Quad - ein neues Brettspiel
Bei einem neuen, variantenreichen Brettspiel kommt es darauf an, den Überblick über alle Quadrate zu behalten, die auf dem Spielbrett entstehen können auch die schrägen.
Einer meiner Freunde, G. Keith Still, hatte bei der vergangenen Fußball-Europameisterschaft eine interessante Nebenrolle. Er betreibt einen kleinen privaten Sicherheitsdienst, der die Zuschauer im Londoner Wembley-Stadion im Zaum halten soll. In seinem Hauptberuf als Computerwissenschaftler befaßt er sich mit der Dynamik von Menschenmassen und der Plazierung geeigneter Absperrungen. Diese sind – in etwas anderer Form – auch Gegenstand eines Spiels, das er vor einigen Jahren entwickelt hat.
Still nennt es Quad, weil es um Quadrate geht und das Wort in der englischen Aussprache "quod" auf die mathematische Schlußformel quod erat demonstrandum ("was zu beweisen war") anspielt. Das Spielbrett ist in 11×11 quadratische Felder unterteilt, von denen die vier Eckfelder entfernt wurden; damit bleiben noch 117 übrig. Die beiden Spieler – Rot und Schwarz – bekommen je 20 Steine ihrer Farbe, die Quads, sowie je sieben (oder für eine kürzere Spieldauer sechs) weiße, die als Sperren dienen. Die Spieler setzen abwechselnd je einen Quad auf ein freies Feld. Das Ziel ist, ein Quadrat aus vier eigenen Quads zu bilden. Dessen Seiten dürfen parallel zu den Brettkanten, aber auch schräg liegen (Bild 1 links).
Wer den vierten und letzten Stein eines Quadrates setzt, ruft "Quad!" und hat gewonnen. Manchmal übersieht man, daß einem das schon gelungen ist; dann darf man seinen Sieg auch noch reklamieren, falls man das nächste Mal zum Zuge kommt – aber nicht mehr, wenn zwischendurch der Gegner erfolgreich war und das auch ansagte.
In dieser Form ist das Spiel allerdings nicht sehr interessant, denn es läuft häufig auf eine Folge erzwungener Züge hinaus (Bild 1 rechts). Deswegen gibt es noch die Sperren. Sie zählen bei der Bildung von Quadraten nicht mit; deshalb tragen sie alle die neutrale Farbe Weiß. Jedesmal, wenn ein Spieler am Zug ist, darf er beliebig viele Sperren setzen – solange sein Vorrat reicht. Erst danach darf (und muß) er einen Quad setzen.
Wenn alle Quads ausgespielt sind und kein Quadrat gebildet wurde, ist das Spiel zu Ende. Wenn in dieser Situation dem Spieler, der eigentlich am Zuge wäre, nur noch ein Quad zum Gewinnen fehlt, wird er zum Sieger erklärt. Ansonsten gewinnt derjenige, der die meisten Sperren übrig hat. Bei gleicher Anzahl ist das Spiel unentschieden.
Weil sich sehr viele Quadrate bilden lassen, kann Quad erstaunlich komplex werden. So ist es vergleichsweise einfach, eine Doppelquadrat-Drohung aufzubauen; das ist ein Zug, der zwei Dreier zugleich erzeugt – Konfigurationen, denen zum Quadrat nur noch je eine Ecke fehlt. Ohne Sperren wäre ein Sieg dann nicht mehr zu verhindern. Aber auch mit Blockademöglichkeit ist eine Doppelquadrat-Drohung ein guter Zug, denn sie zwingt den Gegner, seine Sperren schneller zu verbrauchen.
Einige Erfahrung zeigt, daß ein Quad auf dem zentralen Feld ein guter Eröffnungszug ist. Danach kommt es darauf an, Dreier oder gar unabsichtlich vervollständigte Quadrate nicht zu übersehen – was nicht einfach ist, denn sie könnten eine ungewohnte Orientierung haben. Überlappende Quadrate beziehungsweise Dreier sind besonders gefährlich, weil man aus ihnen leicht eine Doppelquadrat-Drohung machen kann. Bild 2 gibt einen möglichen Spielverlauf wieder.
