Nahrungsverwertung: Trügerische Kalorienangaben
In einer besonders verrückten Phase meines Forscherlebens wühlte ich in Kothaufen von Emus, den größten australischen Verwandten der Strauße. Mich interessierte, wie viele der gefressenen Samen die Verdauungsprozedur überstehen und keimfähig bleiben. Tausende einigermaßen unversehrte Überreste säten meine Mitarbeiter und ich aus, und tatsächlich wuchsen bald kleine Wäldchen.
Ganz klar haben Nahrungspflanzen wie jene der Emus Anpassungen für widerstandfähige Samen erworben – sozusagen im Dienst ihrer Verbreitung. Aber die Vögel, die sich über die Früchte hermachen, sind eigentlich darauf aus, dem Futter möglichst viel Energie zu entnehmen. Dass auch die Menschen mit ihrer Nahrung manches Tauziehen veranstalten und die üblichen Kalorienberechnungen deswegen überhaupt nicht stimmen, wurde mir erst viel später bewusst.
Essen soll dem Körper Energie zuführen. Zu dem Zweck zerlegen Verdauungsenzyme in Mund, Magen und Darm komplexe Moleküle in einfachere, etwa Stärke in Zucker und Proteine in einzelne Aminosäuren. So zerkleinert gelangen sie ins Blut und zu den Zellen, welche die Moleküle weiter abbauen und sich die Energie zu Nutze machen, die in den chemischen Bindungen steckt. In Deutschland wird der Brennwert einer Speise heute korrekterweise in Joule oder Kilojoule angegeben. Allerdings ist vielfach daneben noch die ältere und ungenauere Bezeichnung Kilokalorie gebräuchlich, oft vereinfachend auch kurz als »Kalorie« abgekürzt. Ein Gramm Fett soll demnach ungefähr neun Kilokalorien liefern – entsprechend 38 Kilojoule –, ein Gramm Proteine oder Kohlenhydrate dagegen nur etwa vier Kilokalorien. So genannte Ballaststoffe, also schlecht verdauliche Bestandteile, bringen sogar nur zwei Kilokalorien pro Gramm ein.
Nach diesen Richtwerten, die Forscher im 19. Jahrhundert in Laborversuchen ermittelten, kommen im Grunde bis heute die Angaben auf Lebensmitteln zu Stande. Man geht einfach davon aus, dass jeder die gleiche Energie aus einer bestimmten Nahrungssorte und -menge bezieht, egal wie unterschiedlich die einzelnen Personen sind und wie verschiedenartig die Nahrungsmittel.
Neuere Forschungsergebnisse zeigen aber, dass diese Sichtweise die wahren Verhältnisse zu stark vereinfacht. ...
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