Nachgehakt: Der ultimative Laptop
Seit es Computer gibt, verdoppeln sich – grob geschätzt – alljährlich die Rechengeschwindigkeit und die pro Gerät verarbeitete Datenmenge. Dieses exponentielle Wachstum kann natürlich nicht ewig so weitergehen. Irgendwann muss es an prinzipielle, von der Grundlagenphysik gezogene Grenzen stoßen. Aber wann? Und wie sieht er aus, der "ultimative Laptop"?
Diese Frage hat Seth Lloyd, Computerwissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology und Spezialist für exotische Quantencomputer (Spektrum der Wissenschaft 12/95, S. 62) nun erschöpfend beantwortet. Die Antwort ist so kühn, dass der Leser zunächst nicht weiß, ob er einem Scherz aufsitzt; aber Lloyds Überlegungen, die zwischen Quanten und Gravitation, Information und Entropie im Viereck springen, sind durchaus ernst gemeint (Nature, Bd. 406, S. 1047).
Man nehme ein Kilogramm Materie, sperre es in ein Volumen von einem Liter und baue daraus in Gedanken den finalen Computer. Zunächst: Wie schnell kann er sein? Lloyd folgert aus der quantenphysikalischen Heisenberg-Relation zwischen Energie- und Zeitunschärfe, dass die erzielbare Rechengeschwindigkeit mit der verfügbaren Energie wächst. Also verwandelt Lloyd kurzerhand das gesamte Kilogramm Computer-Materie nach Einsteins Formel E = mc^2 in pure Energie und berechnet daraus eine maximale Rechengeschwindigkeit von 1051 Operationen pro Sekunde – gegenüber dem heutzutage erreichbaren Tempo von rund 1010 ein beruhigend weit gestecktes Limit.
Aber wie steht es mit dem maximalen Speicherplatz – der größtmöglichen Da-tenmenge, die in einem Kilogramm Materie oder Energie untergebracht werden kann? Darüber gibt die Thermodynamik Auskunft. So wie die Energie die Geschwindigkeit, begrenzt die Entropie den Speicherplatz. Unser mehr oder weniger aus reiner Strahlung bestehender Laptop ist hundert Millionen Grad heiß, und wenn alle Photonen mitspielen, bieten sie Lloyd zufolge eine Speicherkapazität von 1031 Bits. Das ist einiges mehr als die schlappen zehn bis hundert Milliarden, die auf heutige Festplatten passen. Allerdings, räumt Lloyd ein, würde es mit derzeit vorstellbarer Technik jedes Mal mindestens zehntausend Jahre dauern, eine derartige Datenflut einzugeben und auszulesen.
Auch andere marginale praktische Hürden bleiben nicht unerwähnt. Der ultimative Laptop gleiche eher einer soeben explodierten Wasserstoff-Bombe – oder, wie Lloyd sich ausdrückt, einem "kleinen Stück des Urknalls" – als einem herkömmlichen Tischcomputer. Trocken spricht der Visionär von Handhabungs- und Verpackungsproblemen des vor Energie buchstäblich berstenden Zukunftsgeräts.
Doch damit nicht genug: Um die Signalwege innerhalb des Computers zu minimieren, erwägt Lloyd, ihn zu einem Schwarzen Loch zu komprimieren. Damit wäre zweifellos der absolute Endpunkt der Miniaturisierung erreicht, auch wenn Lloyd freimütig einräumt, nicht zu wissen, wie man kleine Schwarze Löcher macht und ob sie geschluckte Daten je wieder herausrücken.
So viel kann der Forscher anhand seiner Zahlen jedenfalls sagen: Wenn die Computerentwicklung im bisherigen Tempo weiter voranschreitet, dauert es nur noch 250 Jahre bis zum endgültigen Knaller auf dem Rechnermarkt. Das Ende ist nah!
Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 2000, Seite 24
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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