Wenn Ihnen Quad gefällt, können Sie etliche Varianten ausprobieren. Für Kinder ist ein kleineres Brett meistens geeigneter. Entsprechend weniger Sperren sollte man ausgeben – fünf bei einem 10×10-Brett, vier bei einem 9×9-Brett (mit jeweils entfernten Eckfeldern) und so weiter. Wollen drei Spieler zugleich antreten, sollte jeder nur vier Sperren bekommen (aber nach wie vor je 20 Quads, zum Beispiel schwarze, rote und gelbe). Für vier Spieler sind je drei Sperren zu empfehlen, für fünf oder sechs Spieler lediglich je zwei.
Still beschreibt noch weitere Varianten. Quad Trek geht ähnlich wie die Grundform des Spiels zu zweien, aber jeder Spieler hat nur sechs Quads und sechs Sperren. Nachdem alle Quads ausgespielt sind, besteht ein Zug darin, einen der eigenen Farbe auf ein beliebiges freies Feld zu setzen. Sperren dürfen wie im Standardspiel jederzeit plaziert, aber nicht mehr bewegt werden.
Bei Quad Duel haben beide Spieler Quads in zwei oder mehr Farben; ein Zug besteht darin, von jeder Farbe einen Quad zu setzen. Gewonnen hat, wer zuerst ein Quadrat aus vier gleichfarbigen Steinen gebildet hat.
Bei Quad Rapid erhält jeder Spieler wiederum sechs Quads und sechs Sperren. Aber anders als bei Quad Trek hat man von Anfang an die Freiheit, in einem Zug einen neuen Quad zu setzen oder einen bereits gesetzten zu bewegen. Für Sperren gelten die üblichen Regeln.
Für Quad Bridge braucht man vier Spieler, die zwei einander gegenübersitzende Paare bilden. Ein Paar spielt die roten Quads, eines die schwarzen. Die Spieler kommen im Uhrzeigersinn an die Reihe, und es darf nicht geredet werden. Die Kunst besteht darin, die Strategie seines Partners zu durchschauen, bevor den Gegnern das gelingt. Aber man darf Signale geben – etwa zwei Finger kreuzen, den Kopf schütteln oder die Augenbrauen hochziehen.
Die Vorstellung dieses Spiels im "Scientific American" hat bereits allerlei Reaktionen ausgelöst. David Weiblen aus Reston (Virginia) programmierte eine Strategie, die auf einer Bewertungsfunktion beruht (vergleiche Spektrum der Wissenschaft, Dezember 1990, Seite 94): Einer Stellung wird nach gewissen Regeln ein Zahlenwert (eine sogenannte Stärke) zugeschrieben, je nachdem, wie günstig sie (nach Weiblens Einschätzung) für den jeweiligen Spieler ist. Wenn er das Programm gegen sich selbst spielen ließ, gewann stets dasjenige, welches den ersten Zug hatte. Gibt es vielleicht eine einfache Gewinnstrategie, so daß das Spiel gar nicht sonderlich interessant wäre? Oder ist die gewählte Bewertungsfunktion vielleicht nicht die geschickteste?
Les Reid von der Southwest Missouri State University in Springfield berechnete ebenso wie Weiblen, daß es genau 1173 verschiedene Quadrate auf dem Standardbrett gibt. Das Problem wurde auch auf dem WWW-Server der Universität in der mathematischen Rätselecke veröffentlicht (http://science.smsu.edu/math/index.html). Daraufhin verallgemeinerte Denis Borris aus Ottawa (Kanada) die Berechnung auf ein allgemeines Brett der Größe n×n; es ergeben sich (n4- 2-48n+84)/12 mögliche Quadrate. Ken Duisenberg von der Firma Hewlett-Packard berechnete eine allgemeine Formel für nicht-quadratische Bretter.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 1997, Seite 10
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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