Zoologie: Pinguine - Spezialisten fürs Kalte Neues über die sympathischen Vögel auf dem Eis
BLV, München 2002, 160 Seiten, 39,90 €
Auch ohne kindlich große Augen und Pausbacken verfügen Pinguine über jene gewisse Kombination von Körpermerkmalen, die beim Menschen positive Gefühlstönungen auszulösen pflegt. Dies dokumentieren unzählige Plüschtiere, Cartoons und Werbespots. Die meisten Menschen mögen Pinguine, doch nur die wenigsten ahnen etwas von ihrer faszinierenden Lebenswelt. Diese Wissenslücke will Boris Culik, Biologe am Institut für Meereskunde in Kiel, mit seinem prachtvollen Bildband schließen.
Culik studiert seit über zwanzig Jahren das Leben der "Spezialisten fürs Kalte". Sein Buch macht den Leser zum Begleiter seiner oftmals abenteuerlichen Reisen auf die Südhalbkugel – zum Rand der Atacamawüste Chiles, auf das ewige Eis der Antarktis oder zu den subantarktischen Inseln.
Der Autor stellt alle 17 Arten der sechs Pinguingattungen vor, vermittelt in launigem Plauderton den neuesten Stand der Forschung und geht auf alle denkbaren Fragen ein. Er berichtet, wie die ersten Pinguine für die Wissenschaft entdeckt wurden und wie sie zu ihrem Namen kamen, wie sie sich orientieren, wie alt sie werden, wie sie sich untereinander verständigen, putzen, paaren oder streiten, wie sie auf Nahrungssuche gehen oder auch selbst zur Beute werden. Zudem geht er sowohl auf die Bedrohungen durch Überfischung und Verschmutzung der Meere ein als auch auf die Bemühungen zum Schutz der Pinguinbestände.
Die Fähigkeiten der Vögel im Frack erregen immer wieder aufs Neue das Staunen der Wissenschaftler. So verringern ein spindelförmiger Körperbau und spezielle Befiederung beim Schwimmen den Strömungswiderstand effizienter als alles, was unsere Technik auf diesem Sektor zu bieten hat. Zudem sind Pinguine außergewöhnlich gute Taucher. Den absoluten Rekord hält ein 27 Kilogramm schwerer Kaiserpinguin, der bei einem 15,8-minütigen Tauchgang nachweislich eine Tauchtiefe von 534 Metern erreichte.
Von allen warmblütigen Tieren der Erde können Pinguine die niedrigsten Außentemperaturen ertragen. Beim Brüten während des antarktischen Winters trotzen Kaiserpinguine Temperaturen von bis zu -40 Grad Celsius und Schneestürmen mit Geschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometer. Die "gefühlte Temperatur" kann im Extremfall auf -180 Grad Celsius absinken – Verhältnisse, unter denen etwa eine ungeschützte menschliche Hautstelle binnen vierzig Sekunden gefrieren würde.
Die Mühen und Freuden der Freilandforschung vermag der Autor durch eine Vielzahl von kleinen Begebenheiten unterhaltsam zu schildern. Culik ist touristenfreundlich, indem er die Frage beantwortet, wo man Pinguine am besten beobachten kann, und pinguinfreundlich, weil er dem Touristen verrät, wie man sich in der Nähe der Frackvögel richtig verhält.
Culiks Beschreibungen sind somit weitaus mehr als nur Begleittexte für die wunderbaren, zum Teil doppelseitigen Fotos. Viele ausdrucksstarke Bilder fesseln den Betrachter durch ihre Schönheit oder ihre besondere Botschaft: etwa jene bizarre Eisscholle im Licht des antarktischen Sommers, auf der sich einige Duzend Adéliepinguine zur Rast versammelt haben. Oder jener ölverschmutzte Zwergpinguin, dem Helfer das Leben retten, indem sie ihm nach dem Säu-bern einen wärmenden Strickpulli überziehen.
Kleine Unstimmigkeiten und Widersprüche können nicht beeinträchtigen, was dieses Buch so empfehlenswert macht: die vielen authentischen Begegnungen mit den "sympathischen Vögeln im Frack".
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2003, Seite 94
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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