Sequenzbereiche darin ließ sich ableiten, daß es sich um eine Domäne – kurz mit R für Regulator bezeichnet – handelt, deren Aktivität im Zellinneren durch das Anhängen und Entfernen von Phosphatgruppen gesteuert wird.

Wie verschiedene Experimente gezeigt haben, können ohne Bestückung dieser Domäne mit Phosphatgruppen keine Chlorid-Ionen in die Kanalöffnung eintreten. Das gelingt aber, sobald biochemische Änderungen (vor allem steigende Konzentrationen von cAMP) in einer Zelle spezielle Enzyme veranlassen, die Domäne zu phosphorylieren. Es ist hilfreich, wenn auch zu vereinfachend, sich die Regulator-Domäne als eine Art Schleusentor vorzustellen, das im entphosphorylierten Zustand die Porenöffnung im Zellinneren blockiert, im phosphorylierten aber etwas verschoben wird und den Ionen den Zugang freigibt (Bild 4). Die zwei ATP-bindenden Domänen im Zellinneren beeinflussen jedoch die Aktivität des Kanals ebenfalls: Sie müssen ATP binden und vermutlich zur Energiegewinnung spalten, damit die Ionen durch die Pore gelangen.


Defekte mit Folgen

Eine wichtige Frage war noch unbeantwortet: Wie eigentlich bewirken Mutationen im CFTR-Gen, daß der Chlorid-Transport nicht mehr funktioniert? Die Folgen des häufigsten Gendefekts – durch den dem Protein Phenylalanin 508 fehlt – sind bislang am eingehendsten untersucht.

Viele Proteine, so auch die normalen CFTR-Moleküle, bekommen nach ihrer Herstellung noch Zuckerseitenketten angefügt, solange sie sich in speziellen, von inneren Membranen umschlossenen Bereichen der Zelle befinden (zunächst im endoplasmatischen Retikulum, dann im Golgi-Apparat, der eine Art Versandstation für Proteine ist). Erst dann gehen sie an ihren Bestimmungsort weiter. Das mutierte CFTR-Molekül hingegen kann das endoplasmatische Reticulum nicht verlassen, vermutlich weil dessen Qualitätskontrollsystem die fehlerhafte Faltung bemerkt. Als defekt erkannte Proteine werden als abzubauend markiert und gar nicht erst zur weiteren Bearbeitung zugelassen.

Zwar ist die Mutation, die den Ausfall von Phenylalanin 508 bewirkt, die häufigste, aber mittlerweile wurden Hunderte weiterer bei cystischer Fibrose gefunden. Viele verändern das Protein ebenfalls in einer Weise, daß es nicht mehr zur äußeren Zellmembran gelangt. Andere verhindern die Herstellung überhaupt; wieder andere erlauben zwar Produktion sowie Einbau in die äußere Membran, verhindern aber ein korrektes Funktionieren – weil sie entweder eine der ATP-Binde-Domänen beeinträchtigen oder die Innenwand der ionen-transportierenden Pore.

Patienten, die auf beiden Chromosomen die Phenylalanin-508-Mutation tragen, haben gewöhnlich eine schwere Form der Erkrankung, wahrscheinlich weil das betroffene Protein allenfalls in geringen Mengen vom endoplasmatischen Reticulum aus weitergelangt. Bei manchen anderen Mutationen erreichen zumindest einige CFTR-Moleküle die Zellmembran und sind auch imstande, im gewissen Maße Chlorid-Ionen zu transportieren. Dann können die Symptome etwas weniger gravierend ausfallen – müssen es aber nicht. Denn das Schema gilt nicht immer, und das macht eine Prognose im Einzelfall schwierig (siehe Kasten auf Seite 37).

Selbst wenn zwei Patienten genau dieselbe Kombination von Mutationen tragen, kann das Außmaß ihrer Organschäden erheblich variieren. Wahrscheinlich beeinflussen also weitere genetische sowie umweltbedingte Faktoren, die man noch gar nicht im einzelnen kennt, den Verlauf der Krankheit.

Auch ist noch nicht völlig geklärt, wie der gestörte Transport von Chlorid-Ionen im Lungenepithel den von Natrium-Ionen verändert und wieso sich dadurch wiederum Schleim in den Atemwegen ansammelt (Bild 5). Ferner muß untersucht werden, ob und wie die schleimproduzierenden Drüsen unterhalb des Epithels, die ebenfalls große Mengen an CFTR-Protein herstellen, am Krankheitsgeschehen beteiligt sind.

