Nachhaltiges Wassermanagement in Baden-Württemberg?
Umweltschutz im landläufigen Sinne ist durchaus noch nicht gleichbedeutend mit Nachhaltigkeit bei der Nutzung der elementaren Lebensgrundlagen auf der Erde. Dafür bedarf es vielmehr eines gerechten Ausgleichs ökonomischer, ökologischer und sozialer Interessen zwischen heutigen und künftigen Generationen. Auch erneuerbare Ressourcen wie das Süßwasser müssen allen ausreichend zur Verfügung stehen: Es darf allenfalls in dem Maße genutzt werden, wie es sich wieder neu bildet.
Solange Wasser nicht weltweit gehandelt wird, erfordert diese Maxime Strategien, die an die regionalen Verhältnisse angepaßt sind. Und weil Wasser weniger ver- als gebraucht wird, gehört dazu eine Abwasserbehandlung, die auch Bedürfnisse von Nachbarn berücksichtigt, etwa stromabwärts wohnende Anrainer eines Flusses. Mithin darf nicht mehr Schmutz und Abwärme in den Wasserkreislauf zurückgeführt werden, als es der Selbstreinigungskraft der Gewässer entspricht. Was dies bedeutet, läßt sich exemplarisch an einer Region wie Baden-Württemberg aufzeigen.
Die gesamte sich in diesem Bundesland jährlich erneuernde Wassermenge beträgt etwa 45 Milliarden Kubikmeter. Davon stammt knapp ein Viertel aus dem Niederschlag, etwa drei Viertel fließen vor allem über den Rhein aus der Schweiz zu (Bild) – dank der dortigen Abwasserbehandlung der flußaufwärts gelegenen Regionen in akzeptabler Qualität. Von der Gesamtmenge wurden 1995 nur etwa 15 Prozent entnommen, und zwar weniger als ein Zehntel für Trinkwasser, mehr als 80 Prozent zur Kühlung in Kraftwerken und knapp 8 Prozent in der Industrie. Landesweit gesehen kann demnach von quantitativer Übernutzung keine Rede sein.
Das Bild ändert sich allerdings bei differenzierterer Analyse. Randgebiete wie das Rheintal, die Bodensee-Region und das Donauried sind reich an Grund- wie an Oberflächenwasser, während das Zentrum des Landes um Stuttgart, die Schwäbische Alb und Franken insbesondere arm an Grundwasser sind. Überfluß- und Mangelgebiete sind seit 1917 durch ein seither noch wachsendes Fernwassernetz verbunden.
In den Förderregionen ist zwar keine Übernutzung festzustellen, doch begünstigt der einfache Import von Wasser bei den Empfängern Tendenzen, örtliche Brunnen stillzulegen und die zugehörigen Schutzgebiete aufzugeben. Dieser Erosion des lokalen Grundwasserschutzes versucht die Landesregierung zwar mit dem 1995 novellierten Landeswassergesetz zu begegnen, das der ortsnahen Versorgung Vorrang gibt; da jedoch die bei weitem noch nicht ausgeschöpften Förderrechte der Fernwasser-Versorgungsunternehmen unverändert Bestand haben, bleibt abzuwarten, ob die Gesetzesnovelle tatsächlich greift.
Die Pflege der lokalen Ressourcen ist auf jeden Fall angebracht. Die Trinkwasserversorgung in Baden-Württemberg beruht zu drei Vierteln auf Grund- und Quellwasser. Verunreinigungen der Aquifere bleiben aber wegen der geringen Strömungsgeschwindigkeit und Selbstreinigungskraft im Untergrund nachfolgenden Generationen erhalten; sie sind auch bei intensiven Sanierungsbemühungen kaum vollständig und in akzeptabler Zeit zu entfernen.
In Baden-Württemberg mußten zwischen 1980 und 1994 insgesamt 654 Brunnen und Quellen mit etwa 3 Prozent der Förderleistung vom Trinkwassernetz genommen werden. Verantwortlich dafür waren vor allem die Landwirtschaft durch den Eintrag von Nitrat und Pestiziden, Emissionen in die Atmosphäre (auch außerhalb der Region) mit der Folge saurer und düngender Niederschläge sowie die über weite Strecken undichten Abwasserkanäle. Ein nachhaltiges Wassermanagement erfordert deshalb auch Maßnahmen, die außerhalb der Wasserwirtschaft greifen müssen: in erster Linie eine entsprechende landwirtschaftliche Praxis, die Reduktion der Stickoxid-Emissionen vor allem im Verkehr sowie der Ammoniak-Emissionen in der Tierhaltung und eine Sanierung beziehungsweise Neukonzipierung der Abwassersysteme, aus denen bei starkem Regen immer noch Abwässer ungeklärt in Bäche und Flüsse gelangen.
Auch die Qualität der Oberflächengewässer muß verbessert werden, ihrer Verbindung mit dem Grundwasser wegen und aus Rücksicht auf Anlieger flußabwärts. In Baden-Württemberg hat sich die Wasserqualität des Bodensees durch erhebliche Investitionen in seinem Einzugsgebiet spürbar verbessert, hingegen herrscht am Neckar im gesamten Verlauf wegen der Verschmutzung mit Fäkalkeimen nach wie vor Badeverbot.
Unter den Bedingungen der südwestdeutschen Region bedeutet nachhaltiges Wassermanagement demnach in erster Linie Schutz der Aquifere und Sauberhalten beziehungsweise Sanieren der Seen und Flüsse. Anders als in wasserärmeren Bundesländern kommt forciertem Sparen sowie flankierender Nutzung des vom Dach abfließenden Regens oder des nur leicht verschmutzten Wassers etwa aus Bad und Küche keine Priorität zu. Solche Maßnahmen sind auch zumeist energieaufwendig, substituieren also Wasser auf Kosten nicht erneuerbarer Ressourcen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1998, Seite 96
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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