Editorial: Neue Perspektiven
Über Bildung lässt sich endlos streiten, obwohl sich doch eigentlich alle einig sind. »Wer Bildung sagt, hat immer Recht«, erklärt der Philosoph Konrad Paul Liessmann von der Universität Wien (siehe Interview ab S. 15). Denn mehr davon zu fordern, ist einfach – doch was genau verstehen wir darunter? Liessmann kritisiert die einseitige Kompetenzorientierung von Schulen und Universitäten, die allein auf die Vermittlung unmittelbar nutzbringenden Wissens abziele. Dieses sei zwar wichtig, aber es komme ebenso darauf an, jungen Menschen Freiräume für die Kreativität, für ästhetische Erfahrungen und zur Entwicklung moralischer Maßstäbe zu bieten.
Mit dem Titelkomplex dieser Ausgabe betritt »Gehirn&Geist« Neuland. Denn in der 15-jährigen Geschichte unseres Magazins gab es noch nie einen Schwerpunkt zum Thema Bildung. Das liegt wohl vor allem daran, dass sie kein klassisch psychologisches, sondern eher ein soziologisches Forschungsfeld darstellt. Und anders als Lernen und Didaktik ist Bildung nicht wertfrei beschreibbar, sondern stets normativ. Wie unser Autor David Kergel in seiner Begriffsbestimmung ab S. 12 ausführt, kommt es eben ganz darauf an, was man mit ihr bezweckt.
Neben der unverzichtbaren Aufgabe, Menschen eine praxisnahe, ihren Talenten entsprechende Qualifikation zu erlauben, hat Bildung mindestens noch eine öffentliche und eine individuelle Funktion. Sie produziert mündige Bürger, die dem Lockruf von Populisten widerstehen können – und, ja, Bildung beglückt! So gesehen dient zum Beispiel die Beschäftigung mit Literatur, Musik und Kunst nicht etwa dazu, nutzloses Schmuckwissen anzuhäufen, sondern neue, ungewöhnliche und mitunter inspirierende Perspektiven einzunehmen.
Eine gute Lektüre
wünscht Ihr
Steve Ayan
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