Wieso manche Bakterien eher als andere die Atemwege der Patienten befallen ist ein weiteres wissenschaftliches Problem. Besonders verbreitet sind beispielsweise Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus – Erregern, die ansonsten verschiedene Erkrankungen auslösen. Staphylococcus verursacht bei den Mukoviszidose-Patienten aber chronische Bronchitis und Lungenentzündung, Pseudomonas attackiert vorgeschädigtes Gewebe und gilt als Problemkeim (Bild 2). Einige Wissenschaftler vermuten, daß mutiertes CFTR indirekt die Zusammensetzung der Zucker auf der Epitheloberfläche verändere und so eine Besiedelung mit bestimmten Bakterien begünstige.

Interessant ist schließlich die Frage, ob das Protein noch mehr tut, als einen Chlorid-Kanal zu bilden. Diskutiert wird beispielsweise, daß es vielleicht an einer Regulation andersartiger Chlorid-Kanäle beteiligt sei.


Ideen für neue Behandlungsstrategien

Die seit Isolierung des CFTR-Gens gewonnenen Erkenntnisse legen bereits mehrere Möglichkeiten zur Bekämpfung der Mukoviszidose nahe (Bild 6). Eine Strategie wäre etwa, den Ausfall des CFTR-Kanals zu kompensieren, indem man die Aktivität einer anderen Klasse von Chlorid-Kanälen erhöht. So sitzen in der dem Hohlraumsystem zugewandten Membran der Epithelzellen solche, die durch Calcium-Ionen gesteuert werden. Sie können zwar gewöhnlich den Ausfall der CFTR-Kanäle nicht ersetzen, doch ließe sich ihre Beförderungskapazität unter Umständen künstlich anheben; das wird derzeit an Patienten geprüft.

Eine weitere künftige Behandlungsmöglichkeit dürfte sein, gereinigtes CFTR-Protein den Zellen zuzuführen, die es benötigen. Bei kultivierten defekten Zellen vermochten solche Moleküle den Chlorid-Transport zu normalisieren.

Eine verfolgenswerte Idee ist ferner, Medikamente zu entwickeln, die steckengebliebene CFTR-Moleküle vom endoplasmatischen Reticulum durch den Golgi-Apparat zur Zellmembran schleusen. Trotz fehlendem Phenylalanin 508 funktioniert nämlich ein solches Molekül in der Regel recht gut, wenn man es experimentell direkt in die äußere Zellmembran einbaut. Bislang ist allerdings noch keine Substanz bekannt, die dieses innerzelluläre Transportproblem lösen könnte. Ein ebenfalls zu prüfender Ansatz wäre, mit Wirkstoffen die Aktivität mutierter CFTR-Känale zu steigern, die trotzdem die Zellmembran erreichen.

Das derzeit meiste Interesse konzentriert sich jedoch auf eine Gentherapie betroffener Zellen. Das eingeschleuste gesunde Gen sollte, wenn alles nach Plan verläuft, die Synthese von normalem CFTR-Protein einleiten und damit den primären, der Erkrankung zugrundeliegenden biochemischen Defekt beheben. Dieser Ansatz wird deshalb favorisiert, weil bei Gelingen alle Funktionen des CFTR-Proteins wiederhergestellt wären, selbst die eventuell noch unbekannten.

Bei der bestuntersuchten Methode zum Einschleusen therapeutischer Gene nutzt man Viren als Transportvehikel, denn sie bringen von Natur aus ihre eigene Erbsubstanz in befallene Zellen ein. Wir und andere Forscher haben uns speziell auf Adenoviren als Vehikel konzentriert; sie infizieren menschliche Atemwege, verursachen aber gewöhnlich nur solch vergleichsweise harmlose Krankheiten wie Erkältungen.

Zum Gentransport verändert man die Viren auf eine Weise, die solche Infektionsfolgen verhindert: Ihnen werden bestimmte eigene Gene entfernt, damit sie sich in den befallenen Zellen nicht vermehren und die für sie charakteristischen Symptome hervorrufen können; anstelle des ausgeschnittenen Materials wird ein gesundes CFTR-Gen eingesetzt. Wie unsere Arbeitsgruppe sowie die von Ronald G. Crystal, damals am amerikanischen Nationalen Herz-, Lungen- und Blut-Institut in Bethesda (Maryland), und James M. Wilson, damals an der Universität von Michigan, nachgewiesen haben, können solche Vehikel das CFTR-Gen in Epithelzellen einschleusen – sowohl in Kulturen als auch in den Atemwegen von Tieren. Die Zellen vermochten daraufhin Moleküle herzustellen, die normal als Chlorid-Kanäle arbeiteten.

Basierend auf solchen Experimenten haben verschiedene Forschergruppen mit Vortests an Patienten begonnen, wobei es in erster Linie darum geht, die Sicherheit dieses Verfahrens zu prüfen. Wir und andere Wissenschaftler haben überdies ein modifiziertes Adenovirus mit CFTR-Gen daraufhin getestet, ob es den gestörten Chlorid-Transport in der Nasenschleimhaut von Patienten zu korrigieren vermag. Dieses Epithel ähnelt dem der Lunge, ist aber leichter zugänglich.

Unser erster Versuch verlief ermutigend. Wir brachten das veränderte Virus direkt auf einen kleinen Bereich des Nasenepithels auf, und dort war dann tatsächlich der Chlorid-Transport für gewisse Zeit teilweise wiederhergestellt. Eine ähnliche Studie, die wir anschlossen, verlief jedoch weniger erfolgreich, und eine andere Gruppe erzielte sogar keinerlei Verbesserung. Die Adenovirus-Genfähren müssen also noch gründlich verbessert werden, bevor sie sich therapeutisch einsetzen lassen.

Selbst wenn sich die Effizienz des Gentransports durch Viren steigern ließe, bliebe ein weiteres Problem: Die meisten Zellen im Epithelgewebe werden alle paar Monate erneuert. Deshalb müßte eine solche Gentherapie vermutlich mehrmals im Jahr durchgeführt werden – zumindest bis man die seltenen langlebigen Zellen, welche die Nachschubzellen liefern, dazu bringen könnte, ein normales CFTR-Gen dauerhaft in ihr Erbgut aufzunehmen.

Es wäre in Kauf zu nehmen, daß wiederholte Behandlungen für den Patienten beschwerlich sind und viel kosten – nur ließen sie sich nicht nach Bedarf fortsetzen: Der Organismus baut gegen Adenoviren eine Immunreaktion auf, die sie schließlich eliminiert und die absichtliche Infektion der Zellen verhindert. Es gilt also Methoden zu finden, entweder die Adenoviren quasi gegenüber dem Abwehrsystem zu tarnen oder Genfähren zu konstruieren, die von vornherein keine Immunreaktion auslösen.

Eine solche interessante Alternative basiert auf Liposomen: Geeignete Fettmoleküle (Lipide) bilden winzige Hohlkugeln, die therapeutische Gene einschließen können; wenn sie mit der ebenfalls aus Lipiden bestehenden Zellmembran verschmelzen, gelangt ihr Inhalt ins Zellinnere. Neuere klinische Studien von Eric Alton und seinen Mitarbeitern am Königlichen Brompton-Hospital in London lassen vermuten, daß sich auf diese Weise die Durchlässigkeit für Chlorid-Ionen beim Epithel der Atemwege wiederherstellen ließe; allerdings hat diese Gruppe das ebenfalls bisher nur am Nasenepithel geprüft. Die Effizienz der nicht-viralen Einschleusung läßt überdies noch sehr zu wünschen übrig.

Es fehlt also zum einen viel zum Verständnis dessen, wie sich durch den Ausfall des CFTR-Proteins die Symptome der cystischen Fibrose im einzelnen manifestieren. Zum anderen ist eine Fülle von technischen Problemen zu lösen, ehe sich der Ausfall durch irgendeine Therapie routinemäßig korrigieren läßt. Angesichts der Fortschritte an vielen Fronten der Forschung kann man sich aber schwerlich die optimistische Erwartung versagen, daß innerhalb der nächsten Jahre bessere Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sein werden.

Literaturhinweise

- Cystic Fibrosis. Molecular Biology and Therapeutic Implications. Von Francis S. Collins in: Science, Band 256, Seiten 774 bis 779, 8. Mai 1992.

– Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator: A Chloride Channel with Novel Regulation. Von M. J. Welsh, M. P. Anderson, D. P. Rich, H. A. Berger, G. M. Denning, L. S. Ostedgaard, D. N. Sheppard, S. H. Cheng, R. J. Gregory und A. E. Smith in: Neuron, Band 8, Heft 5, Seiten 821 bis 829, Mai 1992.

– The Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator. Von J. R. Riordan in: Annual Review of Physiology, Band 55, Seiten 609 bis 630, 1993.

– Molecular Mechanisms of CFTR Chloride Channel Dysfunction in Cystic Fibrosis. Von M. J. Welsh und A. E. Smith in: Cell, Band 73, Heft 7, Seiten 1251 bis 1254, 2. Juli 1993.

– Cystic Fibrosis. Von M. J. Welsh, L. C. Tsui, T. F. Boat und A. L. Beaudet in: Metabolic and Molecular Basis of Inherited Disease. Herausgegeben von C. R. Scriver, A. L. Beaudet, W. S. Sly und D. Valle. McGraw-Hill, 1994.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1996, Seite 32
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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